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„Größte Demo aller Zeiten“Bauern in den Niederlanden protestieren gegen geplante Umweltauflagen

Lesezeit 3 Minuten
Demonstranten nehmen mit niederländischen Fahnen, die auf dem Kopf stehen und von denen eine die Aufschrift «Nexit» (Austritt der Niederlande aus der EU) trägt, an einem Protest der Bauernverbände gegen die Regierung teil.

Am Samstag protestieren Bauern und Bürger in den Niederlanden.

Brennende Strohballen und Trecker-Blockaden auf Autobahnen: Die Niederlande fürchten die Wut der Bauern.

Die Niederlande wappnen sich an diesem Samstag für einen großen Protest von Bauern und Bürgern. Zehntausende Menschen wollen in Den Haag unter anderem gegen geplante Umweltauflagen für die Landwirtschaft protestieren.

Die radikale Bauernorganisation „Farmers Defence Force“ rief zur „größten Demo aller Zeiten“ auf. Diesmal soll es nicht nur um Proteste gegen Umweltauflagen gehen. Rechtspopulistische Parteien, allen voran Rechtsaußen Geert Wilders, wollen das Podium nutzen, um zum Widerstand gegen die Regierung aufzurufen.

Auch andere schließen sich den Protesten an

Außerdem mobilisierte die Bewegung der früheren Corona-Gegner „Samen voor Nederland“ (Gemeinsam für die Niederlande) ihre Anhänger. Im Gegenzug kündigten auch die radikalen Klimaschützer von Extinction Rebellion eine Protestaktion in Den Haag an.

Sie wollen einen Autobahnzubringer blockieren. Ihnen gehen die Maßnahmen zum Klimaschutz nicht weit genug. Bei den Behörden ist die Sorge vor Gewalt groß.

Bereits in vergangenen Jahren gab es Proteste

Im vergangenen Jahr protestierten Bauern wochenlang im ganzen Land. Sie blockierten mit Treckern Autobahnen, legten Brände oder schütteten Müll, Mist und Asbest auf Straßen. Sie bedrohten außerdem Politiker vor ihren Privatwohnungen.

Anlass für die Bauern-Proteste sind die angekündigten Auflagen zum Schutz der Naturgebiete. Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte will den Stickstoff-Eintrag bis 2030 drastisch reduzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019.

Enteignungen werden nicht ausgeschlossen

Die Maßnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Höfe bedeuten, schätzt die Regierung. Die Eigentümer von rund 3000 Höfen, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten die Böden am meisten belasten, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes.

Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. „Wir haben keine Wahl“, sagte die für Stickstoff-Politik zuständige Ministerin Christianne van der Wal. „Die Natur kann nicht warten.“ Wie auch in Deutschland sind in den Niederlanden Grundwasser und Böden stark belastet.

Auch in Deutschland gibt es Probleme

Überschüssiger Stickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen gelangt laut deutschem Umweltbundesamt als Nitrat in Grund- und Oberflächengewässer und als Ammoniak und Lachgas in die Luft. Lachgas trägt als hochwirksames ⁠Treibhausgas⁠ zur Klimaerwärmung bei.

Wird überschüssiger Stickstoff durch Regen aus dem Boden gewaschen, gelangt er als Nitrat ins Grundwasser. Die Folge: Um daraus Trinkwasser zu gewinnen, muss das Wasser teuer aufbereitet werden. Zudem gelangt der Stickstoff auch in Seen, Flüsse und Meere. Hauptverursacher sind in den Niederlanden Viehbetriebe.

Agrar-Sektor einer der größten Exporteure weltweit

Und der Agrar-Sektor ist riesig, einer der größten Exporteure der Welt. Im vergangenen Jahr exportierten niederländische Bauern für 122 Milliarden Euro Waren ins Ausland. Jahrelang wurden die Umweltbelastungen geduldet oder mit Ausnahmeregeln legalisiert, obwohl Grenzwerte überschritten wurden.

Immer wieder wurden Schlupflöcher gefunden, um nur nicht die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Dass dies ein Fehler war, räumt inzwischen auch die Regierung ein. Das Urteil des höchsten Gerichts von 2019 hatte große Folgen: Alle Projekte, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden.

Energiewende kommt in Gefahr

Das heißt, der Bau von Wohnungen und Straßen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr. „Der große Umbau der Landwirtschaft ist unvermeidlich“, sagte Ministerin van der Wal. Grund dafür sei nicht nur der Naturschutz, sondern auch der Klimawandel.

Die Bauern aber fordern eine Zukunftsperspektive, und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Außerdem zweifeln sie die Notwendigkeit der Maßnahmen an. Am Stickstoff-Thema zeigt sich auch, wie sehr das Land polarisiert wird. Es beherrscht auch den jetzigen Wahlkampf.

Wahlen am 15. März

Am 15. März wählen die Niederländer ihre Provinzparlamente, und sie bestimmen dann auch die Zusammensetzung der Ersten Kammer des Parlaments (vergleichbar dem Bundesrat).

Nach Umfragen steht ein deutlicher Rechtsruck bevor, mit der Protestpartei Bauer-Bürger-Bewegung als großem Sieger. Der Koalition aber droht eine riesige Schlappe, und sie kann dann womöglich ihre Pläne nicht länger durchsetzen. (dpa)