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Interview

Kölns Partnerstadt
„Manche denken in Bethlehem darüber nach, auszuwandern“

Lesezeit 3 Minuten
01.08.2022, Köln: Dr. Albrecht Schröter. Der ehemaliger Oberbürgermeister von Jenaist evangelischer Pfarrer. Foto: Uwe Weiser

Dr. Albrecht Schröter, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem, will auf das Leid der Bevölkerung in Bethlehem aufmerksam machen.

„Die Menschen sind im Tiefsten frustriert“: Der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem, Albrecht Schröter, zur Lage in der Partnerstadt und was Köln nun tun sollte.

Herr Schröter, Sie sind Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem. Was hören Sie aus der Partnerstadt im Westjordanland?

Albrecht Schröter: Nichts Gutes. Die Bilder und Videos, die ich von Freunden dort bekomme, gehen unter die Haut. In Flüchtlingslagern kommt es verstärkt zu Razzien und zu willkürlichen Verhaftungen. Die Wohnung eines Bekannten wurde nachts um vier Uhr durchsucht, die Soldaten hinterließen einen Trümmerhaufen, und dann kam raus, dass es sich lediglich um eine Übung handelte. Auch in Bethlehem werden Menschen Opfer von Siedlergewalt. Wie reagiert Köln darauf?

Wie war die Stimmung in Bethlehem kurz nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober?

Ich persönlich kenne niemanden in Bethlehem, der das Massaker begrüßt hat. Alle sind auf Distanz gegangen, auch deshalb, weil sie sofort wussten, was das für das Leben der Zivilbevölkerung bedeuten würde. Es gibt die Befürchtung, die israelische Regierung könnte das Massaker der Hamas zum Anlass nehmen, die Besiedelung der Westbank noch intensiver voranzutreiben. Viele meiner Bekannten in Bethlehem sind der Meinung, dass das gerade auch so passiert. Die Checkpoints nach Israel sind geschlossen, Arbeitnehmer kommen nicht mehr nach Israel. Touristen meiden Palästina. Die wirtschaftliche Lage hat sich dadurch dramatisch verschlechtert. Meiner Wahrnehmung nach macht sich Hoffnungslosigkeit breit, die Menschen sind im Tiefsten frustriert. Manche denken darüber nach auszuwandern.

Wie hat sich Ihr Blick auf den Konflikt verändert?

Ich verurteile das Massaker der Hamas auf das Schärfste. Es lässt mich aber auch nicht kalt, wenn ich sehe, welchen dramatischen Ansehensverlust Israel seit dem Gazakrieg international erfährt.

Meine jüdischen Freunde leiden darunter. Ich halte es deshalb für wichtig, dass wir zwischen dem Staat Israel, den Menschen dort, dem Judentum auf der einen und der rechten Regierung auf der anderen Seite klar unterscheiden. Die Gewaltspirale muss enden! Mehr denn je muss die Zweistaatenlösung das Ziel sein, das mit aktiver deutscher Hilfe tatsächlich umgesetzt wird.

Ihr Verein hat im Sommer beklagt, dass Köln sich einseitig auf die Seite der Partnerstadt Tel Aviv schlage und darüber die Partnerstadt Bethlehem vergesse. Wie kann es da nun weitergehen?

Wir hatten ein gutes Gespräch mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Nun geht es in die Planung. Ich habe viele Ideen. Zum Beispiel könnte die Stadt Köln, statt nur die israelische Flagge aufzuhängen, die Flaggen der beiden Partnerstädte hissen: Tel Aviv und Bethlehem.

Oder wir veröffentlichen eine Videobotschaft des Bürgermeisters von Bethlehem, so wie es auch eine des Bürgermeisters von Tel Aviv auf der Website der Stadt Köln gibt. Man könnte eine Kölner Delegation an Weihnachten zur Christvesper nach Bethlehem schicken, den Bürgermeister oder auch ein Ensemble der Musikschule von Bethlehem einladen. Es gibt viele Möglichkeiten, das Leiden der Bevölkerung in Bethlehem in unserer Stadt bewusst zu machen. Köln war aber auch nicht untätig, das muss ich sagen. Beispielsweise hat die Stadt mit 10.000 Euro eine Einrichtung in Bethlehem unterstützt, in der Kinder aus Gaza unterkommen konnten.