Warum ich X und Elon Musk aus meinem Smartphone geworfen habe.
Abschied von X?Da spiele ich nicht mehr mit
Es reicht. Endgültig. Ich habe den eXit vollzogen. Für einen Journalisten ist das keine leichte Entscheidung, weil mir bewusst ist, dass ich mich damit von potenziellen Informationsquellen abschneide und ich Gefahr laufe, dass im bevorstehenden Bundestagswahlkampf ein Großteil der Debatten an mir vorbeigehen wird. Das nehme ich in Kauf.
Der Wahlkampf, der auf der Plattform tobt, findet in einer gefährlichen Blase statt. Tech-Milliardär Elon Musk beschimpft den Bundeskanzler als inkompetenten Narren, den Bundespräsidenten als antidemokratischen Tyrannen. Zudem ruft er offen zur Wahl der AfD auf und bietet deren Spitzenkandidatin Alice Weidel ein Forum, in dem sie widerspruchlos behaupten kann, Adolf Hitler sei Kommunist gewesen. Sie unternimmt damit den Versuch, die NS-Geschichte umzudeuten.
Eine Plattform für Lügen und Verschwörungstheorien
Man könnte das alles einfach für durchgeknallt halten. Der Kanzler hat sich offenbar für diese Deutung entschieden und will Musk ignorieren. Er werde keine Tech-Milliardäre kommentieren, Musk sei schließlich kein Staatschef, „auch wenn man manchmal den Eindruck hat, mancher Tech-Konzern sei mächtiger als Staaten“, hat Scholz bei Caren Miosga erklärt.
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Das ist gut. Aber warum nutzen der Kanzler und die Bundesregierung weiterhin dessen Plattform? Warum kehrt Robert Habeck sogar zurück? Weil man den „Schreihälsen und Populisten“ etwas entgegensetzen müsse, argumentiert der Grünen-Politiker.
Damit liegt er falsch. Elon Musk ist nicht nur ein Schreihals. Er ist der reichste Mann der Welt, Gründer von Paypal, Eigentümer von X, SpaceX, Neuralink, Starlink und Tesla, der sich mit Hunderten Millionen Dollar zum Steigbügelhalter von Donald Trump gemacht hat. Er verbreitet auf seiner Plattform ganz bewusst und unzensiert Lügen, Verschwörungstheorien, Falschinformationen, rechtsradikales Gedankengut, Pornografie und Gewalt. Und hat weltweit mehr als 200 Millionen Follower.
Elon Musk, der Präsidenten-Flüsterer
Die Hunderte Millionen, die er in den Trump-Wahlkampf gesteckt hat, sind kein Gastgeschenk. Sie sind ein Investment. Das Eintrittsgeld ins Zentrum der Macht. Musk wird in Kürze nicht mehr bloß der reichste Mensch der Welt sein. Sondern der reichste Mensch der Welt mit direktem Einfluss auf die US-Politik. Ein Präsidenten-Flüsterer mit ähnlich irren Macht-Phantasien wie Trump, der Kanada und Grönland annektieren und die Kontrolle über den Panamakanal erlangen will. Notfalls auch mit militärischen Mitteln.
Bisher phantasiert Musk nur von einem Bürgerkrieg in Großbritannien und mischt sich in den Bundestagswahlkampf ein. Dabei wird es nicht bleiben. Bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im November hat Trump Musk schon den Hörer in die Hand gedrückt. Ich frage mich: Wie wird es im Weißen Haus bestellt sein mit der Vertraulichkeit, der Geheimhaltung und der Trennung des Präsidentenamts von privaten Interessen nach Trumps Amtseinführung am 20. Januar?
Ist Musk bald mächtiger als Trump, gar der heimliche US-Präsident? Und könnte das ein Argument für Journalisten sein, bei X zu bleiben?
Nein. Solange Journalisten und Politiker diese Plattform nutzen, halten sie das System in Gang. Sie verstärken damit den Eindruck, die Plattform habe irgendeine inhaltliche Relevanz. Dabei ist X als Kommunikationsquelle nicht derart unverzichtbar, wie es Twitter einmal war. Es gibt durchaus Alternativen. Zudem: X wird laut Ferda Ataman, der Unabhängigen Bundesbeauftragten für den Datenschutz, von rund 97 Prozent der Deutschen gar nicht genutzt und sei „eine Art rechtsextreme Desinformations- und Propagandaplattform, ein politisches Machtbeeinflussungssystem des reichsten Mannes der Welt“.
Da spiele ich nicht mehr mit. Für mich gibt es zum eXit keine Alternative.