Steuerersparnis, hohe Rendite, Risiko ausgeschlossen: So köderte ein Essener Finanzdienstleister private Investoren. Nun beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft.
Baubetrug mit mutmaßlicher Clan-BeteiligungWarum Jens Müller in Solingen eine Wohnung kaufte, in die er nie einziehen wird
Die Pflanzen wuchern auf dem Gelände. Baugerüste rund um das ehemalige Badhaus Solingen/Ohligs künden noch von besseren Zeiten. In dem Denkmal geschützten Gebäude sollte Großes entstehen. 21 Eigentumswohnungen, ideal für Käufer, die ein Investment als Altersvorsorge anstrebten. Passable Mietobjekte, steuerlich absetzbar. Doch seit zwei Jahren herrscht Flaute. Nichts geschieht, keine Bauarbeiter sind zu sehen. Am Bauzaun hängt schlaff ein Werbebanner. Rechts prangt noch das Signum des Bauträgers.
Jens Müller (Name geändert) steht fassungslos vor der Ruine. Gut 200.000 Euro hat er bereits über einen Makler für eine Wohnung an die Firma überwiesen. 2022 sollte er sein Eigentum schlüsselfertig übernehmen. Nichts geschah, die Bauarbeiten sind längst eingestellt, das Geld ist weg – vermutlich versickert in dunkle Kanäle. „Wir wurden klar hinters Licht geführt. Das ganze Projekt war von Anfang an eine Abzocke.“
So wie Müller geht es allen Käufern. Die meisten haben bereits 70 bis 80 Prozent des Kaufpreises gezahlt. Die Investorengemeinschaft beziffert den Gesamtschaden auf knapp fünf Millionen Euro.
Müllers Geld ist weg, vermutlich versickert in dunkle Kanäle
Der Verdacht liegt nahe, dass die Käufer Betrügern auf den Leim gegangen sein könnten, die mit dem kurdisch-libanesischen Al-Zein-Clan Geschäfte machten. In die Baufirma, die vermeintlich am Badhaus tätig war, soll der Leverkusener Zweig um den inzwischen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilten Clan-Boss Badia Al Zein Einnahmen aus mutmaßlich kriminellen Geschäften investiert haben. Unter dem Aktenzeichen 50 Js 67/22 geht die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS) bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf dem Verdacht der Geldwäsche nach.
Die Ermittlungen in dem Komplex legen nahe, dass der mutmaßliche Leverkusener Clan-Boss und zwei seiner Söhne auf zahlreiche Mittelsmänner zurückgreifen konnten, um ihre dubiosen Geschäfte durchzuziehen. So sollen die betroffenen Clanmitglieder mindestens 350.000 Euro in das Bau-Unternehmen des Deutsch-Türken Mahir B. (Name geändert) in Langenfeld gesteckt haben. Die Strafverfolger versuchen nun die Herkunft der Investitionen herauszufiltern.
Die Firma soll als legale Fassade gedient haben, um Schwarzgeld durchzuschleusen, so steht es in Vermerken der Staatsanwaltschaft. Im Gegenzug für das Clan-Investment sollen pro Monat bis zu 10.000 Euro an die Leverkusener Al Zeins zurückgeflossen sein. Auch soll der Bauträger unter anderem für Clan-Boss Badia Al Zein die monatliche Ratenzahlung für einen Range Rover in Höhe von 1400 Euro beglichen haben.
Taschengeld für illegale Zockereien
Gefüttert durch dieses Kapital, soll der mitbeschuldigte Bau-Geschäftsführer Mahir B. versucht haben, sein Immobiliengeschäft anzukurbeln und als Bauträger das Badhaus Solingen/Ohligs neu herrichten. Auf dem ehemaligen Schwimmbadgelände sollten von September 2020 an Eigentumsquartiere nebst Wintergarten entstehen. Überdies zog der Bauträger an der Landwehrstraße Häuser hoch, um auch hier Eigentumswohnungen ertragreich zu veräußern. Firmen-Chef Mahir B. bat die Clanspitze, das Areal vorab zu besichtigen. Zudem soll die Bau-Firma per Briefgrundschuld zwei Grundstücke an die Investoren aus Leverkusen abgetreten haben.
Geschäfte mit Badia Al Zein und seinem Umfeld verlaufen nicht nach den normalen Regeln. Immer wieder soll es Stress gegeben haben. Mal ging es um einen neuen Wagen oder das Clan-Oberhaupt brauchte abgehörten Telefonaten zufolge neues Taschengeld für illegale Zockereien. In Ansagen per Handy an B. soll er Tausende gefordert haben. Und der soll den Befehlen nachgekommen sein. Wenn die Schwimmbadsache laufe, versprach Mahir B., dann sei für Badia Al Zein ein neuer Range Rover drin.
Wo ist das Geld der Wohnungskäufer geblieben? „Wir wissen es nicht“, sagt Jens Müller
Aus den belauschten Telefonaten geht laut den Strafverfolgern hervor, dass die Geschäftsbeziehung zwischen dem Bau-Unternehmer und dem Al-Zein-Clan äußerst eng gewesen sein soll. Mahir B. beteuerte am 20. April 2021 im Gespräch mit einem der Al Zein-Söhne, dass die Interessen seines Vaters Badia auch die seinen seien. Zu dem Zeitpunkt waren die Wohnungen im Badehaus Solingen/Ohligs schon verkauft. Anfangs werkelten noch Bautrupps in dem Objekt, doch das ist längst Geschichte.
Wo ist das Geld der Wohnungskäufer geblieben? „Wir wissen es nicht“, sagt Jens Müller von der Investorengemeinschaft. Geschickt wurden die Immobilienanleger im Jahr 2020 über eine Vertriebsgesellschaft und einen Essener Finanzdienstleister für das Projekt geködert. Von einer erheblichen Steuerersparnis und hohen Renditen war die Rede. Risiko ausgeschlossen. Der Bauträger sei erfahren, die Rahmenbedingungen perfekt, hieß es.
Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Die Staatsanwaltschaft Köln hat Mahir B. wegen Veruntreuung angeklagt. Mit einem Geschäftspartner soll er illegal 240.000 Euro aus einer Kölner Firma in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Ferner haben Wohnungskäufer des Badhauses Solingen/Ohligs den Chef des Bau-Unternehmens und weitere mutmaßliche Komplizen wegen Betruges angezeigt. Das Verfahren, so teilte der Wuppertaler Behördensprecher Wolf-Tilman Baumert mit, sei an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben worden.
Mahir B. war trotz mehrmaliger Versuche per Telefon und Mails an seine Firmenadresse zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Schließlich meldete sich der Geschäftsmann am Morgen vor rund einem Monat telefonisch. Von Mailanfragen über die gesamten Ermittlungskomplexe und einer Verbindung zum Leverkusener Al-Zein-Clan wisse er nichts. Auf die Frage, ob er sich zum fehlgeschlagenen Projekt Badehaus Solingen/Ohligs äußern wolle, bekundete B.: „Dazu will ich nichts sagen.“
Zuvor hatte bereits der Al-Zein-Clan angerufen. „Was stellst du denn für komische Fragen?“, erkundigte sich ein selbst ernannter Pressesprecher der Familie. Auf die Antwort, dass es um den Verdacht der Geldwäsche gehe, erwiderte der Anrufer: „Die Familie will sich nicht dazu äußern, diese Vorwürfe stimmen nicht, das ist nicht die Wahrheit, das ist alles gelogen.“