Die SPD fordert Ministerpräsident Wüst zur Entlassung von Justizminister Limbach und Staatssekretärin Lesmeister zum Rücktritt auf.
„Beachtliche Fehler“OVG-Spitzenstelle muss neu ausgeschrieben werden
Das Verfahren zur Besetzung der Präsidentenstelle beim Oberverwaltungsgericht muss neu aufgerollt werden. Das teilte NRW-Justizminister Benjamin Limbach am Freitag in Düsseldorf mit. Bei der Beurteilung der bisher erfolgreichen Kandidatin habe es „beachtliche Fehler gegeben“, räumte der Grüne ein. „Der nächste Anlauf muss sitzen“, sagte Limbach.
Die Bewerberin, die den Top-Posten bekommen sollte, arbeitet derzeit als Abteilungsleiterin im NRW-Innenministerium. Sie ist eine Duz-Freundin und Ex-Kollegin von Limbach, weswegen die Opposition den Vorwurf der Vetternwirtschaft erhaben hatte. Derzeit befasst sich ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag mit der Aufklärung der Vorgänge. Dort war in der vergangenen die überaus wohlwollende Beurteilung der Duz-Freundin thematisiert worden.
Diese wurde im Jahr 2022 von Daniela Lesmeister, Staatssekretärin im Innenministerium, als zuständiger Vorgesetzter ausgestellt. Bei ihrer Befragung gab die enge Vertraute von NRW-Innenminister Herbert Reul an, die Beurteilung im Alleingang ausgestellt zu haben. Ein Lapsus? Oder ein absichtsvolles Vorgehen, um das gute Notenbild nicht zu gefährden? Fest steht: Die Unterlassung hat jetzt schwerwiegende Folgen.
Besetzungsverfahren durch Formfehler rechtswidrig
Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion hatten den Verdacht, dass die Beurteilung möglicherweise rechtswidrig gewesen sein könnte. Da sie zum Zeitpunkt der Beurteilung erst wenige Wochen im Amt war, hätte sie ihren Amtsvorgänger Jürgen Mathies mit zu Rate ziehen müssen, um sich einen Überblick über die Leistung der Bewerberin zu verschaffen. Dies sieht eine einschlägige Verwaltungsrichtlinie so vor. Die Missachtung dieser Regel erwies sich als hochexplosiv. Ein Rechtsgutachten, dass die Opposition zu diesem Vorgang erstellen ließ, kam zu dem Ergebnis, dass das gesamte Besetzungsverfahren durch diesen Fehler rechtswidrig wurde.
Zunächst taten die Regierungsfraktionen die Expertise als Gefälligkeitsgutachten ab. Bis in dieser Woche unerwartet ein Brief des OVG beim Justizministerium eintraf: Darin wurde mitgeteilt, man habe die Aussagen von Lesmeister in der Presse ausgewertet. Daraus werde klar, dass die Beurteilung nicht auf eine „hinreichende Tatsachengrundlage gestützt“ sei. Ein deutlicher Wink mit dem Zeigefinger. Limbach blieb daraufhin nichts anderes übrig, als den Stecker zu ziehen. „Sie können sich vorstellen, dass ich mir diese Entwicklung nicht gewünscht habe. Aber es ist jetzt Zeit, nach vorne zu blicken. Wir wollen diese Stelle so schnell wie möglich besetzen“, sagte der Justizminister.
In Regierungskreisen löste der Vorgang Verärgerung aus. Das schwarz-grüne Kabinett wird die bisherige Auswahlentscheidung bei der nächsten Sitzung am Dienstag förmlich aufheben. „Das Image der Staatssekretärin hat erheblichen Schaden genommen“, sagt ein Insider dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ihre Neigung, Dinge im Vertrauen auf das eigene Können selbst zu regeln, sei nach hinten losgegangen.
Ott: „Der Vertrauensspeicher ist aufgebraucht“
Lesmeister hatte im Landesdienst eine erstaunliche Karriere hingelegt. Sie startete ihre Laufbahn als Streifenpolizistin in Gelsenkirchen, hängte an die Ausbildung ein Jura-Studium an, das sie mit Promotion abschloss. Als Ordnungsdezernentin von Duisburg machte sie mit ihrem harten Vorgehen gegen kriminelle Clans auf sich aufmerksam. Als Reul 2017 ins Amt kam, macht er die Hoffnungsträgerin zunächst zur Leiterin der Polizeiabteilung und später als Nachfolgerin von Jürgen Mathies zur Staatssekretärin.
Die SPD forderte Lesmeister auf, jetzt „den Hut zu nehmen“. Die Staatssekretärin habe „die ständige Rechtsprechung und das kleine Einmaleins des Beurteilungsverfahrens missachtet“, sagt die Abgeordnete Nadja Lüders. Lesmeisters Verhalten sei ein weiteres Indiz dafür, wie „die gesamte Landesregierung mit der Arroganz der Macht getrickst hat, um das Ergebnis auf Biegen und Brechen passend zu machen.“
Fraktionschef Jochen Ott fordert Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf, auch Limbach zu entlassen: „Als Justizminister trägt er die Hauptverantwortung für dieses Desaster. Es wäre seine Aufgabe gewesen, die Rechtmäßigkeit der erstellten Beurteilung zu prüfen.“ Dass er die Notwendigkeit nicht sah, passe ins Bild: „Der Vertrauensspeicher ist aufgebraucht. Ministerpräsident Wüst muss Herrn Dr. Limbach aus dem Amt entlassen, um weiteren Schaden von der Justiz abzuwenden.“
Unklar ist, ob die Duz-Freundin des Justizministers im nächsten Verfahren erneut ins Rennen geht. Sie war in einem hochkarätigen Bewerberfeld durch die exorbitant gute Beurteilung, die Lesmeister ausgestellt hatte, auf die Überholspur geraten.