Der Prozess gegen einen Wirtschaftsanwalt ist besonders brisant: Was wird ihm die Kronzeugenschaft schließlich einbringen?
Ehemaliger Kronzeuge wird angeklagtBeim neuen Cum-Ex-Prozess in Bonn geht es um 428 Millionen Euro
Als Kronzeuge im Cum-Ex-Skandal hatte er offenbar gehofft, straffrei aus den Verfahren rund um den größten Steuerraub der deutschen Finanzgeschichte herauszukommen. Doch von Donnerstag an muss sich der Wirtschaftsjurist wegen schwerer Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als 400 Millionen Euro vor dem Bonner Landgericht verantworten. Der Mann, der einst maskiert in einem TV-Interview als „Benjamin Frey“ auftrat und über die Machenschaften führender Steuerschwindler der deutschen Finanzelite auspackte, muss nun selbst mit einer Gefängnisstrafe rechnen.
Bei Cum-Ex-Geschäften erschwindelt ein Finanzkarussell im Zuge von Aktiengeschäften Kapitalertragsteuer, die zuvor nie an den Staat abgeführt wurde. Mitunter kassierten Banken, Investoren, Börsendealer und Steuerberater gleich mehrfach Geld vom Fiskus. Experten schätzen den bundesweiten Schaden auf mindestens zwölf Milliarden Euro. Der Bundesgerichtshof hat diese Masche in höchster Instanz bereits als strafbare Handlung gewertet.
Der Angeklagte soll mit Hanno Berger zusammengearbeitet haben
Der Angeklagte „Benjamin Frey“ soll zahlreiche namhafte Investoren und Institute wie die Hamburger Warburg Gruppe oder die Varengold Investment AG bei dem mutmaßlichen Steuerbetrug beraten haben. Mit dem Steueranwalt Hanno Berger, auch Mr. Cum Ex genannt, soll der 52-jährige Jurist zahlreiche Cum-Ex-Deals initiiert haben. Inzwischen ist Berger gleich zwei Mal wegen schwerer Steuerhinterziehung in Wiesbaden und Bonn zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Das hessische Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der Verurteilte vor dem Bundesgerichtshof Revision eingelegt hat. Folglich steht die Endstrafe noch nicht fest.
Insbesondere die belastenden Aussagen seines Ziehsohnes „Benjamin Frey“ hatten Berger ins Gefängnis gebracht. Nun also muss der Kronzeuge selbst auf die Anklagebank. Laut Handelsblatt war der Angeklagte nach eigener Aussage bei den kriminellen Geschäften unter anderem für den Geldfluss zuständig. Notfalls soll er Scheinrechnungen ausgestellt und Briefkastenfirmen eingerichtet haben. „Frey“ nahm an Treffen mit dem Warburg-Chef Christian Olearius teil, dessen Prozess inzwischen durch das Bonner Landgericht aus gesundheitlichen Gründen eingestellt wurde. Wie die Bonner Gerichtsprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilte, hat der Bankier inzwischen seine Revision zurückgezogen. Einzig die Staatsanwaltschaft hält ihren Antrag in Karlsruhe aufrecht.
Treffen mit Schlüsselfigur Christian Olearius
Olearius spielt eine herausragende Rolle in dem Finanzskandal, weil er versucht haben soll, bei Treffen mit dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) 2016 Steuerrückforderungen des Fiskus aus Cum-Ex-Deals im hohen zweistelligen Millionenbereich zu verhindern. Dazu in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen befragt, hat der ehemalige Hamburger Oberbürgermeister Scholz stets eine politische Einflussnahme bestritten.
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt im „CumEx-Komplex“ in 133 Verfahren, die sich gegen über 1700 Beschuldigte richten. Für den anstehenden Prozess gegen den Whistleblower „Frey“ sind 24 Verhandlungstage vorgesehen. Laut der Gerichtssprecherin wirft die Staatsanwaltschaft Köln dem Angeklagten acht Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung zwischen 2007 und 2015 vor, darunter drei versuchte Taten. „Durch die Tätigkeit des Angeklagten soll es zur Erstattung von Kapitalertragssteuer des deutschen Fiskus gekommen sein, welche zuvor gar nicht abgeführt worden war. Der Betrag soll sich laut Anklage auf rund 428 Millionen Euro belaufen“, so das Fazit.
Was bringt ihm die Kronzeugenschaft?
Der Prozess gegen den Wirtschaftsanwalt birgt eine besondere Brisanz. Sicherlich wird die Strafkammer auch dessen Aufklärungshilfe zu würdigen haben. Dagegen steht der jahrelange mutmaßliche Steuerschwindel.
Der Jurist kassierte in dem Zusammenhang üppige Honorare. Nach eigenen Angaben verdiente er mit eigenen Cum-Ex-Geschäften 50 Millionen Euro. „Frey“ und sein Mentor Berger konzipierten außerdem Cum-Ex-Fonds für reiche Anleger. Noch im Jahr 2011 entwickelten beide Finanzexperten ein neues Betrugsmodell mit Hilfe fingierter US-Pensionsfonds, die Erstattungsanträge beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern stellten. Im Jahr darauf flog das Steuerkarussell auf. Die Kölner Cum-Ex-Strafverfolgerin Anne Brorhilker ließ die Kanzlei der beiden Anwälte durchsuchen.
2016 avancierte „Benjamin Frey“ zum Kronzeugen. Wochenlang wurde er durch die damalige Oberstaatsanwältin Brorhilker vernommen. Als Zeuge im Prozess gegen seinen einstigen Ziehvater Berger sagte er im September 2022 vor dem Landgericht Bonn: „Ich habe viel Schaden angerichtet. Ich arbeite seit sechs Jahren daran, ihn wiedergutzumachen.“ Ob dem Kronzeugen dies in seinem eigenen Prozess gelingt, wird sich weisen.