Die Stadt Krefeld verhängte ein Bettelverbot, ein obdachloser Ex-Priester klagt dagegen. Ein Treffen auf der Straße.
Bettelverbot in Krefeld„Es fühlt sich an, als ob man ausgelöscht werden soll“

Der obdachlose Franceso hat gegen das Bettelverbot in Krefeld geklagt. Auf dem Bild mit Krefelder Ratsfrau der Linken, Julia Suermondt
Copyright: Detlef Schmalenberg
„Unschön“ sei die Angelegenheit, sagt der feingliedrige Mann vor der Dionysiuskirche in der Krefelder Innenstadt. Francesco, schwarze Mütze, blauer, schwerer Mantel und graue Jogginghose, ist keiner, der die lauten Töne schätzt. Der katholische Ex-Priester, obdachlos geworden wegen einer Suchtkrankheit, verschwindet fast in seiner Kleidung. „In erster Linie bin ich ja selbst schuld an meiner Situation“, sagt der 50-Jährige nach einer Pause: „Aber was die hier mit uns machen, ist unmenschlich. Das fühlt sich an, als ob man unsichtbar und letztlich ausgelöscht werden soll.“
Am 8. März hat die Stadt Krefeld per „Allgemeinverfügung“ das „aktive Betteln“ in der Innenstadt verboten. Die Verfügung jedoch wurde auf Betreiben des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf mittlerweile wieder ausgesetzt. Denn Francesco, der regelmäßig in diesem Bereich um Geld gebeten hat, klagt mit Unterstützung der Ratsfraktion der Linken gegen das Verbot.
Eine Entscheidung mit bundesweiter Bedeutung
Ob das Bettelverbot bis zur endgültigen Entscheidung über die erst vor Kurzem eingereichte Klage ausgesetzt bleibt, werde in den kommenden Wochen per Eilantrag entschieden, sagte eine Gerichtssprecherin. Das Verfahren jedenfalls dürfte vielerorts auf Interesse stoßen. Denn derzeit gibt es in Deutschland selbst zu der Frage, was aktives Betteln genau ist und ob dies generell verboten werden kann, noch keine verbindlichen und Orientierung bietenden Grundsatzurteile.

Die Linke-Politikerin Julia Suermondt unterstützt Francesco bei seiner Klage.
Copyright: Detlef Schmalenberg
Außer dem unstrittig unrechtmäßigen Verhalten wie etwa bandenmäßigem Betteln, Vortäuschen einer Behinderung, der Begleitung durch Kinder und klar aggressivem Auftreten, etwa durch „Beleidigen, Verfolgen, Berühren, In-den-Weg-stellen“, hat die Stadt Krefeld jedenfalls auch „alle über das stille Betteln hinausgehenden und noch nicht benannten Bettelformen, insbesondere das aktive Betteln untersagt“. Das verbotene Auftreten zeichne „sich durch aktive Handlungen, wie das aktive Ansprechen, sowie das aktive Verfolgen von Dritten oder andere aufmerksamkeitserregende Handlungsweisen aus“, heißt es in der vom Stadtrat mehrheitlich beschlossenen Verfügung. „Die erlaubte Form der stillen Bettelei“ liege vor, „wenn die bettelnde Person nicht verkehrsbehindernd, sitzend und wortlos/tonlos für eine kurze Verweildauer bettelt.“
„Der Willkür wurde Tür und Tor geöffnet“
Die Formulierungen seien „extrem dehnbar und öffnen der Willkür des kommunalen Ordnungsdienstes Tür und Tor“, sagt Julia Suermondt von der Linken: „Jeder, der unliebsam ist, kann so aussortiert werden – die Stadt gehört aber allen Menschen.“ Die Krefelder Ratsfrau haftet für die Finanzierung der gerichtlichen Auseinandersetzung. Das Verbot sei rechtswidrig, sagt sie. „Jegliche Art des auf sich aufmerksam machen ist demnach verboten: Ansprechen, angucken, ein Schild aufstellen – soll das wirklich alles gemeint sein?“ Schließlich liege es doch in der „Natur des Bettelns, dass man auf seine Not aufmerksam machen muss, das ist ein Menschenrecht“. In Krefeld werde „nicht die Armut bekämpft, sondern die Armen“, so Suermondt: „Das ist absurd und zynisch, wenn man bedenkt, dass hier Menschen um das nackte Überleben kämpfen.“
Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer widerspricht dieser Einschätzung. „Es gab zuletzt Entwicklungen, die wir nicht länger zu akzeptieren bereit waren“, teilte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mit. Zu diesen „problematischen Entwicklungen“ gehöre „eine Szenebildung in bestimmten Bereichen der Stadt sowie eine teils aggressive Ansprache von Besuchern der Innenstadt“. Einzelhändler sowie Bürger hätten sich „zunehmend“ beschwert.
Krefeld OB: „Wir konnten die teils aggressive Ansprache nicht mehr akzeptieren“
Sicher, Verbote allein würden nichts bewirken, so Meyer. Den bedürftigen Menschen müsse auch geholfen werden, in Krefeld geschehe dies „durch mehr Streetworker-Stellen, die Eröffnung eines Drogenhilfezentrums“ sowie durch die geplante Erweiterung und Modernisierung. Ein absolutes Bettelverbot sei zudem auch nicht geplant, „stilles“ Agieren schließlich weiterhin erlaubt, betont der Sozialdemokrat. Es sei ihm bewusst, „dass Menschen auf ihre Bedürftigkeit aufmerksam machen können müssen“. Deshalb bleibe „stilles Betteln“ auch weiterhin erlaubt.
Es stimme, die Stadt sei „überschnorrt“, weil es auch immer mehr Armut gebe, sagt Francesco. In der Vergangenheit aber seien auch Bedürftige wie er vom Ordnungsdienst verjagt worden, die „niemals auf die Idee kämen, Passanten zu belästigen oder zu beschimpfen.“ Pfarrer Joachim Schwarzmüller von der Krefelder Baptist-Kirche bestätigt das. Auch wenn die Zustände in der Krefelder Innenstadt immer „extremer und heißer“ würden, es tatsächlich auch Belästigungen gebe und die Zahl der Bettler sowie Drogenkranken in den vergangenen Jahren drastisch gewachsen sei: „Der Versuch, diese Areale mit Verordnungen und Gesetzen so pflegeleicht zu machen, um möglichst nicht in Berührung mit Armut zu kommen, ist inakzeptabel.“