Thomas Geisel, Ex-OB von Düsseldorf und EU-Politiker des Bündnis Sahra Wagenknecht, spricht im Interview über die Wahlen im Osten und die Folgen des Attentats von Solingen.
BSW-Politiker Geisel ist optimistisch„Zweistelliges Ergebnis ist auch in NRW möglich“
Herr Geisel, welches Ergebnis erwarten Sie für das Bündnis Sahra Wagenknecht bei den Landtagwahlen in Thüringen und Sachsen?
Thomas Geisel: Ich rechne mit sehr guten Ergebnissen. In Thüringen könnten wir sogar an der 20-Prozent-Marke kratzen.
Zielt das BSW darauf ab, auch bisherigen AfD Wählern eine neue politische Heimat zu bieten?
Selbstverständlich. Viele Wählerinnen und Wähler, gerade in den neuen Bundesländern, sympathisieren mit der AfD, weil sie unzufrieden, teilweise auch wütend darüber sind, wie Deutschland in den letzten Jahren regiert wurde. Anders als die AfD, die eine reine Protest- und Denkzettel-Partei ist, bietet das BSW die Chance für einen konkreten Politikwechsel, der den wirtschaftlichen Stillstand überwindet und den sozialen Zusammenhalt wieder herstellt. Ich bin sicher, das gibt vielen Menschen Hoffnung, die sich zwischenzeitlich frustriert und verärgert von der Politik abgewendet haben.
Die gescheiterte Abschiebung des Attentäters wirft ein Schlaglicht darauf, wie ineffektiv und fehleranfällig das Rückführungssystem ist. Warum werden die Unzulänglichkeiten erst jetzt öffentlich?
Das müssen Sie die Fragen, die dafür verantwortlich sind. Nach Artikel 16a Grundgesetz in Verbindung mit dem sogenannten „Dublin-Abkommen“ können sich Flüchtlinge, die über andere EU-Länder nach Deutschland eingereist sind, nicht auf das individuelle Grundrecht auf Asyl in Deutschland berufen. Ich habe kein Verständnis dafür, weshalb wir vor dem Hintergrund dieser Rechtslage fast allen Flüchtlingen, die aus sicheren Drittländern nach Deutschland einreisen, ein – in der Regel aussichtsloses – Asylverfahren gewähren und sie für dessen Dauer mit hohen Kosten unterbringen und verpflegen. Nicht selten findet die islamistische Radikalisierung in den Unterbringungseinrichtungen statt. Sie nach Ihrer Ablehnung abzuschieben ist, wie die Erfahrung zeigt, faktisch extrem schwierig und auch rechtlich nicht ganz einfach.
„Wüst fühlt sich in seiner Kuschelkoalition mit den Grünen sehr wohl“
Sie waren früher Oberbürgermeister von Düsseldorf. Was halten Sie von dem Vorschlag, dass der Bund beziehungsweise die Bundespolizei zentral für Abschiebungen verantwortlich werden soll?
Ich bezweifle, dass allein eine Änderung der Zuständigkeiten hier einen großen Unterschied macht. Wenn die Menschen einmal längere Zeit hier sind, ist es sehr schwer, sie wieder loszuwerden, egal, wer für ihre Abschiebung zuständig ist. Insofern muss es vor allem darum gehen, keine Anreize zu schaffen, dass Menschen, die keine Bleibeperspektive haben, überhaupt nach Deutschland kommen. Wer über ein sicheres Drittland einreist und deshalb keinen Asylanspruch geltend machen kann, sollte auch keine staatlichen Leistungen erhalten.
Sollte das Grundrecht auf Asyl abgeschafft werden?
Die gegenwärtige Praxis, dass praktisch alle Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, hier einen Anspruch auf ein Asylverfahren haben, sollte jedenfalls beendet werden. Wer über ein sicheres Drittland zu uns gekommen ist, kann sich schon heute nach dem Grundgesetz nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen. Insofern muss das Grundgesetz nicht geändert, sondern nur konsequent angewendet werden.
Welches Stimmenpotenzial trauen Sie dem BSW in Nordrhein-Westfalen zu?
Bis zu den nächsten Wahlen in Nordrhein-Westfalen, also der Bundestagswahl und den Kommunalwahlen, ist es – voraussichtlich – noch über ein Jahr. Da sind Voraussagen naturgemäß schwierig. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch in NRW das Potenzial für ein zweistelliges Ergebnis haben.
Wüst schließt eine Zusammenarbeit mit dem BSW auf Länderebene nicht aus. Könnten Sie persönlich sich eine Koalition mit der Wüst-CDU in NRW vorstellen?
Ich habe den Eindruck, Herr Wüst fühlt sich in seiner Kuschelkoalition mit den Grünen sehr wohl, auch wenn sie unserem Bundesland alles andere als guttut. Klar ist aber auch, dass das BSW bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, wenn sich die Möglichkeit dafür ergibt und die Chance für einen echten Politikwechsel besteht. Wer dabei der oder die richtigen Partner sind, wird sich zeigen.