Movie Park in BottropMonster verbreiten beim Horror-Casting für Halloween Schrecken

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An Halloween wird im Movie Park wieder der Horror ausbrechen: Dann erschrecken hunderte Monster die Besucher. Wir waren beim Casting dabei.

Die Dompteurin knallt ihre Peitsche gegen die Wand. Kreischen. Im roten Frack, mit Rissen im Stoff wie von Tierpranken, versperrt die Monster-Bändigerin den Weg. Wencke Rahn steht vor einem Türrahmen, tiefrote Wunden zeichnen eine Wange. Sie lässt niemanden durch, ohne ihm kräftig Angst einzuflößen. Die Dompteurin ist selbst zum Monster geworden. Sie fletscht die Zähne, scharfe, schmale Spitzen ragen aus ihrem Zahnfleisch. Eins ihrer Augen ist weiß und trüb. Die Dompteurin peitscht erneut, diesmal lässt sie das Leder auf den Boden schnellen. Erst dann tritt sie endlich zur Seite.

Hinter der Schwelle wird es lauter. Wieder lautes Kreischen. Es stammt von einem Bräutigam. Einem, der von den Toten zurückkommt. Der Zombie mit Zylinder drückt nun ein Baby verzweifelt an sich. Kerstin Merckens steckt unter dem absurd festlichen Hut, auch ihr Gesicht ist entstellt. Ein Auge hängt aus der Höhle. Das Baby in ihrem Arm hat eine blutige Kopfwunde. Als untoter Bräutigam will sie es offenbar davor bewahren, auf dem Edelstahltisch zu landen. Aber eine Zombie-Braut will es ihr entreißen. Und auf den Tisch, unter ein Hackebeil, zerren. Dahin, wo schon abgetrennte Körperteile liegen. „Ich geb’ das Balg nicht her“, schreit Merckens aus voller Kehle.

Die beiden Frauen bewerben sich gerade auf Jobs. Das ungewöhnliche Vorstellungsgespräch ist ein Casting für Monster. Sie wollen Darstellerinnen in den Horror-Häusern im Movie Park in Bottrop werden. Seit 1998 findet zwischen den Bottroper Hollywood-Studios das Halloween Horror-Festival statt. Dieses Mal soll es zum 25. Jubiläum besonders groß werden. Wer heute seine gruselige Seite am überzeugendsten weckt, wird dabei sein. 280 angsteinflößende Kreaturen stellt der Freizeitpark für den Herbst ein. Ein wahrhaft blutiges Casting.

Monster-Anwärterin Kerstin Merckens hat sich als Zombie-Bräutigam verkleidet und beim Casting eine Zombie-Braut gefunden.

Monster-Anwärterin Kerstin Merckens hat sich als Zombie-Bräutigam verkleidet (links) und beim Casting eine untote Braut gefunden.

Eine Stunde vor der Probe im „Slaughterhouse“, einem der Horror-Häuser im Freizeitpark, sitzt Wencke Rahn auf einer Bierbank. Tagsüber ist sie Erzieherin. An diesem Samstagabend Anfang Juli trägt sie sich Perückenkleber im Gesicht auf und drückt ihre selbstgebastelten Wunden an. Sie hat einen Koffer dabei, das Verkleiden zu Monstern wird hier professionell betrieben.

Das Werkzeug ist mitunter skurril. Ihr Nachbar holt ein Kilo Mehl aus seinem Gepäck. Bei diesem Casting nichts Ungewöhnliches: Gemischt mit Latex und rot angemalt, hält es für vernarbte Wunden her. So hat auch Rahn ihre Prankenkratzer vorbereitet. Jetzt steht die junge Frau vor der ersten Herausforderung: Es ist ein heißer Tag und die Verunstaltungen wollen auf der schwitzigen Haut nicht halten. Mit einem kleinen Ventilator kühlt sie den Kopf runter, trocknet den Kleber schneller – und wirkt der Nervosität entgegen. 

Casting-Teilnehmerin Wencke Rahn schminkt sich zur gruseligen Dompteurin.

Casting-Teilnehmerin Wencke Rahn schminkt sich zur gruseligen Dompteurin.

Ein paar Bänke weiter klebt Kerstin Merckens ihr herunterhängendes Auge an. Es baumelt vor ihrer Wange. Sie geht als Zombie-Bräutigam gerne auf Horror-Bälle. „Ich liebe Halloween“, sagt sie. Ihr nimmt man die Begeisterung sofort ab, beim unheimlichen Schminken grinst sie immer wieder. Vor den anderen Monstern schreckt sie nicht zurück, sondern lacht. 

Normalerweise braucht sie vier Stunden, um sich ins Kostüm zu schmeißen. Heute hat sie nur eine, dann muss sie zeigen, was sie drauf hat. Zeit rauben ihr ungeplant die Augen – allerdings die echten. Die Kontaktlinsen wollen nicht halten.

Die beiden Horror-Bewerberinnen versuchen, ihr Bestes zugeben. Es gibt nur 20 freie Stellen im Movie Park und fast 40 Bewerberinnen und Bewerber, denn der Großteil der Monster hat sich schon in den vergangenen Jahren bewiesen und kommt wieder. 70 bis 80 Prozent der Stellen gehen jedes Jahr an dieselben Darstellenden wie im Vorjahr. Einige von den Erfahrenen helfen heute beim Casting. Sie zeigen, worauf es beim Schminken und Erschrecken ankommt.

Casting im Movie Park: Monster unter Zeitdruck

Wie Martin Kubek, der schon in seiner Rolle ist: Der aus dem OP auferstandene Patient mit offenem Brustkorb trägt blutgetränkte Krankenhausrobe. Er wankt durch den Raum, seine Augen fixieren gruselig starr Vorbeigehende. Plötzlich entspannen seine Gesichtszüge: „Erst kleben, dann schminken, dann Details ergänzen“, rät er den Neuen in nun freundlichem Ton. Seit sieben Jahren lebt der Physiotherapeut seine Leidenschaft im Movie Park aus. Nicht nur zu Halloween. Die Monster sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich das ganze Jahr über verabredet und unterstützt. 

In seiner Jugend war er als Gast jedes Jahr beim Horror-Fest im Movie Park, dann bewarb er sich auf eine Stelle. „Durch den Job konnte ich mich richtig entfalten.“ Deshalb komme er jedes Jahr wieder. Durch das Schauspiel sammle er Selbstbewusstsein. „Der Job verändert einen als Person.“

Darstellerin taucht beim Casting mit abgetrenntem Fuß im Koffer auf

Kerstin Merckens, zunächst im fröhlich-gelben T-Shirt angereist, ist mittlerweile kaum noch zu erkennen. Sie arbeitet in der Pflege und will im Freizeitpark einen Nebenjob finden. Nicht wegen des Geldes, sondern weil sie den Spaß sucht, den Gegensatz zur normalen Arbeit.

Sie schaut sich um. „Ich bin noch zu brav hierfür.“ Sie schnappt sich eine Zahnbürste und die Schale voller Kunstblut, die auf den Bierbänken bereitgestellt wurde. Eine Mitbewerberin hilft ihr, mit wilden Spritzern aus der Bürste, Blutflecken auf ihrem Kostüm zu verteilen. Fast fertig, Merckens prüft ihr Aussehen in einem Handspiegel. Es reicht ihr noch immer nicht.

Sie öffnet ihren Koffer. Ein abgetrennter Fuß fällt heraus. Auch das scheint hier niemanden zu überraschen. Den schiebt sie beiseite. Heute muss es das noch monströsere Accessoire sein: Sie wählt die Baby-Puppe aus. Ihre Rolle ist geboren.

Monster-Darsteller erschrecken im Movie Park die Besucher. Martin Kubek (rechts) spielt einen Horror-Patienten.

Monster-Darsteller erschrecken im Movie Park die Besucher. Martin Kubek (rechts) spielt einen Horror-Patienten.

Auch die Dompteurin hat ihre Arbeitsverletzungen erfolgreich angebracht. Als Letztes steckt sie sich das Gebiss mit den spitzen Zähnen in den Mund. Es sieht täuschend echt aus. Rahn stellt sich in die Reihe der fertig geschminkten Bewerberinnen und Bewerber. Sie laufen vom Eventcenter, heute die Umkleide, durch den Park. Metallketten klirren, Baseballschläger ratschen über den Asphalt. Im Sonnenuntergang zwischen den Hollywood-Studios des Parks wirken die Monster noch nicht allzu unheimlich, sie komplettieren die fiktiven Filmsets. 

Das ändert sich, als sie das dunkle Schlachthaus betreten. Rahn und Merckens suchen sich Ecken aus, in denen sie den Besucherinnen auflauern können. Ihre Rollen entwickeln sie selbst. Die Aufgabe: Ihre Position zum Leben erwecken.

Wie gruselt man Besucher richtig? Auf die Interaktion kommt es an

„Mitbringen muss man nur Bock, alles andere kann man lernen“, sagt Personaldirektor Rick Klönder. Er schaut den ganzen Abend lang, wer sich als Monster eignet. Die Interaktion mit dem restlichen Team ist ihm wichtig. Auf die komme es auch beim Gruseln der Besucherinnen und Besucher an.

Das zeigt Kerstin Merckens bei der Probe im Schlachthaus. Sie hat eine Zombie-Braut gefunden, besser hätte es nicht laufen können. Ein anderer Bewerber hatte sich zufällig diese Rolle überlegt. Sie suchen sich gemeinsam einen Raum. Jetzt haben sie Zeit, an ihrer Szene zu arbeiten. In der Kulisse mit Schlachttisch und Messern ist für Merckens der Fall klar: Sie wird sich mit ihrer Braut um das Baby streiten.

„Actet! Seid laut!“, schreit Kubek. Die Alt-Monster geben wieder Tipps. „Ihr habt eine Chance, bevor ihr die Gäste in die nächste Szene übergebt, nutzt sie!“

Beim Monster-Casting muss der Personaldirektor erschreckt werden

Die Dompteurin testet, wogegen sie in ihrem Umfeld peitschen kann. Wenn man gegen die Schließfachschränke aus Stahl haut, scheppert es ganz schön laut. Tut man das auch noch plötzlich, zucken sogar ein paar Monster zusammen. „Das ist schon lange ein Traum von mir, ich hoffe, es klappt“, sagt Rahn. Dann wird sie still, konzentriert sich auf die Performance.

Die ersten Testpersonen betreten das Haus: Personaldirektor Rick Klönder führt die Jury aus Park-Mitarbeitenden durch das Labyrinth. Die Dompteurin knallt ihre Peitsche gegen die Wand. Der Zombie-Bräutigam kreischt.

Rahn nutzt ihre Chance, übergibt den Gast so an den nächsten Raum, dass er mit einem Schaudern froh ist, aus ihrem Bann entlassen zu werden. Das hält nicht lange an. Im nächsten Raum legt Merckens ihre intensive Show zur Verhinderung der Schlachtung des Babys ab.

Eine halbe Stunde halten sie im heißen Horror-Haus die Stellung, dann dürfen sie die Rolle, Perücken, Stiefel und Mehl-Wunden ablegen. Ob sich die Tortur gelohnt ha?

Die beiden überzeugten Klönder: „Das Auftreten passt gut zu den Kostümen und sie haben geschickte Rollen gewählt“, verrät er im Anschluss, „Sie sind bei den Durchgängen vollkommen aus sich herausgekommen.“ Die Erzieherin und die Pflegerin haben die Prüfung zum Monster bestanden.

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