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Bessere Lebensbedingungen gefordertMenschen mit Behinderung in NRW: 20 Prozent schaffen keinen Schulabschluss

Lesezeit 3 Minuten
Ein Kind mit Behinderung sitzt in seinem Rollstuhl gemeinsam mit anderen Erstklässlern ohne Handicap in einem Klassenraum. Die SPD-Opposition sieht in Nordrhein-Westfalen große Defizite auf dem Weg zur gleichberechtigten gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

Ein Kind im Rollstuhl lernt gemeinsam mit Erstklässlern ohne Handicap. Die SPD-Opposition sieht in Nordrhein-Westfalen große Defizite auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

Deutschland will Inklusionsland Nummer Eins werden. In NRW ist man von diesem hohen Anspruch noch weit entfernt.

Im Jahr 2023 wurden etwa 1100 Menschen mit Behinderung Opfer einer Gewaltstraftat. Das geht aus der Antwort der schwarz-grünen Landesregierung auf eine Große Anfrage der SPD im Landtag hervor, die jetzt in Düsseldorf vorgestellt wurde. Danach geht die Gewalt in vier von fünf Fällen von Männern aus. Es sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Gewalttaten insbesondere gegen Frauen und Mädchen viel höher sei, sagte die Abgeordnete Silvia Gosewinkel: „Wir wollen, dass das Land eine spezialisierte Dunkelfeldanalyse über die Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen mit Behinderung durchführt.“

Die bisherigen Schutzmaßnahmen für beeinträchtigte Frauen und Mädchen im Land reichen nicht aus. Derzeit gebe es für sie lediglich einen „Flickenteppich an Angeboten“ in NRW, die Probleme sind vielfältig: Barrierefreie Beratungsangebote seien oft mit zusätzlichen Kosten verbunden, die über die Förderpauschalen des Landes nicht abgedeckt würden. Von den 70 landesgeförderten Frauenhäusern in NRW sind den Angaben zufolge nur ein Fünftel barrierefrei zugänglich. Deutschlandweit geben mehr als 20 Prozent der Frauen mit Behinderung an, in ihrer Kindheit und Jugend von sexualisierter Gewalt durch Erwachsene betroffen gewesen zu sein.

Deutliche Defizite bei Bildung und Arbeit

In NRW leben etwa 2,3 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung, davon sind 1,17 Millionen Frauen und 1,13 Millionen Männer. Die Antwort der Landesregierung ist mehr als 1600 Seiten lang und zeichnet ein umfassendes Bild von der Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen in NRW. Vor allem in den Bereichen Bildung und Arbeit wurden nach Auffassung der SPD deutliche Defizite sichtbar.

So werden trotz des Ziels, möglichst viele Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen inklusiv an Regelschulen unterzubringen, immer noch 55 Prozent an Förderschulen unterrichtet. Fast 20 Prozent haben im Schuljahr 2023/2024 die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Ganz besonders wenige erreichten das Abitur: „Nur etwas über ein Prozent der Schülerinnen und Schüler haben das geschafft“, sagte Gosewinkel. Die Betreuungslage an den Schulen ist genauso von Mangel geprägt wie die der Lehrkräfte allgemein. Von den 25.307 Fachkraftstellen für Sonderpädagogen waren nur 23.157 Stellen besetzt.

Silvia GOSEWINKEL, SPD-Fraktion 58. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen, ist im Landtag zu sehen.

„Wir wollen, dass das Land eine spezialisierte Dunkelfeldanalyse über die Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen mit Behinderung durchführt“, sagte SPD-Landtagsabgeordnete Silvia Gosewinkel am Freitag.

Die SPD forderte die schwarz-grüne Landesregierung auf, die Kinder in NRW früher auf ihre „Schultauglichkeit“ zu untersuchen. Bislang fänden die Schuleingangsuntersuchungen viel zu spät statt, um Förderbedarfe rechtzeitig festzustellen. Deshalb müsse schon in den Kitas bei Kindern im Alter von 4,5 Jahren regelmäßig überprüft werden, ob die Kinder bei Kognition, Sprachentwicklung, Körperkoordination, beim Verstehen und beim Umgang mit Zahlen den Entwicklungsstandards entsprächen.

Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung in NRW ist mit 13,8 Prozent doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote insgesamt. Das Ziel, Beschäftigten den Zugang auf den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wird nur selten erreicht. So haben 2022 gerade mal 270 Menschen den Weg aus einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in eine Festanstellung in der freien Wirtschaft geschafft.

74 Prozent der Werkstattbeschäftigten, die den Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, sind den Angaben zufolge männlich. „Wir werden nachhaken, warum dies so ist und was die Landesregierung plant, um mehr Frauen den Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Anja Butschkau. Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen sei „nach wie vor keine Selbstverständlichkeit“. Die Landesregierung sei verpflichtet, die Inklusion der Betroffenen voranzutreiben. Dieser Verpflichtung komme sie „nur unzureichend nach“.