Was passiert, wenn Islamisten aus der Haft entlassen werden? Und wie sehen die gesetzlichen Regeln aus?
Dschihadisten nach der Haft44 Islamisten zum Ausstieg bewegt

An Aussteigerprogrammen für Islamisten haben in NRW seit 2014 etwa 250 Menschen teilgenommen.
Copyright: Uwe Weiser
Die Überwachung freigelassener Islamisten stellt auch die Politik vor große Herausforderungen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) erkennt zwar derzeit keine „gesetzlichen Regelungslücken“, die geschlossen werden müssten, um den Schutz vor dieser Personengruppe zu erhöhen. „Verbesserungsmöglichkeiten im Umgang mit der in Rede stehenden Klientel“, so das Ministerium, würden jedoch „mit allen beteiligten Behörden fortlaufend eruiert“.
Das nordrhein-westfälische Innenministerium sieht da schon eher Handlungsbedarf. „Die Früherkennung von Netzwerken und Personen im islamistischen Terrorismus ist unser Vorteil im Kampf gegen diese Gefahr“, betont Ressortchef Herbert Reul (CDU). „Was hilft die beste technische Ausstattung oder genug Personal, wenn wir nur sehr schwer an notwendige Informationen herankommen?“ Der Bund müsse deshalb „endlich die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, damit unsere Sicherheitsbehörden im Netz noch besser in der Lage sind, selbst Informationen zu beschaffen, anstatt von ausländischen Nachrichtendiensten abhängig zu sein“, bemängelt der Minister.
Minister Reul sieht die Datenspeicherung als unverzichtbar an
Mit dieser Aussage bezieht sich der CDU-Politiker insbesondere auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vorratsdaten-Speicherung. Die Richter in Luxemburg hatten im September 2022 zwar die deutsche Regelung zur anlasslosen Datenerfassung gekippt. Allerdings erlaubte der EuGH in Ausnahmefällen und unter bestimmten strengen Voraussetzungen sowie unter „strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ eine begrenzte Datenspeicherung. Wenn etwa die nationale Sicherheit ernsthaft bedroht sei, dürfe Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste vorgegeben werden, Verkehrs- und Standortdaten von Bürgerinnen und Bürgern „allgemein und unterschiedslos auf Vorrat“ zu erfassen.
Alles zum Thema Herbert Reul
- Bundestagswahl in Oberberg Reul: „Die Wähler haben es selbst in der Hand“
- Weil in NRW Personal fehlt Polizei schiebt Dienste im Abschiebegefängnis in Büren
- „Freude an Karneval“ Innenminister Reul will trotz Anschlagsgefahr im Kölner Rosenmontagszug feiern
- NRW-Verfassungsschutz warnt Russland könnte Bundestagswahl mit Fake-Videos beeinflussen
- Eskalation droht Angst vor neuem Rockerkrieg in NRW – Reul kündigt Konsequenzen an
- Innenminister äußert sich Asylbewerber nach Attacke auf Frau in Sankt Augustin in Psychiatrie
- Terroranschlag in Solingen Warum hält Schwarz-Grün Unterlagen zurück?
Für einen effektiven Kampf gegen den Terrorismus hält Innenminister Reul die Datenspeicherung für unverzichtbar. Vor dem Hintergrund sagt er wohl vor allem in die Richtung des Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP). „Der Europäischen Gerichtshofs ist in seiner Entscheidung klar, jetzt braucht es auch ein klares Gesetz auf Bundesebene – zeitnah“, betont Reul. Wohlwissend, dass die Liberalen seit Jahrzehnten erklärte Gegner der Vorratsdatenspeicherung sind.
Zusätzlich bietet die Landesregierung zur Deradikalisierung islamistischer Häftlinge Beratungsangebote und Aussteigerprogramme an. Dem Vernehmen nach, haben sich die Behörden in dem seit 2014 bestehenden Aussteigerprogramm mit 250 Personen aus der islamistischen Szene befasst, von denen derzeit 40 Betroffene betreut werden. Weitere 22 ehemalige Extremisten wurden an andere Hilfsorganisationen vermittelt. Insgesamt sei in den vergangenen Jahren in 44 Fällen ein positives Ergebnis erzielt worden.
„Die Bemühungen im Hinblick auf Prävention und Deradikalisierung“ seien in NRW zuletzt noch einmal deutlich intensiviert worden, heißt es aus dem Justizministerium. So wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet sowie ein Deradikalisierungsfachbereich im Justizvollzug geschaffen. Zudem kümmern sich Extremismus-Beauftragte in den Haftanstalten des Landes um das Problem.