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Digitale DiskriminierungKein Arzttermin, kein Fahrplan: Senioren ohne Smartphone sind beim Service aufgeschmissen

Lesezeit 2 Minuten
Eine Seniorin sitzt an ihrem Laptop.

Ein Drittel aller Über-70-Jährigen in NRW beschäftigt sich gar nicht mit dem Internet.

Ein Drittel aller Über-70-Jährigen in NRW nutzt kein Internet. Das bedeutet häufig, dass sie von Informationen und Services abgeschnitten werden. Ein Verbraucherverein will das ändern.

Der Plan der 86-Jährigen: Wieder öfter gemeinsam mit dem 85-jährigen, dementen Partner zu Ausflügen aufzubrechen. Etwas unternehmen, rauskommen, die Region erkunden. Also besuchte sie die Verkaufsstelle der Rheinbahn und bat um einen Fahrplan zur Vorbereitung. Ihr Wunsch nach einem Faltblatt konnte allerdings dort nicht erfüllt werden. Abfahrtszeiten seien nur digital abrufbar, man könne sich alles herunterladen. Die 86-Jährige kehrte frustriert nach Hause zurück. Herunterladen? Sie weiß gar nicht, was das ist. Ein Smartphone besitzt sie auch nicht.

Geschichten wie diese, die Erwin Knebel von „Wir Verbraucher in NRW“ vor Journalistinnen und Journalisten in Düsseldorf erzählt, zeugen von Ausgrenzung und Diskriminierung. Arzttermine, Ticketkauf für Freizeitangebote, Nutzung von öffentlichem Nahverkehr, Angebote der Bürgerämter – die Lebensbereiche, die ohne Computer oder Smartphone nicht oder nur noch eingeschränkt nutzbar sind, werden zahlreicher.

Eine Million Menschen in NRW nutzen das Internet gar nicht

Das Problem: Studien zufolge waren 17 Prozent aller 65- bis 84-Jährigen in Deutschland noch nie in ihrem Leben im Internet. Mehr als ein Drittel aller Über-70-Jährigen sind mit der digitalen Welt so gut wie gar nicht vertraut. In NRW entspricht das laut Knebel einer Personengruppe von fast einer Million Menschen. „Wenn diese Personen von Informationen und Teilhabe abgeschnitten werden, dann widerspricht das dem Gesetz, Menschenrechte sind tangiert“, klagt Elke Schilling vom Seniorentelefon Silbernetz e.V.

Knebel von „Wir Verbraucher in NRW“ fordert, die Diskriminierung von zwei Seiten zu beenden. Einerseits müssten Land und Kommunen es den Seniorinnen und Senioren ermöglichen, passgenaue Technik- und Digitalisierungskurse zu besuchen. „Das ist lebenswichtiger Bestandteil kommunaler Daseinsvorsorge“, sagt Knebel. Andererseits müssten diejenigen, die nicht mehr in der Lage oder nicht mehr Willens seien, sich in die digitale Welt zu begeben, analoge Hilfestellungen bekommen. Sein Verein hat Digitalpatenschaften aufgelegt. Ehrenamtliche weihen Senioren hier in die Geheimnisse des Internets ein. Wichtig dabei: Es geschieht in Eins zu Eins-Betreuung und mehrmals in der Woche für kurze Zeiteinheiten. „Ein VHS-Kurs mit mindestens sechs Teilnehmern einmal die Woche ist da nicht das richtige Konzept“, sagt Knebel.

Von Kommunen und Land wünscht sich Knebel dafür digitale Trainingszentren, die Struktur für derlei ehrenamtliche Angebote bieten. In Hilden üben die späten Anfänger in der Stadtbibliothek. Aber auch Wirtschaftsunternehmen könnten helfen. Als Vorbild taugen laut Knebel die Hamburger Sparkassen. „Kunden können dort in allen Filialen das Online-Banking trainieren. Es gibt sogar geschlossene Filialen, deren Räumlichkeiten nun für Schulungszwecke genutzt werden.“