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Zusammenlegung von Gemeinden in NRWViele Kirchen werden aufgegeben – in Köln zeigt sich, wie daraus auch Gutes entsteht

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Ansichten der neuen evangelischen Erlöserkirche in Köln Weidenpesch. Pfarrer Markus Zimmermann ist vor dem gläsernen Altar in einem lichten Raum zu sehen.

Asthetische Kirchenbauten können das Gemeindeleben erfrischen, sagt Pfarrer Markus Zimmermann.

Kirchen verlieren Mitglieder und müssen viele Gebäude aufgeben. Ein Beispiel aus Köln zeigt, wie sich eine Gemeinde mit einem modernen Ansatz wiederbelebt.

Verstaubt, dunkel und veraltet – mit diesen Attributen verbinden viele Menschen heutzutage die Institution Kirche. Egal ob evangelisch oder katholisch. Auch immer neue Erkenntnisse zu Missbrauchsfällen fördern die Abwendung. Seit Jahrzehnten schrumpfen die Mitgliederzahlen, gerade junge Menschen treten aus. Mit Kirche haben sie nur noch wenig am Hut.

Magdalena Twarowska-Janus, Referentin für die Umnutzung kirchlicher Immobilien im Bistum Essen, sagt, dass bereits in den 1960er und 1970er Jahren abzusehen war, dass die Mitgliederzahlen stetig weniger werden würden. Trotzdem entstanden im Ruhrgebiet in dieser Zeit viele neue Kirchen, oft mit äußerst geringem Abstand zueinander. „Bei einigen hätten sich die Kirchtürme getroffen, wenn sie umgefallen wären“, sagt Twarowska-Janus. Diese „Pantoffelkirchen“ sollten es den Gemeindemitgliedern einfach machen, den Gottesdienst zu besuchen. Ein kurzer Weg vom Bett in die Kirche, der auch in Hausschuhen hätte zurückgelegt werden könne.

Immer mehr Kirchen werden aufgegeben

Das ist lange passé. Seit Anfang der 2000er geht die Entwicklung in die andere Richtung: Gemeinden fusionieren, die Wege werden länger, Kirchen werden profaniert und umgenutzt. Eine profanierte Kirche ist nicht mehr heilig. Sie darf für weltliche Dinge genutzt werden. Das Bistum Essen rechnet damit, bis 2030 von seinen verbliebenen 270 Kirchen nur noch 90 Kirchen dauerhaft erhalten zu können.

In anderen Bistümern und ist die Lage ähnlich. Das Erzbistum Köln hat noch 920 Kirchen, seit 2000 wurden rund 30 Kirchen aufgegeben.

Die ehemaligen Gotteshäuser landen auf einer Art Immobilienmarkt für ehemalige Sakralbauten. „Eine Zeit lang lief der sehr gut“, sagt Twarowska-Janus. In den besonderen Gebäuden beispielsweise Büros einzurichten, habe für viele Investoren einen gewissen Reiz gehabt. Ungeachtet dieser Attraktivität sei durch die Krisen der vergangenen Jahre das Budget für große Immobilien aber geschrumpft.

Evangelische Gemeinde aus Köln hat ganz anderen Ansatz gefunden

An den ehemaligen geweihten Orten Kirchen entstanden die unterschiedlichsten Projekte, einige führen die Gemeindearbeit fort, werden zu Begegnungsstätten, Jugendtreffs oder Senioreneinrichtungen. Wie die evangelische Christuskirche in Rösrath. Bei anderen erinnern nur noch Fassade und Deckenhöhe an die ursprüngliche Bestimmung. In der Kletterkirche in Mönchengladbach geht es seit der Umnutzung sportlich hoch hinaus: Bis unter das Dach reichen die Kletterwände.

Einen ganz anderen Ansatz haben die evangelischen Gemeinden Mauenheim und Weidenpesch. Damit gelten sie als eine Art Erfolgsgeschichte. Sie wurden zusammengelegt, beide hatten marode und nicht barrierefreie Kirchen, die immer wieder repariert werden mussten. „Das hat eine Menge Geld gekostet. Irgendwann haben wir uns gefragt, ob es nicht auch anders geht“, sagt Zimmermann.

Pfarrer Markus Zimmermann: „Der ganze Staub musste raus“

Die Gemeinde gab die Philipp-Nicolai-Kirche in Mauenheim auf. Auf dem Grundstück der Erlöserkirche in Weidenpesch sollte ein neues Gebäude entstehen, barrierefrei und mit mehr Platz für die Kita, kompakt und offen. Der Prozess begann vor 15 Jahren; 2022 eröffnete die Gemeinde endlich ihre neue Kirche.

Ein Gebäude, das alles andere als rückständig wirkt. „Der ganze Staub musste raus“, sagt Zimmermann. In der neuen Erlöserkirche erinnert nichts mehr an die dunkle, einengende Bauweise der Nachkriegskirchen. Hell und einladend steht sie auf der Derfflingerstraße. Die Eingangstüre öffnet automatisch, ein kurzer Flur führt in einen offenen und hellen Kirchraum, der in einen Aufenthaltsraum übergeht.

Modernes Konzept für neue Kirche

Altar und Kanzel sind aus Glas, Stühle aus hellem Holz stehen in ungewöhnlicher Anordnung um beide herum. Sie sind im ganzen Raum verteilt, sodass Gläubige während des Gottesdienstes dem Pfarrer nicht nur gegenüber, sondern beinahe neben ihm sitzen können. Das Kreuz hängt nicht etwa an der Wand, ein Teil ist darin eingelassen, ein anderer ragt aus ihr heraus.

Die Erlöserkirche in Weidenpesch in Fassadenansicht: Heller Stein, kubisch verbaut und viele schmale Fenster sind zu sehen. Davor stehen Menschen im Gespräch.

In der neuen Erlöserkirche erinnert nichts mehr an die dunkle, einengende Bauweise der Nachkriegskirche.

Schnell fällt der Blick auf das große, bunte Fenster gegenüber des Eingangs. Hier hat eine Künstlerin Teile der alten Kirchfenster mit neuen Elementen wie einen DNA-Strang aus Glas verbunden. „Sie wollte zeigen, dass die Kirche zum Weltlichen, also auch zur Forschung gehört“, sagt Zimmermann.

Erinnerungen an alte Kirche

Bei der Gestaltung des neuen Kirchenraums sei es der Gemeinde wichtig gewesen, Erinnerungen an die alten Kirchen zu schaffen. Daher sind Teile des alten Kreuzes als Deko-Elemente unter anderem im Altar zu finden. Die Garderobe ist auf der Vorderseite mit weiteren Teilen der alten Kirchfenster dekoriert. Die Orgel hat es komplett in den Neubau geschafft. Sie hat einen Anstrich bekommen.

Die Kita mit großem Außengelände für drei Gruppen grenzt direkt an den Kirchenraum. In den oberen Etagen des Gebäudes befinden sich single- und familiengerechte Wohnungen. „Wir wollten alles kompakt unter einem Dach - und sichtbar sein im Stadtteil“, sagt der Pfarrer. „Das hat erstaunlich gut funktioniert.“

Gemeinde ist ein Ausnahmefall

Seit dem Neubau nimmt Zimmermann nach eigener Aussage eine Wiederbelebung der Gemeinde wahr. Die Schülerinnen und Schüler der nahen Realschule seien beispielsweise so begeistert von der Gestaltung des Gebäudes gewesen, dass sie jetzt regelmäßig zum Schulgottesdienst kämen, sagt er.

Zimmermann betont aber auch, dass es ein Ausnahmefall sei, dass eine Gemeinde neu baut. „Wir sind nicht der Maßstab, aber wir freuen uns, dass wir es geschafft haben.“ Deswegen sei die Erlöserkirche ein Vorbild, für viele Gemeinden, die ebenfalls ein moderneres Konzept für ihre Mitglieder erarbeiten wollen.

Bei all dem Erfolg, den der Neubau einfährt, seien die alten Gebäude dennoch ein Verlust für viele Menschen gewesen. Dort haben sich wichtige Ereignisse abgespielt: Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen. Die Menschen identifizieren sich mit ihren Kirchen. „Wir haben den Abschied intensiv gefeiert“, sagt Zimmermann.

Die Gemeinde habe einen fröhlichen Tag veranstaltet und einen Entwidmungsgottesdienst, bei dem Platz für Tränen war. Der Altar wurde abgebaut, das Kreuz herausgetragen. Zimmermann resümiert mit Blick auf diese Zeit: „Es war wirklich wichtig, dass wir den gesamten Prozess mit der Gemeinde zusammen bestritten haben.“