Die grüne Innen-Expertin Julia Höller hat keine Berührungsängste mit dem Thema Verteidigung. Die Teilnahme an einer Wehrübung lässt sich wohl als Statement gegen Partei-Klischees verstehen.
Orientierungsmarsch statt SitzungssaalGrünen-Politikerin aus NRW will wissen, wie es sich anfühlt, Soldatin zu sein
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Grüne Landtagsabgeordnete Julia Höller (links) bei ihrer Wehrübung.
Copyright: Bundeswehr/Andrea Rippstein
Sie trägt den Gefechtsanzug der Bundeswehr, im Gesicht Tarnfarbe. Gerade ist die Soldatin, zwei Sterne auf den Schulterklappen, mit ihren Kameraden durch das Gelände gerannt. Der Trupp hat die Bergung von Verletzten trainiert. Julia Höller ist aber nicht Berufsoffizierin, sondern Vize-Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag.
Die Politikerin aus Bonn hat bei einer Wehrübung der Bundeswehr für zivile Führungskräfte in Hammelburg teilgenommen. Eine Art Schnupperkurs, bei denen die Teilnehmer eindrücklich erfahren, was es bedeutet, Soldat in einer Kampfeinheit zu sein. „Eine Woche hieß es: Kameraden statt Freunde, Fahnenappell statt Kinder wecken, Orientierungsmarsch statt Sitzungssaal“, fasst Höller die Zeit im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ knapp zusammen. „Ich wollte mir selbst einen Eindruck machen. Ich möchte wissen, worüber ich rede, nicht nur an der Oberfläche kratzen.“
Höller ist die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Damit gehört sie zu den wichtigsten Ansprechpartnern von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in der schwarz-grünen Koalition. Mitübende CDU-Abgeordnete waren überrascht, in der Kaserne auf ihre Kollegin zu treffen. Die Innen-Expertin erfüllt so gar nicht das Partei-Klischee, dass sich bei denen jeder eine Friedestaube ans Auto klebt. „Wir brauchen eine gut ausgerüstete Bundeswehr, die fest auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht“, sagt sie.
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Julia Höller bei der Wehrübung der Bundeswehr
Copyright: Bundeswehr/Andrea Rippstein
Bei den Grünen scheiden sich an der Haltung zur Bundeswehr immer noch die Geister. Früher gehörte der Pazifismus zur DNA der Ökopartei, manche halten die Unterstützung der Ukraine für einen Verrat an den Idealen. Höller hält dagegen: „Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die gesamte Ukraine zum dritten Mal“, so die Abgeordnete. „Ich wünschte mir sehr, wir müssten über all diese Fragen nicht sprechen, nicht über einen Krieg in Europa und nicht über Kriegstüchtigkeit. Aber Wegschauen und andere machen lassen, das ist nicht meine Art Politik zu machen.“
Höller, die mit dem grünen Wirtschaftsstaatssekretär Paul Lang verheiratet ist, gehört dem Landtag seit 2022 an. Zuvor war sie Mitglied im Landesvorstand und verdiente als Referentin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ihr Geld. „Ich hatte schon in meinem früheren Beruf immer wieder Berührungspunkte mit der Bundeswehr“, sagt die promovierte Geografin. Aus der Arbeit in Krisenstäben kenne sie beispielsweise die „Zivil-Militärische Zusammenarbeit“. Nun haben sie wissen wollen, was die neue sicherheitspolitische Lage für die Bundeswehr konkret bedeutet.
Kritiker monieren „Werbung für die Bundeswehr“
Die Erfahrungen bei der Wehrübung waren ambivalent. „Der nicht-hinterfragende Gleichschritt ist mir schwergefallen, das ist nicht meins“, berichtet Höller. Klettertraining, die Simulation der Verletzenversorgung seien körperlich anstrengend gewesen. „Das Schießtraining mit der G36 gehörte zum Programm dazu. Ich war da eher skeptisch. Ich hatte vorher noch nie mit einer scharfen Waffe geschossen“, sagt Höller.
In der Grünen-Fraktion löste Höllers Teilnahme an der Übung unterschiedliche Kommentare aus. Kritiker haben kein Verständnis für „diese Werbung für die Bundeswehr“. Höller erklärt, ihr gehe es darum, Brücken zu bauen. Wenn sie „für gegenseitiges Interesse und Verständnis“ werben könne, dann sei „schon etwas erreicht“. Ein Detail lässt allerdings auch die Skeptiker bei den Grünen schmunzeln. Höller war beim Schießen treffsicherer als die CDU-Kollegen.