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Grundsteuer-ChaosIn vielen Kommunen wird Wohnen im nächsten Jahr deutlich teurer

Lesezeit 3 Minuten
Ein Grundsteuerbescheid für 2024 wird vor einem Privatgrundstück hochgehalten.

Je nach Kommune könnten die Grundsteuer-Kosten voneinander abweichen. Viele Bürgermeister erwarten Gegenwind der Bürger.

Das Land hat versprochen, dass die Grundsteuerreform die Bürger nicht weiter belasten sollte. Aber daraus wird nichts. Die Kommunen drehen an der Abgabenschraube.

Bei den Finanzbehörden in NRW sind derzeit mehr als 1,5 Millionen Einsprüche gegen Grundsteuerbescheide eingegangen. Das geht aus der Antwort von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf eine Kleine Anfrage der FDP im Düsseldorfer Landtag hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Danach fehlen mehr als anderthalb Jahre nach der Abgabefrist immer noch 384.000 Steuererklärungen, die nie bei den Finanzämtern eingegangen sind. In diesen Fällen müssen die Finanzämter Schätzungsbescheide erlassen.

Den Angaben zu Folge trudelten bis August 90 Klagen gegen Steuerbescheide ein. Viele können als Musterverfahren Signalwirkungen für weitere Einsprüche haben und zu erheblichen Änderungen bei der Steuerfestsetzung führen. Gegenstand ist vielfach der 25-prozentige Steuerrabatt für Wohnbaugenossenschaften. Laut Finanzministerium wurde die Vergünstigung bereits für 32.000 Liegenschaften in NRW ausgesprochen.

Hunderte von Anrufen pro Tag

Auch im zweiten Halbjahr gingen bei der Grundsteuerhotline der Finanzverwaltung fast an jedem Werktag hunderte von Anrufen ein. Nur jeder zweite Steuerbescheid lässt sich automatisiert verarbeiten, da die Hälfte aufgrund von Unplausibilitäten bei der Eingabe eine persönliche Bearbeitung erfordern. „Chaos und Protest bei der Grundsteuerreform erreichen immer neue Negativrekorde“, sagte Ralf Witzel, Finanzexperte der FDP-Fraktion, im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Finanzminister bekomme die „Akzeptanzprobleme“ nicht in den Griff.

Wohnen dürfte 2025 für viele Familien teurer werden.

Wohnen dürfte 2025 für viele Familien teurer werden.

Die Liberalen gehen davon aus, dass der Unmut in der Bevölkerung noch weiterwächst, wenn in Nachbarkommunen bald völlig unterschiedliche Hebesätze erhoben werden. Witzel rechnet mit einer „Kostenexplosion beim Wohnen“. Die Kommunen müssten angesichts der Klagewelle mit der Rechtsunsicherheit leben, ihre oft wichtigste Einnahmequelle durch die Gerichtsverfahren zu verlieren.

„Scholz-Modell“ führte zum Nachteil zahlreicher Hausbesitzer

Das NRW-Finanzministerium hatte den Städten und Gemeinden vor der Sommerpause aufkommensneutrale Hebesetze vor Wohn- und Gewerbeflächen mitgeteilt. Optendrenk räumte jetzt ein, dass die Angaben aufgrund von neuen Berechnungen aktualisiert werden müssen. Die Einführung getrennter Hebesätze sollte höhere Belastungen für das Wohnen abmildern. Denn das wertbasierte „Scholz-Modell“, das NRW bei der Erhebung der Grundsteuer zur Anwendung gebracht hatte, hatte zu einer Lastenverschiebung zum Nachteil zahlreicher Immobilienbesitzer geführt.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt NRW) in NRW befürchtet, dass viele Kommunen der Empfehlung Optendrenks, die Hebesätze zu splitten, nicht nachkommen. Der Verein hatte im Sommer eine „Steuerwehr-Tour“ durch 28 Städte und Gemeinden durchführt und dabei mit Bürgermeistern und Kämmerern über die Haushaltslage diskutiert. „Viele fürchten das Klagerisiko und wollen bei einem einheitlichen Satz bleiben“, sagte Rik Steinheuer, Vorsitzender des BdSt NRW, vor Journalisten in Düsseldorf. Fast jede zweite Kommune hat in diesem Jahr die Grundsteuer B erhöht. Die größte prozentuale Steuererhöhung ist in Eschweiler mit einem Plus von 72 Prozent festzustellen.

Der FDP-Politiker Ralf Witzel.

Der FDP-Politiker Ralf Witzel rechnet mit einer „Kostenexplosion “beim Wohnen.

Grundsteuer und Gewerbesteuer sind die einzigen ertragreichen Steuern, die Kommunen selbst senken oder erhöhen können. Deshalb werden sie häufig dazu genutzt, um notwendige Einnahmen zu generieren. Derzeit Negativ-Spitzenreiter sind Niederkassel, Rheinberg und Hamminkeln, sowie Enger, Alfter, Gronau und Odenthal. Als Gründe für die Steuererhöhungen halten oft der hohe Lohnabschluss im öffentlichen Dienst und steigende Soziallasten sowie der Unterhaltungsstau bei der kommunalen Infrastruktur her.

Im Bergischen Odenthal wurden dem Steuerzahlerbund Steuermindereinahmen von 1,2 Millionen Euro als Grund dafür genannt, dass die Grundsteuer B um 110 Prozentpunkte auf 790 Punkte erhöht wird. In Brühl haben sich die Aufwendungen für Soziales, Personal und Zinsen innerhalb von zwei Jahren fast verdreifacht. Das spüren die Bürger im Portemonnaie. Die Grundsteuer ist in diesem Jahr um 200 Prozentpunkte gestiegen und liegt jetzt bei 800 Punkten. Bürgermeister Dieter Freytag (SPD) sagte: „Wir erwarten viel Gegenwind, wenn Anfang 2025 die Grundsteuerbescheide bei den Bürgern ankommen."