Eine interne Umfrage legt eine massive Unzufriedenheit der nordrhein-westfälischen Staatsanwälte mit der Computerinfrastruktur offen.
IT-ProblemeHäufige Systemabstürze behindern die Arbeit der NRW-Justiz
Die Staatsanwälte des Landes beklagen laut einer internen Umfrage schlechte digitale Arbeitsmittel. Der Großteil der 750 befragten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in NRW hat der IT-Infrastruktur nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Mangelhaft oder ein Ungenügend bescheinigt. Der Hauptstaatsanwaltsrat hatte aufgrund zahlreicher Pannen eine landesweite Umfrage bei den Anklagebehörden durchgeführt. Im August sorgte beispielsweise ein Stromausfall im Rechenzentrum in Münster für einen Stillstand der Rechtspflege.
Mehr als die Hälfte der 1355 Staatsanwälte im Land hatte sich demnach beteiligt. Sie bemängeln zu 66 Prozent, dass der Zugang zum zentralen Rechenzentrum täglich oder sogar stündlich gestört sei. Besonders schlecht läuft es demzufolge mit Outlook. Mehr als 80 Prozent der Kollegen „sehen ihre Arbeit erheblich oder sogar sehr umfassend negativ beeinflusst“, heißt es mit Bezug auf die Software im Newsletter des Hauptstaatsanwaltsrates, der dieser Zeitung vorliegt. Seit drei Wochen, so wird berichtet, stürze das E-Mail-Programm bei den Anklägern wiederholt ab. Auch auf Ermittlungsvorgänge in anderen Microsoft-Anwendungen habe man oft nur eingeschränkt oder gar keinen Zugriff.
Kölner Generalstaatsanwaltschaft meldet viele Ausfälle in der IT
Komplette Online-Ausfälle werden ebenfalls häufig beklagt: Allein der Bezirk der Kölner Generalstaatsanwaltschaft meldet eine tägliche Ausfallquote von fast 56 Prozent. Dabei ist der zentrale IT-Dienstleister für die Justiz des Landes (ITD) beim Kölner Oberlandesgericht angesiedelt.
Die Hauptursache liegt an der digitalen Umstellung der Betriebsabläufe, seit einiger Zeit läuft der Workflow in der NRW-Justiz komplett virtuell über die Plattform „Citrix“. Eigentlich soll die Software die Arbeit von Richtern, Staatsanwälten und Justizmitarbeitern erleichtern und alle über eine zentrale Ebene zu Fallakten, Strafregisterauszügen, strafprozessualen Verfügungen bis hin zu Ermittlungsaufträgen an die Polizei führen. Fällt dieses Werkzeug aus, wie auch an diesem Montagvormittag mehrfach geschehen, wie eine Strafverfolgerin aus einer rheinischen Behörde berichtet, „fällt beinahe alles aus“.
Hauptstaatsanwaltsrat drängt Justizminister Limbach, das IT-Problem zur Chefsache zu machen
„Das ist ein Dauerzustand, das ganze IT-System der Justiz ist zu unstet“, schimpft ein Strafverfolger im Kölner Justizzentrum. Seit Wochen erhalte er Entschuldigungsmails der ITD. Tenor: Man analysiere weiterhin die Outlook-Probleme, um diese zu beheben. „Diese Mails sind an Hilflosigkeit nicht zu überbieten“, zürnt der Staatsanwalt.
Laut Gerd Hamme, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes NRW, bestehen die IT-Störungen „gleichermaßen bei den Gerichten im Lande“. Hamme sieht die „Funktionsfähigkeit der dritten Staatsgewalt gefährdet“.
Der Hauptstaatsanwaltsrat hat nun im Vierteljahresgespräch Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) gedrängt, das IT-Problem zur Chefsache zu machen. Wenn sich nicht bald substantiell etwas verbessere, heißt es, „wird die Digitalisierung der Justiz weit über die Einführung der elektronischen Akte im Jahr 2026 hinaus scheitern“.
Ministerium reagiert – Stabilisierung für 30.000 Nutzer angepeilt
Auf Anfrage berichtete ein Ministeriumssprecher, mit dem Hauptstaatsanwaltsrat sei man bereits im Gespräch. „Die aktuelle Einschränkung bei der Verfügbarkeit von Systemen wird von den Kolleginnen und Kollegen zu Recht als unbefriedigend empfunden.“ Die ITD und die beteiligten Fachunternehmen arbeiten den Angaben zufolge „an einer Lösung für die Stabilität der relevanten Softwareanwendungen. Diese sind in eine vielschichtige und hochkomplexe IT-Infrastruktur für über 30.000 Nutzerinnen und Nutzer eingebunden.“
Der ITD und die von ihm beauftragten IT-Fachunternehmen führen laut dem Ministerium „gegenwärtig die zur Behebung der Störungsursachen erforderlichen Analysen durch. Nach einer Erweiterung der Server-Infrastruktur wird zeitnah mit einer Verbesserung der Situation bei der Software Outlook gerechnet“.