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Schleuseraffäre
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt ehemalige Kirche in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Die ehemalige ie Auferstehungskirche Ecke Jülicher Straße und Moltkestraße.

Die ehemalige Auferstehungskirche Ecke Jülicher Straße und Moltkestraße.

Das Gebäude gehört mehrheitlich reichen chinesischen Migranten, die sich mit Hilfe der Immobilie den Aufenthalt in Deutschland erschlichen haben sollen.

Zuerst ein Bordell und dann auch noch eine ehemalige Kirche: Im Zusammenhang mit den Ermittlungen in der Luxusschleuseraffäre ist Anfang September neben dem Großbordell „Pascha“ auch das Grundstück der früheren Auferstehungskirche beschlagnahmt worden. Oberstaatsanwalt Daniel Vollmert, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten NRW (ZeOS NRW), bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass seine Behörde beim Amtsgericht einen entsprechenden Beschluss erwirkt hat.

Hinter dem Justizakt um die Ex-Kirche am Rande der Kölner Innenstadt verbirgt sich ein bemerkenswerter Krimi. Dabei geht es um den Verdacht der gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusung meist vermögender chinesischer Migranten, Geldwäsche sowie dubiose Spenden an die SPD in Solingen. So steht es in Ermittlungsakten, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte.

Wer in den Fall verwickelt ist

Drei Hauptakteure sollen laut Staatsanwaltschaft in dem Fall eine tragende Rolle spielen: Der Kölner Anwalt Claus Brockhaus als mutmaßlicher Schleuserboss sowie zwei Immobilienunternehmer aus Solingen, die maßgeblich in die Machenschaften der Schleuser verwickelt sein sollen. Dies legen Aussagen von Beschuldigten sowie illegal eingereister Migranten nahe. Dem Vernehmen nach sollen zahlreiche abgehörte Telefonate den Tatverdacht erhärten.

Bei einer großangelegten Razzia vor sechs Monaten wurde einer der Unternehmer vorübergehend verhaftet. Der Haftbefehl wurde dann aber außer Vollzug gesetzt. Auf Anfrage wollte sich sein Medienanwalt zur Verdachtslage der Staatsanwaltschaft zunächst nicht äußern. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Wie das Geschäftsmodell der Schleuser lief und wohin das Geld floss

Seit 2015, so die Strafverfolger, sollen die Solinger Unternehmer mit dem Anwalt Brockhaus unter anderem ausländische Investoren aus China, dem Oman und der Türkei mit ihren Familien illegal nach Deutschland eingeschleust haben. Dabei sollen die Beschuldigten folgendes Geschäftsmodell entwickelt haben: 180.000 Euro wurden als Honorar auf Konten der Anwaltskanzleien von Brockhaus und einem mitbeschuldigten Kollegen überwiesen. Erhebliche Zahlungen eingeschleuster Personen seien auch über Firmen-Konten der Solinger Unternehmer geflossen, so die Ermittler.

Zudem gründete die mutmaßliche Bande Offene Handelsgesellschaften (OHG), auf die die vermögenden Migranten nochmals sechsstellige Summen einzahlten. Damit soll die für den Aufenthalt in Deutschland notwendige Geschäftstätigkeit vorgetäuscht worden sein. Mit dem Geld sollen die führenden Köpfe der Schleuserbande den Ermittlungen zufolge zunächst Immobilienprojekte in Millionenhöhe finanziert haben. Sei es im Rhein-Erft-Kreis, Düren, Kerpen, Solingen oder Köln – das Modell sei immer dasselbe gewesen, bekannte Brockhaus in einer seiner Vernehmungen.

Ein Projekt: die Kölner „Auferstehungskirche“

Zwölf Kunden aus dem nahen und fernen Osten zahlten beispielsweise in die Solinger OHG ein, in der es um die Kölner „Auferstehungskirche“ ging. Im Schnitt jeweils knapp 290.000 Euro wurden laut Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts überwiesen. Das Businessvorhaben der Gesellschaft sah vor, lukrative Bauvorhaben zu entwickeln. Deshalb wurde das ehemalige Gotteshaus im Laufe der Jahre zu einem Mietkomplex mit Büros umgebaut und saniert. Das Gebäude hatten die Solinger Unternehmer zuvor schon für knapp sechs Millionen Euro gekauft – knapp 4,5 Millionen durch Kredite und etwa zwei Millionen mit Eigenmitteln.

Den Ermittlungen zufolge wollte die Schleuserbande mit dem Projekt eine selbstständige Tätigkeit der ausländischen Investoren vorspiegeln, um das Bleiberecht für ihre Kunden zu erschleichen. Tatsächlich aber hatten die Migranten aus China oder Arabien in der Gesellschaft, der die Kirche übertragen wurde, nichts zu sagen. Auch ist keine geschäftliche Tätigkeit aktenkundig, die aus Sicht der Ermittler notwendig gewesen wäre, um ein Bleiberecht zu erlangen.

Laut Staatsanwaltschaft steuerte einer der hiesigen Geschäftsleute die Geldflüsse der Firma. Und ein Großteil der Einlagen sei dann sogar auf andere Konten der Solinger Immobilienunternehmen überwiesen worden. Im Oktober 2017 sei mit weiteren 1,1 Millionen Euro des mutmaßlichen Schleuser-Geldes zudem eines der Bank-Darlehen für den Kauf der Kirchenimmobilie abgelöst worden. Die Millionenflüsse begründen laut Staatsanwaltschaft den Verdacht der Geldwäsche. Das Objekt Auferstehungskirche soll demnach dabei geholfen haben, das Schleusergeld zu waschen.

Anleger fürchten um ihr Geld

Viele der ausländischen Anleger bei der mutmaßlichen Solinger Schleuser-Gesellschaft fürchten inzwischen um ihre Einlagen. Und berichteten den Ermittlern, immer wieder sei ihnen versichert worden, dass ihre Einreise und Migration nach Deutschland legal und rechtens seien. Sie hätten schlichtweg gutgläubig gehandelt. Nach drei Jahren, so sei ihm versprochen worden, sollten er und seine Familie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten, heißt es im Vernehmungsprotokoll eines der Betroffenen.

Der Kölner Anwalt Brockhaus und sein Rechtsbeistand haben sich auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht zu den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen geäußert. Die Solinger Unternehmer sind sich keiner Schuld bewusst. Auf Anfrage erklärt ihr Medienanwalt: „Die Investoren (Anm. d. Red.: die Anleger aus dem Ausland) sind als mittelbare Gesellschafter Eigentümer der Immobilie. Sie erhalten anteilig sowohl die Gewinne aus der Vermietung (die zuletzt aufgrund von Mieterwechsel und Renovierungskosten ausgeblieben sind), als auch den Erlös aus dem geplanten Verkauf (der aufgrund der Beschlagnahme derzeit nicht vollzogen kann). Die Investoren wurden also weder getäuscht noch geschädigt.“

Zugleich weist der Anwalt einen Betrugsverdacht zurück. Der Beschlagnahmebeschluss gebe „weiterhin lediglich die anfängliche (an vielen maßgeblichen Stellen falsche) Ermittlungsthese wieder, ohne auch nur die noch ausstehende Einlassung weiterer Beschuldigter – insbesondere zum Sachverhaltskomplex Solingen – zu berücksichtigen.“

Das sieht die Staatsanwaltschaft anders: So soll einer der Unternehmer fingierte Wohnadressen für die illegal eingeschleusten Migranten gestellt haben. Ein Vorwurf, den der Beschuldigte bestreitet.