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K.-o.-Tropfen im KarnevalNRW-Minister Limbach will Täter für mindestens fünf Jahre hinter Gitter bringen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Täter schüttet einer Frau bei einer Party unbemerkt eine betäubende Substanz ins Glas. Das ist eine schwere Straftat.

Wer K.-o.-Tropfen einsetzt, um sein Opfer zu vergewaltigen oder auszurauben, soll nach Meinung des Justizministers künftig mindestens fünf Jahre in Haft.

Täter, die ihre Opfer mit K.-o.-Tropfen betäuben, müssen künftig mit einer langen Haftstrafe rechnen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach setzt mit einer Bundesratsinitiative auf größere Abschreckung.

Die 14-Jährige hatte sich arglos auf ein Treffen mit ihrem Chatpartner eingelassen. Als der vier Jahre ältere Bekannte ihr anbot, aus einer Apfelsaftflasche zu trinken, witterte das Mädchen keine Gefahr. Ein Fehler mit fatalen Folgen. Die Flüssigkeit enthielt K.-o.-Tropfen. Der 18 Jahre alte junge Mann schleppte das Opfer daraufhin in einen Kellerraum und verging sich an seiner wehrlosen Internet-Bekannten.

Der Fall aus Essen sorgte im Herbst vergangenen Jahres für Schlagzeilen. Der Täter wurde zu einer Jugendstrafe von 3,5 Jahren verurteilt. Auch Erwachsene, die K.-o.-Tropfen einsetzen, um eine Vergewaltigung begehen zu können, kommen oft zu glimpflich davon, obwohl die Betäubung mit den farb- und geruchslosen Drogen die Opfer in Lebensgefahr bringen kann.

Die schwarz-grüne Landesregierung will jetzt eine spürbare Strafverschärfung auf den Weg bringen. „Jedem, der eine Vergewaltigung oder einen Raub mit K.-o.-Tropfen begeht, muss klar sein, dass er künftig für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis geht“, sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Tropfen seien „nicht anders zu bewerten wie der Einsatz einer Waffe oder eines Messers, mit dem der Widerstand des Opfers gebrochen“ werden solle. „Diese Initiative werden wir in den Bundesrat einbringen“, so Limbach.

Mit dieser Postkarte warnt die Beratungsstelle donum vitae vor der Gefahr durch  K.o.-Tropfen im Karneval.

Mit dieser Postkarte warnt die Beratungsstelle Donum Vitae vor der Gefahr durch K.-o.-Tropfen im Karneval.

Bislang habe der Gesetzgeber der Gefährlichkeit der Tatbegehungsweise noch nicht in ausreichender Weise Rechnung getragen, heißt es im NRW-Justizministerium. Wer mit einem Messer drohe oder bei der Tat ein gefährliches Werkzeug einsetzte, müsse bei einer Vergewaltigung oder einem Raub mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren rechnen. Der Einsatz eines Gifts falle nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hingegen nicht automatisch unter die Kategorie „Tatwerkzeug“. Erst wenn das Opfer konkret in Lebensgefahr gerate, könne bei Raub und Vergewaltigung eine Strafe nach diesen Vorschriften verhängt werden.

Wirkung der Tropfen sei für Täter unkalkulierbar

Diese Festsetzung hält die Landesregierung für völlig unangemessen. Die Wirkung von K.-o.-Tropfen sei für die Täter schließlich völlig unkalkulierbar. „Sie ist stark abhängig von der Konstitution des Opfers, davon, wie viel Alkohol parallel oder zuvor schon getrunken wurde und ob noch andere Drogen oder Medikamente eingenommen wurden. Das aber kann der Täter vorher nicht wissen. Er spielt also in jedem Einzelfall mit dem Leben des Opfers“, so das NRW-Justizministerium.

Die Verwendung von K.-o.-Tropfen wird in der polizeilichen Kriminalstatistik von NRW nicht erfasst. Anders ist das in Baden-Württemberg – dort meldete die Polizei im Herbst vergangenen Jahres, dass die Zahl der registrierten Fälle seit 2014 um 160 Prozent angestiegen sei. Ermittler gehen davon aus, dass nur ein Bruchteil der Fälle bekannt werden, weil viele Taten – zum Teil aus Scham, oder weil die Opfer die Schuld bei sich suchen – nicht zur Anzeige gebracht werden.

In der Karnevalszeit ist das Risiko, ein Opfer von K.o.-Tropfen zu werden, besonders hoch
Benjamin Limbach, Justizminister NRW

Überall, wo ausgelassen gefeiert und getanzt wird und dabei Getränke konsumiert werden, droht potenziell Gefahr. „In der Karnevalszeit ist das Risiko, ein Opfer von K.-o.-Tropfen zu werden, besonders hoch“, warnt Justizminister Limbach. „Jeder sollte wachsam sein, was er trinkt und mit wem er etwas trinkt. Verlassen Sie niemals mit Fremden alleine eine Party“, rät der Politiker aus Bonn. Damit Polizei und Justiz die Täter verfolgen könnten, zählt jede Minute: „Zögern Sie nicht, gehen Sie bei Verdacht sofort zum Arzt und lassen Sie Spuren sichern“, empfiehlt der Minister. Das geht in Nordrhein-Westfalen auch anonym und kostenlos. Besonders wichtig ist die Beweissicherung, wenn Anzeichen für körperliche oder sexuelle Übergriffe vorhanden sind, wie zum Beispiel Blutergüsse, zerrissene oder fehlende Kleidung, Schmerzen im Unterleib oder Spermaspuren. Auch wenn es schwerfällt, sollten Opfer vor dem Arztbesuch nicht duschen. K.-o.-Tropfen sind nur maximal sechs bis zwölf Stunden im Urin und Blut nachweisbar, deshalb ist rasches Handeln erforderlich.

Benjamin Limbach, Minister der Justiz von Nordrhein-Westfalen, spricht bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf.

Benjamin Limbach, Minister der Justiz von Nordrhein-Westfalen, sagt: „Jeder sollte wachsam sein, was er trinkt und mit wem er etwas trinkt. Verlassen Sie niemals mit Fremden alleine eine Party.“

K.-o.-Tropfen wirken wie Drogen je nach Dosierung höchst unterschiedlich. Eine häufig verwendete Substanz ist Gammahydroxybutyrat (GHB), auch als Liquid Ecstasy bekannt. Zum Einsatz kommen aber auch andere Substanzen wie Benzodiazepine oder Ketamin. In Mischgetränken bemerkt man die Tropfen meist kaum. In geringer Dosis wirken sie stimulierend und enthemmend, in höherer Dosis betäubend. Etwa 10 bis 20 Minuten nach der Einnahme spüren die Opfer, dass etwas nicht stimmt. Anfangs fühlen sich manche noch euphorisiert und vermeintlich gut. Dann folgen jedoch oft Übelkeit, Schwindel und eine plötzlich auftretende Müdigkeit.

Täter nutzen genau diesen Moment, um mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen. Sie bieten ihre Hilfe an, schlagen vor, mit ihnen an einen anderen Ort zu gehen. Dort kommt es dann zu Missbrauch oder Raub. In der Regel ist das Bewusstsein der Opfer anschließend über mehrere Stunden getrübt, ihr Zustand variiert von benommen bis zu schwer komatös. Bei Überdosierung drohen Atemstillstand und Tod.

Polizei und Justiz raten Feiernden, auch in den Karnevalstagen, das eigene Glas niemals unbeobachtet zu lassen und keinesfalls offene Getränke von Unbekannten anzunehmen. Wer nicht selbst betroffen ist, aber bei Freunden ein ungewöhnliches Verhalten beobachtet, darf die Betroffenen nicht allein lassen, auch wenn das bedeutet, dass die Feier vorzeitig endet. Im Zweifel sollte umgehend die nächste Notfallambulanz aufgesucht werden. „Notfalls rufen Sie 112“, so der Minister.

Um potenzielle Täter abzuschrecken, will NRW jetzt durchsetzen, dass die Straftatbestände der Paragrafen 177 Absatz 8 und 250 Absatz 2 Strafgesetzbuch erweitert werden. Künftig soll es dort heißen: Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren sollte auch bestraft werden, wer einen Raub oder eine Vergewaltigung „durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen“ begeht. Limbach will die Initiative in diesem Frühjahr einbringen.