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Steigende Tierarztkosten, kaum Platz„Corona-Hunde“ überforderter Halter füllen die Tierheime in Kölner Region

Lesezeit 4 Minuten
Der Husky-Mischling wurde Anfang Juli am Zaun des Tierheims Dellbrück angebunden und ausgesetzt.

Der Husky-Mischling wurde Anfang Juli am Zaun des Tierheims Dellbrück angebunden und ausgesetzt.

Um die Tierheime zu entlasten, bräuchte es einen Stopp des Tierhandels im Internet, so die Sprecherin des Tierheims in Köln-Dellbrück.

In dem Punkt sind sich die Tierheime einig: Das alte Klischee der Hunde, die auf dem Weg in den Italien-Urlaub an der Raststätte zurückgelassen werden und die Tierheime füllen, beschreibt heute eher eine Seltenheit als die Regel. Trotzdem bleiben die Sommerferien für viele Tierheime in der Region eine stressige Zeit.

„In den ersten drei Ferienwochen ist es schlimmer als gegen Ende“, sagt Heike Bergmann, Leiterin des Tierheims in Bergheim. Zum Teil, weil manche Halter ihre Tiere abgeben, wenn die Ferienbetreuung abspringt – auch wenn das heutzutage offenbar seltener passiert als früher. Aber auch, weil viele Interessierte erst nach dem Sommerurlaub einen Hund bei sich aufnehmen wollen. Also sinkt zu Beginn des Sommers die Zahl der Vermittlungen, die Tiere bleiben länger in der Obhut der Tierschutzvereine.

„Die Leute wählen sich die Finger wund, weil sie ihr Tier abgeben wollen“

Im Moment, sagt Bergmann, habe das Tierheim weniger Kapazitäten als üblich. Ein Teil der Anlage wird gerade abgerissen, damit ein neues Hundehaus entstehen kann. Der Notzwinger ist restlos voll. „Wir können gerade keinen einzigen Hund mehr aufnehmen.“ Dabei sind es vor allem Hunde in allen Farben und Rassen, die Halter bei ihr abgeben wollen. Die meisten sind zwei bis drei Jahre alt – Hunde, die während des Lockdowns angeschafft wurden. „Wir haben auch Abgabeanfragen aus Bayern und Ostdeutschland“, sagt Bergmann. „Die Leute wählen sich die Finger wund, weil sie ihr Tier abgeben wollen.“

Die Corona-Folgen spürt auch Gerd Kortschlag vom Tierheim Leverkusen: In seinem Tierheim werden auffällig viele ausgesetzte Kaninchen abgegeben, gefunden in Pappkartons vor dem Eingang des Tierschutzvereins, im Stadtgebiet, auf Parkplätzen. „Unsere Vermutung ist, dass während Corona viele Eltern ein Kaninchen für ihre Kinder angeschafft haben“, sagt er. „Jetzt, wo die Kinder wieder zur Schule gehen, stört das Tier.“ Trotzdem, sagt Kortschlag, sei die Situation im Tierheim Leverkusen noch „in Ordnung“. „Natürlich sind wir gut voll, aber wir können immer noch Tiere aufnehmen.“

Halter geben Tiere wegen steigenden Tierarztkosten ab

Keine 20 Kilometer entfernt scheint die Lage etwas angespannter: „Wir nehmen so viele Tiere auf, wie wir können, aber unsere Kapazitäten sind mehr und mehr erschöpft“, sagt Sylvia Hemmerling vom Tierheim Dellbrück. Fast im fünf-Minuten-Takt kämen E-Mails von Haltern, die ihr Tier abgeben möchten. „Es ist häufig dasselbe Problem: Die Leute haben während Corona vermehrt Tiere im Internet gekauft und jetzt geben sie sie wieder ab, weil sie zu teuer sind oder sie mit ihnen überfordert sind“

Erst vor ein paar Tagen sei eine Passantin ins Tierheim gekommen: Oben am Wegesrand sei ein Hund am Zaun angebunden. „Das war kein typischer Ferienhund“, sagt Hemmerling. Der Husky-Mischling trug einen Maulkorb – ein Indiz dafür, dass der Halter den Hund loswerden wollte, weil er für ihn zu schwierig war. Die Mitarbeiter des Tierheims banden ihn los und brachten ihn rein. Der Hund sei extrem misstrauisch, sagt Hemmerling. „Wir wissen aber auch nicht, was er durchgemacht hat. Er kann es uns ja nicht erzählen.“ Es dauerte einige Tage, bis er zu zwei Mitarbeitern genug Vertrauen fasste, um sich von ihnen ausführen zu lassen.

Diese drei Katzenkinder wurden am 11. Juli in einem Karton ausgesetzt und ins Tierheim gebracht.

Diese drei Katzenkinder wurden am 11. Juli in einem Karton ausgesetzt und ins Tierheim gebracht.

Neben den „Corona-Hunden“ kämpfen die Tierheime auch mit den gestiegenen Tierarztkosten. Im November erhöhten sich die Behandlungskosten drastisch. Das merkten die Tierheime nicht nur bei der Behandlung ihrer eigenen Tiere: Immer mehr Halter geben ihre Tiere ab, weil sie die Behandlung nicht zahlen können. Hemmerling erzählt von einem Anruf aus einer Tierarztpraxis beim Partnertierheim in Bergheim: Dort lag eine Katze auf dem Behandlungstisch, die eine vergiftete Maus gefressen hatte und dringend eine Notoperation brauchte. „Der Halter konnte die Kosten nicht tragen und wollte die Katze abtreten“, sagt die Tierheimsprecherin. „Dann haben wir sie übernommen, samt OP-Kosten und Nachsorge.“

Um die Tierheime zu entlasten, bräuchte es einen Stopp des Tierhandels im Internet, wo „ohne Sinn und Verstand“ und ohne Rückgabemöglichkeit Tiere zum Verkauf stehen, so Hemmerling. „Es muss ein Bewusstsein dafür entstehen, dass ein Tier ein lebendes, fühlendes Wesen ist, das mehr als 15 Jahre alt werden kann und im Laufe der Jahre viel Geld kostet. Wer ein Tier bei sich aufnimmt, ist für den Rest seines Lebens dafür verantwortlich.“