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„Unheimliche Wut in mir“Verbrannt, angeschossen, gequält – Polizei sucht Tierhasser im Kölner Umland

Lesezeit 6 Minuten
Das Wildkaninchen starb in den Händen einer Tierschützerin.

Das Wildkaninchen starb in den Händen einer Tierschützerin.

In Siegburg sollen Kinder mit einem Kaninchen Fußball gespielt haben. Im Großraum Köln werden immer mehr kleine Tiere Opfer von Tierquälern.

Das Wildtier-Kaninchen schaffte es noch bis zur Tierpflegerin. Dann versagte das Herz des verletzten Babys. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Kinder in Siegburg mit einem lebenden Kaninchenbaby Fußball gespielt haben sollen. Eine Zeugin, die dazwischen gegangen ist, hat das Kleine ins Tierheim gebracht.

Seitdem herrscht Fassungslosigkeit. „Dass Kinder derart rohe und willkürliche Gewalt an Tieren ausüben, ist extrem besorgniserregend“, kommentiert jetzt auch Mareike Homann von der Tierrechtsorganisation Peta. Ein lebendes Tierbaby zu Tode zu treten sei „erschütternd“. Leider handele es sich nicht um einen Einzelfall, „denn immer wieder quälen Kinder in Deutschland Tiere“, so Homann: „Deshalb ist es längst überfällig, dass tierethische Themen in Lehrplänen verankert werden.“

Tierschutzbund: Tierhasser keine Seltenheit

Zentral erfasste Daten zu Tierquälerei gibt es in Deutschland nicht. Das Bundeskriminalamt listet zwar Verstöße gegen das Tierschutzgesetz auf, ohne diese jedoch zu unterteilen. Im Jahr 2022 wurden etwa 7500 Fälle erfasst. Auch wie häufig Giftköder ausgelegt oder von Hunden gefressen werden, wird nirgendwo erfasst. „Der Deutsche Tierschutzbund bekommt immer mal wieder Rückmeldung zu Fällen, in denen vermeintliche Tierquäler durch das Auslegen von Giftködern oder Ködern mit Rasierklingen versuchen, Hunde und ihre Halter zu schädigen“, berichtet Vereinssprecherin Hester Pommerening.

„Da oft nur Vermutungen bestehen, wer die Köder ausgelegt hat und eine strafrechtliche Verfolgung schwierig ist, ist es kaum möglich, Zahlen zu erheben“, ergänzt die Aktivistin. Zudem sei „nicht immer eindeutig zu beurteilen, ob Giftköder extra gelegt wurden oder zum Beispiel Köder für Ratten ausgelegt wurden und diese dann versehentlich aufgenommen wurden“.

1000 Euro Belohnung für Hinweise auf Hunde-Killer

Es ist immer noch so, dass er plötzlich an die Schüsse denken muss. Und dann hat er auch das Jaulen seines Hundes im Todeskampf wieder in den Ohren. „Das war fürchterlich, so etwas habe ich in meinem Leben noch nie gehört“, sagt William Najman. Sein Terrier „Shorty“ ist Anfang Februar vergangenen Jahres in Kerpen-Blatzheim beim Gassigehen angeschossen worden. Zwei Tage nach einer Notoperation ist er dann gestorben.

Jack-Russel-Terrier Shorty starb zwei Tage, nachdem er angeschossen wurde.

Jack-Russel-Terrier Shorty starb zwei Tage, nachdem er angeschossen wurde.

„Dreimal wurde geschossen, zweimal wurde mein Hund getroffen“, erzählt Najman. Er sei sofort die Böschung zur Kiesgrube runtergestürmt, wo Shorty sich befand. „Ich habe gedacht, entweder hört der jetzt auf zu ballern oder der muss dich gleich mit erschießen.“ Angst habe er keine gehabt. „In dem Augenblick war mir das egal, das kann man schwer erklären“, sagt der 58-Jährige.

Der „abscheuliche Hinterhalt“ gehöre sicherlich zu den „grausamsten Geschichten, von denen wir in diesem Jahr gehört haben“, betont Peta-Sprecherin Jana Hoger. „Da wurde absichtlich so schwer verletzt, dass dies zwangsläufig zum Tod führen musste.“

„Es gibt eine zunehmende Verrohung“

Tierhasser, die „aus rein sadistischen Motiven, Perversion oder Mordlust Leid antun“ sind nach den Erfahrungen des Tierschutzbundes „leider aber keine Seltenheit“ mehr: „Es gibt eine zunehmende Verrohung“, sagt Vereinssprecherin Hester Pommerening.

In Bedburg wurde eine Kanadagans gesichtet, die einen Pfeil im Rücken hat.

Dies zeigen auch Fälle aus dem Großraum Köln, die in den vergangenen Jahren bekannt geworden sind. In Ratingen beispielsweise wurde ein Igel mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet, in Bonn-Beuel wurden mehreren Tieren die Knochen gebrochen. In Niederkassel spielten Jugendliche mit einem hilflosen Katzenjungen Fußball. In Mettmann wurde mit Schrot auf einen Hund geschossen. In Krefeld wurden die Kadaver von vier Rehen gefunden, auf die geschossen worden war. In Bedburg wurde eine Kanadagans gesichtet, die von einem Pfeil in den Rücken getroffen wurde.

Städteregion Aachen: 140 Rinder beschlagnahmt

Im April vergangenen Jahres beschlagnahmte das Veterinäramt der Städteregion Aachen 140 Rinder bei einem Bauern, der sich schon mehrfach wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz vor Gericht verantworten musste. „Viele Todesfälle durch Unterlassung der erforderlichen Pflege, eine mangelhafte Versorgung mit Trinkwasser, Klauenerkrankungen und Lahmheiten sowie eine hochgradig mangelhafte Unterbringung“, begründete ein Sprecher der Behörde die Aktion. Und Dirk Sindhu von der Bergischen Greifvogelhilfe kümmert sich seit etwa einem Monat um einen von der Kölner Feuerwehr geborgenen Mäusebussard, der mit einem Luftgewehr abgeschossen wurde und sich beim Sturz Brüche zugezogen hat.

Mäusebussard wurde mit Luftgewehr abgeschossen und von der Feuerwehr Köln geborgen. Die Bergische Greifvogelhilfe hat ihn aufgepeppelt.

Die Projektile sind im Röntgenbild zu sehen: Dieser Mäusebussard wurde mit einem Luftgewehr abgeschossen und von der Feuerwehr Köln geborgen.

Mäusebussard wurde mit Luftgewehr abgeschossen und von der Feuerwehr Köln geborgen. Die Bergische Greifvogelhilfe hat ihn aufgepeppelt.

Die Bergische Greifvogelhilfe päppelt den Bussard auf.

„Ich habe eine unheimliche Wut in mir“, sagt Sarah A. aus Elsdorf im Rhein-Erft-Kreis: „Wie armselig und feige ist das denn, auf hilflose Tiere zu schießen?“ Anfang März vergangenen Jahres wurde ihre Stute Betty am Hals getroffen. Die Ärzte in der Klinik entdeckten ein Sieben-Millimeter-Projektil im Hals des Pferdes. „Die Kugel steckt tief im Nackenband, einem Muskelstrang vom Hinterkopf bis zu den Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule, und kann deshalb nicht entfernt werden“, erzählt die Halterin. „Weil das Risiko zu groß ist, dass Betty durch den Eingriff in ihrer Bewegung so stark beeinträchtigt werden könnte, dass sogar eine Einschläferung drohen könnte.“

Schüsse auf Stute Betty in Elsdorf

Zurück aus der Klinik, konnte das Pferd sich wieder normal bewegen und brauchte keine Schmerzmittel mehr. Die Entzündungswerte im Blut seien gesunken, das Blei in der Kugel stelle offenbar also auch kein Problem mehr dar. „Meine Hoffnung und die der Ärzte ist, dass das Projektil an seinem Platz bleibt und sich verkapselt. Dass der Körper akzeptiert, dass dieses Teil jetzt dazu gehört“, so A..

Sarah A. mit ihrer Stute Betty, die angeschossen wurde

Ein Verdächtiger, der die Schüsse abgegeben haben soll, wurde mittlerweile von der Polizei ermittelt. Was, wenn es um Tierquälerei geht, aber eine Seltenheit ist. Laut Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2020 wurden in Deutschland lediglich 1027 Personen wegen Tierschutzdelikten verurteilt, davon 95 Prozent zu einer Geldstrafe.

Nur selten werden Freiheitsstrafen für Tierquäler verhängt

Nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, Wirbeltiere „ohne vernünftigen Grund“ zu töten. Strafbar ist auch, wenn Tieren „aus Rohheit erhebliche Schmerzen zufügt“ sowie „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ verursacht werden. Unter Schmerzen versteht der Gesetzgeber körperliche Beeinträchtigungen, Leiden können auch „(tier-)seelisch“ empfunden werden und sind insbesondere anzunehmen, wenn artgemäßes Verhalten übermäßig eingeschränkt wird.

Täter können wegen Tierquälerei mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. „Fälle, in denen es tatsächlich zu mehrjährigen Haftstrafen oder zu Verurteilungen mit Abschreckungswirkung kommt, sind allerdings sehr selten“, heißt es beim Tierschutzbund. In Friedberg (Wetteraukreis) etwa hat ein 36-Jähriger, der mittlerweile in Berufung gegangen ist, eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten erhalten. Der Mann hatte nach Überzeugung des Gerichtes mit „folterähnlicher Brutalität“ Dutzende Igel sowie eine Reihe von Katzen und Kaninchen zu Tode gequält. Im Allgäu wurden ein 25-jährigen Landwirt sowie sein Vater ebenfalls zu zwei Jahren und zehn Monaten beziehungsweise zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil sie zahlreiche kranke Rinder qualvoll verenden ließen, ohne den Tierarzt zu rufen.

Soweit die Ausnahmen. Der überwiegende Teil der Tiermisshandlungen wird nur als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet. Schüsse aus einem Luftgewehr auf eine Katze beispielsweise stellten nach Ansicht des Landgerichts Frankfurt keine strafbare Tierquälerei dar. Ein 52 Jahre alter Mann wurde deshalb lediglich wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 1.950 Euro verurteilt.