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Kommentar

Glücksatlas
„Ohne triftigen Grund“ – warum NRW trotz schlechter Ausgangslage als Glücksregion gilt

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Lesezeit 2 Minuten
Menschen sitzen bei Sonnenuntergang auf dem neuen Rheinboulevard am Rhein in Köln (Nordrhein-Westfalen) mit Blick auf den Dom.

Blick über den Rhein auf den Kölner Dom

Die objektive Lebensqualität in der Region lässt zu Wünschen übrig. Unterkriegen lassen sich Kölnerinnen und Kölner davon jedoch nicht.

Ja, es klingt abgedroschen: das kölsche „Jeföhl“, der rheinische Frohsinn – dafür ernten Kölnerinnen und Rheinländer außerhalb von Stadt und Region eher skeptische Blicke als anerkennendes Nicken. Zu viel Lokalpatriotismus, zu viel Größenwahn, so der genervte Vorwurf.

Ein Blick in den am Dienstag veröffentlichten Glücksatlas zeigt: Tatsächlich sind die Menschen in ganz Nordrhein-Westfalen im Deutschlandvergleich ziemlich happy. Und das Faszinierende: ohne triftigen Grund.

Die objektive Lebensqualität in NRW ist eher schlecht. Sicherheit: mangelhaft. Sozialleistungen: ausbaufähig. Wohlstand: ungenügend. Und auch die Armutsgefahr ist überdurchschnittlich hoch. Da hilft auch keine vergleichsweise gute Infrastruktur mit schneller Autobahnanbindung – die wird in der Glücksatlas-Studie als eine der Stärken des Landes hervorgehoben.

NRW: Höchste Diskrepanz zwischen realer und gefühlter Lebensqualität

Unter den Bundesländern belegt NRW Rang 12. Schlechtere Voraussetzungen fürs Glücklichsein gibt es nur in den beiden Stadtstaaten Bremen und Berlin, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Eigentlich müssten Rheinländerinnen und Rheinländer frustriert durchs Leben gehen. Tun sie aber nicht.

Woran das liegt? Das kann selbst Studienleiter Bernd Raffelhüschen nicht so richtig erklären. Nur so viel: Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und genetische Disposition, das seien die „vier G des Glücks“.

Gesundheit: Die ist zumindest besser als während der Corona-Pandemie. Gemeinschaft: Tatsache, die ist da. Geld: mal mehr und mal weniger. Und was erst einmal ganz schön sperrig klingt, diese ominöse „genetische Disposition“, die ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Mentalitätssache. Da geht es um Kultur und Identität. Und davon können die Menschen hierzulande sprichwörtlich nicht nur ein Liedchen singen, sondern mehrere.

Während sie in Schleswig-Holstein dank des skandinavischen Hygge-Effekts abends zufrieden ins Bett gehen, ist es hier eben dieses ganz bestimmte Lebensgefühl, das die Region mehr als jedes andere Bundesland nach oben pusht: vom objektiven zwölften Platz auf den subjektiv gemessenen vierten Rang. Und wo lässt sich die Diskrepanz zwischen realer und gefühlter Lebenswelt besser nachvollziehen als in Köln?

Janne Ahrenhold

Janne Ahrenhold

Volontärin beim „Kölner Stadt-Anzeiger“, Jahrgang 1995. Die gebürtige Hannoveranerin arbeitet seit September 2023 beim KStA. Zuvor hat sie an der Sporthochschule Köln ihren Master in „Sport, Medien- u...

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Der Titel „Overperformer“ ist da mehr als verdient – ein Grund mehr, den ortstypischen Frohsinn demnächst wieder mit Stolz zu verteidigen. Abgedroschenheit hin oder her.