Überraschend kam der Rückzug des SPD-Parteichefs Thomas Kutschaty nicht. Sein Alleingang allerdings könnte auf weniger naheliegende Motive hindeuten.
Kommentar zu Kutschaty-RücktrittRespekt hatten die meisten – auf ein Bier mit ihm waren die wenigsten scharf
Der Rückzug von Parteichef Thomas Kutschaty erschüttert die NRW-SPD. Dem Knall waren viele Wochen der Verunsicherung vorausgegangen. Die Unzufriedenheit über die Führungsqualität des früheren NRW-Justizministers war erheblich. Kutschaty hatte offenbar den Kontakt zu seien Getreuen in Partei und Fraktion verloren. Die Ankündigung von Gegenkandidaturen beim Landesparteitag im Mai schien nur eine Frage der Zeit.
Mit der unprofessionellen Vorbereitung der Vorstellung seiner Wunschkandidatin für die Position der Generalsekretärin hat Kutschaty sein politisches Ende selbst in die Wege geleitet. Sein Alleingang wirkt dilettantisch, schließlich weiß der Essener seit seiner Juso-Zeit, dass wichtige Personalentscheidungen in der NRW-SPD nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie mit allen Beteiligten abgestimmt sind. Wer das nicht auf dem Schirm hat, leidet entweder unter politscher Demenz – oder ist amtsmüde.
So löst der Rückzug von Kutschaty bei vielen Genossen keinen großen Katzenjammer aus. Es war für sie nie ganz leicht, mit dem Juristen warm zu werden. Respekt hatten die meisten – aber auf ein Bier mit ihm waren nur wenige scharf. Nach der Pleite bei der Landtagswahl war der Ruf nach Erneuerung noch unterdrückt worden. Nachdem die Aufbruchstimmung aber völlig ausblieb, hatte die Nachsicht ein Ende.
Nun hat die NRW-SPD die Chance auf einen Neustart. Eine weibliche Chefin oder Co-Chefin würde der Partei wohl gut zu Gesicht stehen. Wenn die SPD wieder eine Chance haben will, in NRW die Mehrheit zu gewinnen, muss der nächste Schuss sitzen. Unterschiedliche Teams sollten die Chance bekommen, sich vorzustellen. Der Termin für den Landesparteitag in Bochum am 6. Mai ist nicht in Stein gemeißelt und kann notfalls verschoben werden.