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Kommentar

Kommentar zur NRW-Kriminalstatistik
Wer Kriminalität bekämpfen will, muss Armut bekämpfen

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Faceless man with a black hoodie in the night city

Die Zahl minderjähriger Tatverdächtiger ist stark angestiegen. (Symbolbild)

Die Kriminalitätszahlen in NRW erschrecken, doch sie dürfen nicht lähmen, sagt unser Autor.

Armut führt nicht kausal zu Kriminalität, sagen Verbrechensforscher, aber: Armut begünstigt eine Entwicklung hin zur Kriminalität. Die multiplen wirtschaftlichen Krisen, die sich im Alltag der Bevölkerung in enorm gestiegenen Preisen für Energie und Lebensmittel und folglich finanziellen und existenziellen Nöten materialisiert haben, zeigen sich in der am Mittwoch veröffentlichten Kriminalstatistik für Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 sah es 2023 düster aus: ein Drittel mehr Ladendiebstähle, ein Viertel mehr Taschendiebstähle. Vergangenes Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen gar so viele Ladendiebstähle begangen wie seit 2005 nicht mehr.

Der Staat muss den Menschen den Rücken stärken

Die Zahl der Gewaltdelikte war sogar mindestens in den vergangenen 25 Jahren in NRW nie höher. Zudem ist der Anteil minderjähriger Tatverdächtiger in den vergangenen Jahren massiv angestiegen. Solche Zahlen erschrecken, doch sie dürfen nicht lähmen. Die Politik im Land und im Bund muss sie als Auftrag verstehen.

Der Staat darf sich nicht aus seiner sozialen Verantwortung mit dem Argument zurückziehen, er könne sich die Unterstützung nicht mehr leisten. Viel mehr muss er jetzt den Menschen mehr denn je den Rücken stärken. In einer fragilen Zeit braucht die Gesellschaft einen stabilen Rückhalt. Da sind Sozialneid-Debatten über eine angemessene Kindergrundsicherung, Märchen über eine verschwindend geringe Zahl Bürgergeld-„Totalverweigerer“ und Kürzungen bei sozialen Trägern völlig fehl am Platz.

Neben einer guten Ausstattung der Polizei und Justiz, um Straftäter konsequent und zügig zu bestrafen, braucht es mehr Geld für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, für Schulen, damit sie intensiv soziale Kompetenzen ausbilden können, für Beratungsangebote in finanziell schlechten Bezirken, für Freizeitangebote, die sich an Kinder und Jugendliche richten, für eine schnelle Integration. Damit es gar nicht erst zu Verbrechen kommt – und Menschen die Sicherheit erhalten, die sie brauchen, um der Armut zu entkommen. Denn wer Kriminalität bekämpfen will, muss auch Armut bekämpfen.