Die Erdbeerernte in NRW ist im Vergleich zu 2020 um ein Viertel eingebrochen. Bauern und der Verband wagen einen Ausblick.
Dramatischer ErnterückgangRheinische Erdbeere wird seltener angebaut – Bauern kämpfen mit Problemen

Anbau von Erdbeeren auf dem Fruchthof Hensen in Swisttal
Copyright: Benjamin Quiring
In Nordrhein-Westfalen sind im dritten Jahr in Folge weniger Erdbeeren geerntet und verkauft worden. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Landesamts IT NRW haben die Erdbeerbauern in NRW in dieser Saison bislang 25.934 Tonnen Erdbeeren produziert. Das sind 8,6 Prozent weniger als im Vorjahr.
Im Vergleich zu 2020 brach die Ernte sogar um 26,6 Prozent ein. Damals holten die Bauern noch 35.314 Tonnen Erdbeeren vom heimischen Feld. Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer beim Provinzialverband rheinischer Obst- und Gemüsebauern, macht für die sinkenden Zahlen vor allem die wirtschaftliche Situation vieler Bauern, aber auch das Klima verantwortlich.
„Die Freilanderdbeeren aus der Region wurden im vergangenen Jahr sehr schlecht verkauft. Und wenn, dann nur zu einem Preis, der kaum die Produktionskosten der Anbauer deckte“, sagt Muß. Grund dafür war seiner Aussage nach zum einen die Konkurrenz an günstigeren Erdbeeren aus Spanien, Italien und Nordafrika, zum anderen die Sparsamkeit der Konsumenten gleich nach dem Ausbruch des Krieges und der sich in die Höhe schraubenden Inflation.
Früchte gehäckselt statt geerntet
Dazu kommt laut Muß seit einigen Jahren die Hitze im Frühsommer, die die Erdbeeren alle zusammen in Rekordzeit reifen lässt. „So schnell kann man gar nicht ernten. Schon gar nicht, wenn Erntehelfer rar sind.“ Gerade im vergangenen Jahr sei der Markt innerhalb kürzester Zeit gesättigt gewesen, die Preise so niedrig, dass sich ein Verkauf nicht mehr zu lohnen schien. „Die Bauern haben deshalb die Früchte auf einigen Flächen umgepflügt und gehäckselt, statt sie zu ernten“, sagt Muß.
Als Reaktion auf den schlechten Absatz haben viele Obstbauern in den vergangenen Jahren ihre Erdbeeranbauflächen reduziert. Erdbeeren machen schließlich große Mühe. Muß zählt die Hindernisse auf, die auf dem Weg zu einem vollen Körbchen auf dem Markt überwunden werden müssen: „Sie brauchen viel Wasser, sie sind von Pilzbefall bedroht, weshalb sie nicht mehrere Jahre hintereinander auf demselben Feld angebaut werden können, die Ernte ist aufwändig und teuer, wer im Gewächshaus anbaut, der ächzt unter den hohen Energiekosten.“ Viele Erdbeerbauern in der Region sind laut Muß mit einem Teil ihrer Flächen zum Beispiel umgestiegen auf Getreide. „Das ist unkompliziert und die Preise seit dem Beginn des Ukrainekriegs hoch.“
Erftstädter Erdbeerhof hat die Anbaufläche reduziert
Auch Michael Schumacher hat in den vergangenen fünf Jahren seine Flächen für den Erdbeeranbau um zehn Prozent reduziert. Der erhöhte Mindestlohn, die Auswirkungen des Klimawandels – all dies machte sich auch auf dem Erdbeerhof seiner Familie in Erftstadt bemerkbar. „Der Aufwand ist zu groß“, sagt der 56-Jährige. „Die Erdbeere ist eine Weichfrucht, die muss von Hand gepflückt werden. Und dafür brauchen wir unsere ausländischen Arbeitskräfte.“ Sowohl Saisonarbeitskräfte als auch Personal für die Erdbeerstände seien immer schwerer zu kriegen.

Erdbeeren zum Selbstpfücken sind seit einigen Jahren Trend.
Copyright: picture alliance/dpa
Auf den freigewordenen Flächen baut Schumacher jetzt Spargel, Kürbisse und Kernobst an. Weiter reduzieren oder gar aufgeben will er die Erdbeerfelder aber nicht. „Dafür liebe ich meinen Beruf zu sehr“, sagt er. Stattdessen versuche der Familienbetrieb, mit verschiedenen Geschmackssorten zu punkten. „Ich bin während der ersten Erdbeerernte meiner Familie geboren worden, auch meine Geschwister sind Erdbeerkinder. Für mich ist das die Sommerfrucht, die Lieblingsfrucht.“
Das Selbstpflücken erlebt eine Renaissance
Schumachers Vater wies als einer der ersten Erdbeerbauern in Deutschland Selbstpflücker-Felder aus. Darauf setzt jetzt nun auch der Sohn wieder vermehrt. „Nur den Großhandel zu beliefern, macht bei der Kostenexplosion wenig Sinn“, sagt er. „Und das Erlebnis des Selbstpflückens erlebt gerade eine kleine Renaissance.“
Der Klimawandel macht den Erdbeerbauern in ganz Deutschland das Leben nicht leichter. In Niedersachsen wurden unlängst Rufe laut, wegen drohender Wasserknappheit den Erdbeer- und Tomatenbauern das Wasser abzudrehen. Muß hält von solchen Maßnahmen nichts. „Die Alternative ist der Import der Früchte aus Spanien. Dort gibt es noch weniger Wasser und der CO₂-Verbrauch für den Transport kommt noch obendrauf.“
Eine Rettung der rheinischen Erdbeere hält er für möglich. Vielversprechend sei der sogenannte geschützte Anbau. Dazu werden seit einigen Jahren Früchte in Folientunneln oder Gewächshäusern in Rinnen auf Substrat angepflanzt.
Freilandanbau lohne sich kaum noch
Fruchthof Hensen in Swisttal hat schon auf überdachte Stellagen und Gewächshäuser umgerüstet. „Im Freiland haben wir massiv reduziert“, sagt Irmgard Hensen. Zum einen, weil auch der Erdbeerhof die Folgen des Klimawandels spürt. Die Sommer werden trockener, und wenn der Regen kommt, dann häufiger in Massen, die der Boden nicht mehr aufnehmen kann – „wie bei dem Hochwasser 2021“.
Zum anderen setzten dem Erdbeerhof die immer härteren Verordnungen zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und der höhere Mindestlohn zu. „Ein Pflücker schafft im Freiland vielleicht zwei Kisten Erdbeeren pro Stunde, das sind zehn Kilo, 20 Schälchen“, sagt Hensen. Für eine Kiste bekomme der Hof etwa 18 Euro. „Aber die Kiste kostet Geld, der Pflücker kostet Geld, die Schale auch, und wir müssen ja noch das Feld bestellen.“ Viel bleibe da nicht übrig.

Irmgard und Ralf Hensen setzen auf Anbau in überdachten Stellagen.
Copyright: Hensen
In der Stellage, so Hensen, sei das etwas anders. Die Saisonarbeiter müssen nicht mehr auf den Knien arbeiten und pflücken pro Stunde doppelt so viele Erdbeeren. Die Dächer schützen die Erdbeeren vor Starkregen, die Früchte sind sauberer, weil sie weiter vom Boden entfernt sind und die Landwirte können Nützlinge einsetzen: Sie kaufen Marienkäfer und winzig kleine Tierchen, die sie auf den Stellagen aussetzen und die Schädlinge bekämpfen. „Im Freiland würden die einfach wegkrabbeln“, sagt Hensen.
Trotzdem, sagt sie, laufe es bei ihnen dieses Jahr etwas schlechter als in den Vorjahren. Auch, weil die höheren Erdbeerpreise wegen des höheren Mindestlohns nicht immer auf Verständnis stoßen. „Im Moment wollen wir den Erdbeeranbau noch nicht aufgeben“, sagt Hensen. „Wir bauen wirklich mit Leidenschaft an, das ist unser Leben. Aber wenn wir draufzahlen müssen – was momentan noch nicht der Fall ist – dann werden wir einen Cut machen müssen.“