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„So konnte ich nicht mehr“Massiver Anstieg von Kündigungen bei Lehrkräften in NRW

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Eine Lehrerin steht mit dem Rücken zur Klasse an einer digitalen Tafel.

Auch verbeamtete Lehrkräfte kündigen, weil sie die Arbeitsbedingungen zunehmend untragbar finden.

Die SPD fordert für NRW ein gerechteres Arbeitszeitmodell, um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen.

Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer, die den Schuldienst kündigen, ist massiv angestiegen: Allein im vergangenen Jahr gab es in NRW fast 800 Jobaussteiger an Schulen. Davon fielen 286 Kündigungen auf verbeamtete Lehrkräfte. Das bedeutet innerhalb von zehn Jahren eine Verdreifachung der Kündigungen. Dabei werden Lehrerinnen und Lehrer händeringend gesucht: Allein in NRW können schon jetzt 7000 Lehrerstellen nicht besetzt werden. Während das Schulministerium mit Quereinsteigerprogrammen händeringend Menschen sucht, kehren gleichzeitig viele voll ausgebildete Lehrkräfte dem System den Rücken und nehmen den Verlust ihrer Beamtenpension und damit finanzielle Verluste in Kauf.

Die FDP im Landtag hat nun die Landesregierung aufgefordert, endlich Ursachenforschung zu betreiben und zu ermitteln, welche Gründe hinter dem Anstieg der Kündigungen stehen, um den Beruf auf dieser Grundlage attraktiver zu machen. De facto ermittelt das Ministerium die Ausstiegsgründe bislang nicht. „Mich hat niemand gefragt, warum ich gehe und was ich gebraucht hätte, um zu bleiben“, schilderte Stefanie Ewers (54) im Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie hat in diesem Jahr ihren Dienst als Lehrerin an einem Gymnasium quittiert. Ihr sei lediglich schriftlich „Im Namen der Ministerin Dank und Anerkennung für meine langjährige Tätigkeit ausgesprochen worden.“

So konnte ich das System nicht mehr mittragen, weil ich den Beruf nicht mehr so ausüben kann, wie es meinem pädagogischen Anspruch entspricht
Christine Lassmann, Kölner Lehrerin, die gekündigt hat

Dabei geben laut einer repräsentativen Befragung der Bosch-Stiftung 85 Prozent der Lehrkräfte in NRW an, dass sie ihre Arbeitsbelastung als stark oder sehr stark empfinden und mental und körperlich erschöpft sind. Der Lehrplan werde immer voller, die Aufgaben immer mehr, die großen Klassen immer heterogener, so dass man dem einzelnen Kind nicht mehr gerecht werden könne, schilderte Christine Lassmann (44), die ebenfalls in diesem Jahr an einem Kölner Innenstadtgymnasium gekündigt hat.

„So konnte ich das System nicht mehr mittragen, weil ich den Beruf nicht mehr so ausüben kann, wie es meinem pädagogischen Anspruch entspricht.“ Am Ende habe man als Lehrerin in diesem System nur drei Optionen: Resignation als Selbstschutz, Burnout oder eben der Ausstieg. Für viele sei Teilzeit die einzige Option, den Beruf weiter auszuüben. Schon jetzt arbeitet jede dritte Lehrkraft in Teilzeit, bei den Lehrerinnen ist es mit 45,7 Prozent fast die Hälfte.

SPD fordert ein anderes Arbeitszeitmodell für Lehrer in NRW

Deshalb sieht es die SPD als falschen Weg an, dass Schulministerin Dorothee Feller (CDU) die Teilzeitmöglichkeiten von Lehrkräften beschneidet. „Das macht den Beruf nicht attraktiver. Statt Klein-Klein braucht es strukturelle Änderungen“, betonte die schulpolitische Sprecherin der SPD, Dilek Engin.

In einem Antrag im Landtag fordert die SPD ein anderes Arbeitszeitmodell für Lehrer in NRW. Das aktuelle Schulbarometer hat nämlich ermittelt, dass sich zwei Drittel der Teilzeit-Lehrkräfte vorstellen können, ihre Arbeitszeit aufgrund des Lehrkräftemangels aufzustocken. Als Bedingung dafür nennen sie bessere Arbeitsbedingungen und ein Ende des sogenannten Deputationsmodells. Dieses erfasst nur die zu unterrichtenden Stunden als Arbeitszeit, nicht aber das, was etwa außerhalb des Unterrichts an Korrekturen, Vorbereitung, Elternarbeit, Klassenleitungen oder Fortbildungen dazukommt.

Deshalb fordert die SPD ein „gerechteres, zeitgemäßes und vergleichbares Arbeitszeitmodell“. Dieses solle mit Gewerkschaften, Personalräten und Lehrkräfteverbänden erarbeitet werden.

Als Beispiel nannte Engin Hamburg, wo die unterrichtsbezogene Zeit nur 75 Prozent der Arbeitszeit ausmacht und auch Fächer je nach Korrekturaufwand gewertet werden. Als zweiter Säule, um den Beruf attraktiver zu machen, fordert die SPD in einem Antrag ein Konzept für eine gerechtere Besoldungsstruktur. Kernpunkt sei eine attraktivere Bezahlung der tarifangestellten Lehrkräfte. Bislang erhielten diese auf die Lebensarbeitszeit gerechnet bis zu 275.000 Euro weniger als verbeamtete Lehrer.