Fiona Dannbeck, 31 Jahre alt, studiert Medizin in Düsseldorf im zehnten Semester. Sie gehört zu den ersten, die über die Landarztquote einen Studienplatz bekamen. Ein Protokoll.
Mit Umweg zum Medizinstudium„Ohne die Landarztquote hätte ich mit meinem Abi von 2,0 keine Chance gehabt“
„Es war ein ganz langer, harter Weg. Aber mein Traum, Ärztin zu werden, hat mich immer bei Laune gehalten. Das ist der Beruf, den ich machen will. Ohne die Landarztquote hätte ich mit meiner Abiturnote von 2,0 keine Chance auf einen Studienplatz gehabt. Also bin ich den Vertrag mit dem Land eingegangen. Anders als spätere Jahrgänge muss ich nicht Allgemeinmedizinerin oder Internistin werden, sondern kann mich auch zur Kinderärztin weiterbilden. Und genau das werde ich machen.
Nach dem Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung zur Rettungsassistentin gemacht und dann ab 2014 im Rettungsdienst gearbeitet. Jahr für Jahr habe ich mich wieder für einen Medizinstudienplatz beworben, aber ich bekam natürlich immer wieder Absagen. Das hat mich sehr mitgenommen.
Ich wusste, dass ich in der Medizin niemals sagen werde: Ich habe alles gelernt, ich habe alles gesehen, ab jetzt wird es langweilig. Ich wusste, ich kann für immer etwas Neues lernen. Das ist sehr wichtig für mich. Ich bin ein wissbegieriger, neugieriger Mensch, ich brauche etwas, das mich dauerhaft beschäftigt.
„In meiner Traum-Vorstellung wohne ich später in einem Bauernhof und habe eine ganz, ganz ländliche Praxis“
Im Rettungsdienst habe ich gemerkt, dass ich nah am Patienten und breit aufgestellt sein will, dass ich ungern dauerhaft im Krankenhaus arbeiten möchte. Hausärztin oder Kinderärztin zu werden, kam deshalb immer infrage für mich. Trotzdem habe ich gezögert, als sich 2018 die Chance über die Landarztquote auftat.
In sechs Jahren Studium und fünf Jahren Facharzt-Weiterbildung bekommt man so viele Eindrücke, die man außerhalb des Studiums gar nicht bekommen kann, dass ich mir schon dachte: Vielleicht bin ich irgendwann von einer ganz anderen Fachrichtung begeistert. Aber ich wusste auch, dass ich ohne die Landarzt-Quote nicht reinkomme ins Studium. Also war das der Kompromiss, den ich eingehen musste.
Ich bereue das bisher nicht, denn meine Traum-Vorstellung ist, dass ich später einen Bauernhof bewohne und eine ganz, ganz ländliche Praxis habe, dass ich alle meine Patienten gut kenne. Es gibt aber auch ein weniger schönes Szenario in meinem Kopf: Dass ich eine Praxis übernehmen muss, die schon länger leer steht oder wo ein Kollege, der ohnehin schon bis Mitte 70 gearbeitet hat, aufhört und ich mich dann komplett allein reinfuchsen muss. Im Studium werden Themen wie Geschäftsführung oder Personalführung ja gar nicht bearbeitet, das wird eine ziemliche Herausforderung.
„Manche Kommilitonen überlegen, sich für 250.000 Euro freizukaufen“
Mit der Verpflichtung, die wir eingegangen sind, wurden wir vom Land bisher ziemlich allein gelassen. Wir haben einen Vertrag unterschrieben und den Studienplatz bekommen, und ab da waren wir auf uns gestellt. Wie das später mal mit der Übernahme einer Praxis auf dem Land laufen soll, wissen wir nicht. Bekommen wir eine finanzielle Förderung? Müssen wir vielleicht Hunderttausende Euro aufbringen für den Start? Da sind wir im Ungewissen. Das ist nicht schön, denn das sind ja Dinge, die man irgendwann vielleicht nicht allein entscheidet, sondern mit seinem Partner oder seiner Partnerin.
Es gibt Kommilitoninnen und Kommilitonen, die sehr leiden, weil sie inzwischen einen ganz anderen Facharztwunsch haben. Ich höre immer wieder davon, dass überlegt wird, sich irgendwie für die 250.000 Euro freizukaufen. Das ist ein Problem. Wenn Kolleginnen oder Kollegen gar nicht auf dem Land arbeiten wollen, wenn sie den Vertrag nur eingegangen sind, um sich ihren Traum vom Medizinstudium erfüllen zu können – sind sie dann der Herausforderung gewachsen, sich auf dem Land niederzulassen? Oder schaffen sie das psychisch vielleicht gar nicht? Weil die Frustration so groß ist.
Ich denke, man müsste das Medizinstudium insgesamt unbedingt auch für Abiturienten ohne 1,0er-Durchschnitt zugänglich machen. Ich habe viele Menschen erlebt, die sehr geeignet wären für den Beruf des Arztes, es wegen ihrer Abitur-Note aber niemals werden können. Wenn man nicht das nötige Kleingeld hat, um ins Ausland zu gehen, muss man sich über die Bundeswehr oder die Landarztquote verpflichten – oder man muss seinen Traum an den Nagel hängen. Das finde ich furchtbar.“