Monströse Vorwürfe gegen einen Pfleger, der in einer Würselner Klinik Menschen getötet haben soll. Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, auch in Köln werden Fälle geprüft.
Mordprozess in Aachen gestartetPfleger erhebt sich zum „Herrn über Leben und Tod“

Prozessauftakt in Aachen: Der tatverdächtige Pfleger habe sich zum „Herrn über Leben und Tod“ aufgeschwungen, sagte Staatsanwalt Marius Saalmann.
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Mit der Akte vor dem Gesicht betritt der Angeklagte im grauen Sweatshirt und heller Jeans den Schwurgerichtssaal. Die Kameras klicken, während der stark tätowierte Krankenpfleger am Montagmorgen auf der Anklagebank im Aachener Landgericht Platz nimmt. Der 44-jährige Deutsche soll im Rhein-Maas-Klinikum in Würselen neun Patienten tot gespritzt haben, in 34 Fällen soll es bei Mordversuchen auf der Palliativstation geblieben sein. Angaben vor Gericht will der Tatverdächtige zunächst nicht machen.
Er habe sich zum „Herrn über Leben und Tod“ aufgeschwungen, referierte Staatsanwalt Marius Saalmann zum Prozessauftakt. Als Motiv führte der Strafverfolger profane Beweggründe an. Der Pfleger, der stets Nachtdienste verrichtete, wollte offenbar seine Schichten ohne großen Arbeitsaufwand absolvieren. Von den todkranken Patienten habe er sich „genervt und gestört“ gefühlt. Dabei habe ihn ein „Selbstbild der Überlegenheit“ aufgrund seiner langen Erfahrung als Kranken- und Palliativ-Pfleger geleitet, so der Ankläger.
Patienten auf der Palliativ-Station stark sediert
Die Taten soll der Mann zwischen Ende Dezember 2023 und Mai 2024 ohne ärztliche Anordnung begangen haben. Laut Anklage soll er Patienten auf der Palliativ-Station stark sedierende Medikamente wie Midazolam, teils mit Morphium, gespritzt haben.
Im Mai 2024 hatte die Klinik nach ersten Verdachtsfällen die Polizei eingeschaltet. Monatelang untersuchte die Mordkommission „Fluss“ das monströse Verbrechen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wurde ein Palliativgutachter eingeschaltet. Der Experte geht von etlichen Mordversuchen sowie zwei Tötungsdelikten aus. Während eine verstorbene Patientin bereits verbrannt war, konnte die zweite Leiche zur Obduktion bewahrt werden.
Staatsanwaltschaft untersucht weitere Todesfälle – auch mögliche Taten des Pflegers aus seiner Zeit im Klinikum Merheim
Vernehmungen von Kollegen und Ärzte aus der Klinik zeichneten den Ermittlungen zufolge das Bild eines Einzelgängers. Zeugen charakterisierten den Angeklagten als kompetent aber faul. Ende Juni 2024 durchsuchten die Ermittler die Wohnung des Tatverdächtigen. Im Verhör räumte er ein, die Medikamente ohne ärztliche Genehmigung verabreicht zu haben. Er habe sich in einer Grauzone bewegt, soll der Tatverdächtige zu Protokoll gegeben haben, dies sei aber stets toleriert worden. Auch hätten Patienten die Knöpfe ihrer Schmerzpumpen weitaus öfter gedrückt, als vorgeschrieben. In einem abgehörten Telefonat soll der Angeklagte seinem Bruder erklärt haben, dass die Mediziner morgens nach der Schicht die falschen Dokumentationen über die Verwendung der Arzneien problemlos abgezeichnet hätten.
Der Fall könnte noch größere Dimensionen annehmen, die Ermittlungen laufen weiter. Die Staatsanwaltschaft Aachen untersucht nach eigenen Angaben weitere Todesfälle in Krankenhäusern, in denen der Angeklagte früher tätig war. Inzwischen untersuchen die Strafverfolger auch mögliche Taten des Pflegers aus seiner Zeit im Klinikum Merheim zwischen 2014 und 2020. (mit dpa)