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Nach tödlicher Attacke in OberhausenNeue Details im Fall des erstochenen Basketball-Jugendnationalspielers aus der Ukraine

Lesezeit 4 Minuten
Nordrhein-Westfalen, Oberhausen: Die "Gießpfanne mit Skulptur" (Ateliers Stark / 2006) steht auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes in Oberhausen.

Der Vorplatz des Hauptbahnhofes in Oberhausen, wo ein Streit unter Jugendlichen eskalierte und einem 17-jährigen Basketballer aus der Ukraine den Tod brachte.

Die womögliche Tatwaffe wurde gefunden und auch eine Kronzeugin könnte weiter Aufschluss über die Gewalteskalation geben.

Volodymyr Yermakov flüchtete vor dem Krieg in seiner ukrainischen Heimat; vor den Bombeneinschlägen und Drohnenattacken suchte er Schutz in Deutschland. Hier wähnte sich der 17-jährige Nachwuchsbasketballer sicher, hier träumte er von einer großen Sportlerkarriere. Bis zum Abend des 10. Februar, als das hoffnungsvolle Talent in Oberhausen von einem Jugendlichen erstochen wurde.

Artem Kozachenko, sein ein Jahr älterer Mannschaftskollege beim Düsseldorfer Zweitligisten Art Giants, überlebte die Attacke mit sechs Messerstichen schwerverletzt.

Neue Erkenntnisse zum Tatablauf

Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben neue Erkenntnisse zum Tatablauf erbracht. Offenbar wurde Volodymyr Yermakov Opfer eines zwei Jahre jüngeren Intensivtäters, der in wilder Raserei immer wieder zugestochen haben soll. Das tödliche Drama begann an jenem Abend gegen 20 Uhr. Yermakov hatte mit seinem Basketball-Kumpel und einer gleichaltrigen Freundin den Bus am Centro-Einkaufscenter in Oberhausen bestiegen, um den Heimweg nach Düsseldorf anzutreten.

Nach Informationen aus Ermittlerkreisen soll eine sieben- bis zehnköpfige Gruppe um den polizeibekannten Mehmet V. (Name geändert) die Sportler mit abwertenden Sprüchen provoziert haben. Zeugen bekundeten demnach später, dass die Ukrainer versuchten, dem Streit aus dem Weg zu gehen. Mehmet V. und seine Begleiter sollen aber weiter beleidigt und gepöbelt haben. Schließlich wollten sie wissen, ob die drei Fahrgäste Ukrainer seien. Die Frage wurde bejaht.

Der mutmaßliche Haupttäter verletzte auch zwei Jugendliche seiner Gruppe

An der Haltestelle Hauptbahnhof Oberhausen stiegen die beiden Basketballer und ihre Bekannte aus, um den Zug nach Düsseldorf zu nehmen. Mehmet V. und seine Gruppe folgten. Dann soll die Gewalt unmittelbar eskaliert sein. Einer der Sportler musste einen ersten Schlag einstecken. Dann sollen die Angreifer die ukrainischen Flüchtlinge eingekesselt haben. Eine Zeugin gab später zu Protokoll, dass sie dem Kreis entkommen konnte. Sie soll sich noch umgeblickt haben und sah demnach, wie der jugendliche Mob weiter auf ihre Opfer eingeprügelt haben sollen.

Der Deutsch-Türke Mehmet V. soll unterdessen begonnen haben, wie wild auf die Ukrainer einzustechen. Dabei verletzte er auch zwei Mitglieder seiner Gruppe, einen 14-jährigen Syrer und eine 13-jährige Deutsch-Libanesin. Ob die beiden attackiert wurden, weil sie die Bluttat verhindern wollten, ist noch unklar. Zwei Schwerverletzte sollen sich blutend aus dem Gewaltzentrum gelöst und gebrüllt haben, dass sie angestochen worden seien. Als Polizei und Rettungssanitäter eintrafen, flüchtete die Tätergruppe.

Raub, Körperverletzung, Drogen: Zwei mutmaßliche Täter sind einschlägig polizeibekannt

Eine Mordkommission in Essen hat die Ermittlungen aufgenommen. Videos aus den Überwachungskameras führten auf die Spur des mutmaßlichen Messerstechers Mehmet V. aus Gelsenkirchen sowie eines 14-jährigen Kumpanen aus Herne. Die beiden sind einschlägig polizeibekannt.

Bei Mehmet V. sind unter anderem schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung aktenkundig, bei seinem Kumpel ebenfalls Gewalt- und Drogendelikte bis hin zur räuberischen Erpressung. Bei den anderen Mitgliedern der Angreifer-Gruppe handelte es sich den bisherigen Erkenntnissen zufolge um deutsche und arabischstämmige Teenager im Alter zwischen 13 und 17 Jahren.

Der Jugendliche soll als einziger zugestochen haben

Mehmet V. befindet sich wegen mutmaßlichen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft. Nach bisherigen Ermittlungen soll der Jugendliche alleine zugestochen haben. Bei der Durchsuchung in seinem Zimmer fand sich ein Messer, bei dem nun mittels DNA-Abgleich überprüft wird, ob es sich um die Tatwaffe handelt.

Vieles kommt nun auch auf die Aussage einer Kronzeugin an. Die ukrainische Freundin der beiden Basketballer überlebte die Angriffe unbeschadet. Allerdings steht sie noch unter Schock und kann erst in den kommenden Tagen eingehend vernommen werden.

In einem Statement nahm der Club Art Giants mit bewegenden Worten Abschied von ihrem Nachwuchsspieler Volodymyr Yermakov: „Der erst 17-jährige Ukrainer war fester Bestandteil unserer NBBL-Mannschaft in der U19-Bundesliga, wurde für die U18-Nationalmannschaft nominiert und hat sogar ab und zu bei unseren Profis mittrainiert. Um dem Krieg in seinem Geburtsland zu entkommen, zog es ihn im Juli 2023 nach Düsseldorf, wo er seine neue Heimat gefunden hatte. Volodymyr war bei Trainern, Mitspielern und Freunden sehr beliebt. In Erinnerung bleibt ein junger Mensch, dessen Alltag durch pure Lebensfreude und sportlichen Ehrgeiz geprägt war.“

Der schwer verletzte Begleiter des Opfers, Artem Kozachenko, schwebt Polizeiangaben zufolge nicht mehr in Lebensgefahr. Ukrainische Medien hatten nach dem Vorfall den Verdacht in den Raum gestellt, dass der Jungnationalspieler aus rassistischen Motiven sterben musste. „Nach umfangreichen Zeugenvernehmungen und Auswertungen von Beweismitteln gibt es derzeit allerdings keine konkreten Hinweise auf eine fremdenfeindlich motivierte Tat“, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. „Aktuell deutet alles auf eine spontane Gewalteskalation des 15-jährigen Haupttäters hin“, hieß es. Mehmet V. schweigt bisher zu den Tatvorwürfen.