Ein Unternehmen macht aus Leichen Erde – in Schleswig-Holstein ist das erlaubt, in NRW noch verboten.
Neue Form der BeerdigungLand NRW lehnt Kompostierung von Leichen ab – noch
Erde zu Erde: Mikroorganismen zersetzen eine Leiche in 40 Tagen (teilweise) zu Humus, aus dem auf einem Friedhof neues Leben gedeihen soll. „Reerdigung“ nennt sich diese Bestattungsform, die inzwischen in Schleswig-Holstein testweise erlaubt ist. Nordrhein-Westfalen lehnt das noch ab. Im Landtag kommt nun aber Bewegung in die Sache.
Im Gesundheitsausschuss soll es demnächst eine Sachverständigenanhörung geben – denn das aktuelle Bestattungsgesetz in NRW ist seit 2014 nicht mehr angefasst worden. Und die „Reerdigung“ wirft nur ein Schlaglicht auf die Debatte, die – da waren sich die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss einig – viele Menschen bewegt.
Immer wieder landen Anfragen zu Beerdigungen beim NRW-Gesundheitsministerium
So berichtete auch das Gesundheitsministerium, dass es immer wieder Anfragen gebe: „Zum Beispiel zur Möglichkeit der Beerdigung in einem Sarg aus Pilzmyzel oder zur Möglichkeit der Beerdigung unter dem Apfelbaum im eigenen Garten, zur Bestattung im Rhein, zur Resomation, zur Möglichkeit der sarglosen Bestattung für Nicht-Muslime sowie zur Zulässigkeit, ein paar Gramm menschlicher Asche in den Weltraum zu schicken.“
2021 kam eine Lobby-Agentur im Auftrag eines Berliner Start-ups mit einer ganz neuen Anfrage auf das Gesundheitsministerium zu: Die Firma „Meine Erde“ hatte die Idee der „Reerdigung“ aus den USA importiert. Nach Angaben des Unternehmens wird die Leiche in einer Art Kokon „auf ein Bett aus Stroh und Grünschnitt“ gelegt. „Durch die Zugabe der pflanzlichen Materialien kann der menschliche Körper wieder zu Erde werden.“
Uni Leipzig bestätigt, dass die Methode funktioniert
Da Knochen sich so schnell nicht zersetzen, werden sie mit dem entstandenen Humus gemahlen. „So entsteht feinrieselige Erde“, wirbt das Berliner Unternehmen. Und: „Nach der Einbringung auf einem Friedhof der Wahl kann die Grabstelle direkt mit einem Baum oder Blumen bepflanzt werden.“
Das Rechtsmedizinische Institut der Uni Leipzig begleitete die ersten „Reerdigungen“ wissenschaftlich. In einem Artikel für ein Fachmagazin schreiben die Forscher: „Die Erdproben weisen neben den Knochen mikro- sowie makroskopisch keine Spuren von humanem Weichgewebe auf. Das Resultat spricht dafür, dass innerhalb von 40 Tagen die Umwandlung zu Erde stattfindet.“
Landesregierung hält Überarbeitung des Bestattungsgesetzes für nicht angebracht
Diese Art der Beerdigung schien der Landesregierung dann aber doch zu krass. Mit Verweis auf das besagte Bestattungsgesetz (BestG) wurde das Ansinnen des Berliner Unternehmens abgewiesen. Aus Sicht der Regierung wird es keine „Reerdigungen“ in NRW geben.
So heißt es dem aktuellen Bericht für den Gesundheitsausschuss: „Ein Bedarf in der Bevölkerung für die Zulassung von neuen Bestattungsformen wird seitens der Landesregierung nicht gesehen. Die Landesregierung hält insgesamt eine Überarbeitung und Änderung des BestG NRW aktuell nicht für angebracht.“
Im Ausschuss meldeten sich am Mittwoch SPD, FDP, Grüne und CDU zu dem Bericht der Regierung zu Wort – und alle waren sich ungewöhnlich einig: Es soll eine Sachverständigen-Anhörung zum Thema Bestattungsrecht geben. Denn ganz so einfach sei es doch nicht. Der SPD-Abgeordnete Thorsten Klute berichtete zum Beispiel, dass man einen Sarg nicht über der Urne des Ehepartners bestatten darf – umgekehrt ginge das aber schon.
In Schleswig-Holstein wurde das Gesetz geändert
Was die „Reerdigung“ angeht, wird das zweijährige Pilotprojekt in Schleswig-Holstein nun fortgeführt. Dafür wurde das Bestattungsgesetz angepasst. Die Änderung hatten alle Fraktionen im Landtag einstimmig beschlossen. Pablo Metz, Geschäftsführer von „Meine Erde“, würde sich von NRW mehr Offenheit wünschen: „Es würde ja fürs erste reichen, wenn man in Schleswig-Holstein reerdigte Menschen in ihrer nordrhein-westfälischen Heimat bestatten dürfte.“
Tatsächlich ist es inzwischen weit verbreitet, Angehörige in den Niederlanden feuerbestatten zu lassen und die Urne dann in NRW beizusetzen. Mit den sterblichen Überresten als „Erde“ geht das nicht. Metz hat nach eigenen Angaben schon Kontakt zu vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen, die sich reerdigen lassen möchten – und zu Lebzeiten schon bei Abgeordneten dafür werben.
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Einer davon ist Manfred Lötgering aus Sassenberg bei Warendorf. Der 73-Jährige sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich stelle es mir schön vor, in relativ kurzer Zeit zu verwesen und so wieder in den Kreislauf der Natur zu gelangen.“ Lötgering freut sich, dass der Landtag sich mit dem Thema befasst: „Man sollte den Menschen Möglichkeit geben, sich zu Lebzeiten für eine Bestattungsform zu entscheiden.“