Ein „grundlegendes Umdenken“ im Umgang mit Wölfen sei notwendig, fordern Landwirtschaftsverbände. Die Hintergründe zur neuen Regelung.
NRW-LandesregierungAbschuss problematischer Wölfe soll bald möglich sein

Immer mehr Nutztiere werden auch in NRW von Wölfen gerissen.
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Die NRW-Landesregierung positioniert sich für das Vorhaben im Koalitionsvertrag, problematische Wölfe zukünftig abschießen zu lassen. „Steigende Wolfspopulationen und Tierrisse stellen für unsere so wichtige Weidetierhaltung ein ernsthaftes Problem dar und machen deshalb neben dem Herdenschutz ein funktionierendes, regionales Bestandsmanagement unerlässlich“, heißt es aus dem nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium. Hierzu müsse „sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene der richtige rechtliche Rahmen gesetzt werden“. Deshalb begrüße das Ministerium, „wenn wichtige Weichen gestellt werden, um zu einer effektiven Regulierung von Wolfsbeständen in Deutschland zu kommen“.
Diese Weichen plant die Koalition von CDU und SPD im Bund jetzt zu stellen. „Wir unterstützen den Herdenschutz und setzen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie unverzüglich in nationales Recht um“, heißt es im Koalitionsvertrag. Mit den notwendigen Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes, durch die der Wolf „umgehend ins Jagdrecht“ aufgenommen werden soll, werde „für eine rechtssichere Entnahme“ problematischer Tiere gesorgt.
84 Wolfangriffe und 273 getötete oder verletzte Nutztiere
Auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer steht dem Vorhaben positiv gegenüber. Den Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu ändern halte er für sinnvoll, sagte der Grünen-Politiker auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es sei „wichtig, dass schnell klare Regelungen getroffen werden, um die rechtssicherere Entnahme von Einzeltieren“ zu ermöglichen. „Das wird helfen, die Weidetiere zu schützen“, so Krischer.
Immer mehr Wölfe kommen seit 2016 nach NRW, wodurch die Probleme mit den Tieren ebenfalls größer werden. Gerissenes Nutzvieh ist längst keine Seltenheit mehr. Alleine seit Anfang des Jahres gab es 22 Wolfssichtungen und 16 gemeldete Nutztier-Risse, die größtenteils aber noch anhand von an den Tatorten gesicherten DNA-Spuren untersucht werden.
Verband fordert, Wölfe auch bei einer drohenden Überpopulation zu bejagen
Eindeutiger sind zahlreiche Meldungen aus dem vergangenen Jahr. In den ersten beiden Novemberwochen wurden zwölf Fälle registriert. In Euskirchen starb eine Ziege, zwei Schafe wurden schwerverletzt, im Rhein-Sieg-Kreis gab es ein totes und ein verschwundenes Lamm und in Herscheid nach zwei Angriffen sieben tote und acht verletze Schafe. Insgesamt hat das „Landesamt für Natur, Umwelt und Klima“ (Lanuk) im vergangenen Jahr 84 Angriffe registriert, bei denen 273 Nutztiere getötet oder verletzt wurden. 2023 gab es 53 bestätigte Wolfsangriffe, 2022 waren es 49 und 2021 nur 47.

Eine Überwachungsaufnahme zeigte im letzten Jahr, wie die Wölfin Gloria über einen Schafschutz-Zaun springt - der aufgrund seiner Höhe eigentlich Wölfe fernhalten sollte.
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Ein „grundlegendes Umdenken“ im Umgang mit Wölfen sei deshalb notwendig, meinen der Rheinische und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband. Nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualität der Angriffe habe „eine neue Dimension erreicht“, erklärte eine Sprecherin des Rheinischen Verbands. Zunehmend würden auch größere Tiere wie Rinder attackiert.
Bundesweit gibt es 1601 registrierte „Wolfsindividuen“
Der Wolf sei nicht mehr in seinem Bestand gefährdet. Die Herabstufung des Schutzstatus laut Koalitionsvertrag sei deshalb „grundsätzlich zu begrüßen“. Neben der Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht ist aus Sicht des Verbands aber entscheidend, „wie die Herabsetzung des Schutzstatus im Bundesnaturschutzgesetz konkret umgesetzt wird“. Dazu bedürfe es aus Sicht des Berufsstandes „neben einer schnellen und unbürokratischen Entnahme auffälliger Einzelwölfe auch eines aktiven Bestandsmanagements“. Sprich: Auch unauffällige Tiere sollen geschossen werden, wenn in einem Gebiet eine Überpopulation festgestellt wird.
Laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) gibt es deutschlandweit 1601 registrierte „Wolfsindividuen“, in NRW gibt es acht Territorien mit mindestens 14 Tieren. Im Umkreis von etwa 100 Kilometern zu Köln wären dies der Großraum Schermbeck, das Märkische Sauerland, das Oberbergische Land sowie zwei belgische Wolfsrudel, die auch durch die NRW-Territorien „Hohes Venn“ und „Eifel-Hohes Venn“ streifen. In Köln gab es bisher vier Wolfsnachweise. Es handelte sich jedoch ausschließlich um Tiere, die auf der Durchreise waren.
Wölfin Gloria springt locker 1,80 Meter hoch
Einige Umweltschützer sowie Land- und Forstwirte gehen landesweit von weitaus höheren Zahlen aus. „Die offiziellen Zahlen stimmen doch sowieso nicht, die hängen unendlich hinterher“, sagte unlängst der nordrhein-westfälische Landwirt und Jäger Jochen Peters. Allein im Bereich Schermbeck/Westmünsterland, wo er seinen Hof betreibt, gebe es etwa zehn Wölfe.
Die durch die Medien bekannt gewordene Wölfin Gloria war von einer Nachtsichtkamera gefilmt worden, als sie den Schafschutzzaun des Landwirtes übersprang und einige Tiere gerissen hatte. Der eigens für solche Attacke aufgestellte stromführende Zaun ist 1,45 Meter hoch. Lediglich 1,20 Meter wären nötig gewesen, um Fördergeld aus Landesmitteln zu bekommen.
„Wir wollten auf Nummer sicher gehen“, erklärte Peters frustriert die Zusatzinvestition von 30.000 Euro. Wie die Videoaufnahmen zeigen, ist Gloria jedoch locker 1,80 Meter hoch über das Hindernis gesprungen. Wenn die Wolfspopulation weiterwachse, werde in zwei bis drei Jahren die Nahrung für die Tiere in der Region knapp, sagte Peters. Das Rotwild sei jetzt schon deutlich dezimiert. „Und nach Schafen und Pferden sind irgendwann auch unsere Kühe dran.“