Manche Politiker wollen durch Fachbegriffe und Chiffren ihre Kompetenz demonstrieren. Dennis Sonne, Abgeordneter der Grünen im NRW-Landtag, setzt dazu jetzt einen Kontrapunkt.
Premiere im NRW-LandtagInklusions-Experte hält erste Rede in Leichter Sprache
Wenn es um Barrierefreiheit geht, denken viele Menschen an eine rollstuhlgerechte Umgebung. Leicht wird vergessen, dass es gerade für Menschen mit mentalen Behinderungen eine ganz andere Barriere gibt: Sie verstehen unsere oft unnötig komplizierte Sprache nicht. Wenn Politiker reden, werden oft Chiffren verwendet, die nur Insider verstehen. Dennis Sonne, Sprecher für Inklusion bei den Grünen, will für das Thema jetzt Aufmerksamkeit schaffen. „Ich werde die erste Rede im Landtag in Leichter Sprache halten“, sagt der Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Die Premiere ist für Donnerstag geplant. In dieser Woche wollen CDU und Grüne im NRW-Parlament einen Antrag zum Thema Eingliederungshilfe auf den Weg bringen. „Wir wollen damit ein klares Zeichen dafür setzen, dass die Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein zentrales Anliegen unserer Politik ist und bleibt“, erklärt Marco Schmitz, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU. Die Drucksache ist drei Seiten lang, und wer mit dem Thema noch nie zu tun hatte, wird nicht ohne Weiteres verstehen, welches Problem konkret behoben werden soll. In Leichter Sprache begreift man sofort, worum es geht.
„Die Eingliederungshilfe unterstützt Menschen mit Behinderungen, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können“, erläutert der Politiker. Heißt, um arbeiten oder in die Schule gehen zu können, die Möglichkeit zu haben, ein Museum zu besuchen oder Freunde zu treffen. „2017 hat der Bund das Bundesteilhabegesetz gemacht. Kurz: BTHG. Darin steht: Menschen mit Behinderungen sollen Hilfe bekommen. Aber die Städte und Gemeinden haben dafür zu wenig Geld. Wir, Grüne und CDU fordern: Der Bund soll mehr Geld geben. Statt fünf Milliarden Euro im Jahr soll es zehn Milliarden Euro geben.“
So zusammengefasst versteht jeder die Ausgangslage. Dann wird Sonne etwas konkreter: „Menschen mit Behinderungen sollen ein gutes Leben haben. Wir wollen, dass sie nicht in Armut leben müssen. Wir wollen, dass sie mehr Geld in der Werkstatt verdienen und wir wollen, dass sie leichter auf den ersten Arbeitsmarkt kommen können. Wir wollen, dass alle Menschen in Wohnungen leben können, eigenständig und selbstbestimmt. Dafür brauchen wir: Mehr Geld und leichte Informationen.“
Text-Beispiele für die Übersetzung in Leichte Sprache
SchwerGerade in der Weiterentwicklung der Landesrahmenverträge besteht aktuell die Sorge, dass bei Beibehaltung des Status quo der derzeitigen Verwaltungsstrukturen nicht alle Ressourcen direkt den Betroffenen zugutekommen können.
LeichtDas Geld soll direkt bei den Menschen mit Behinderungen ankommen.
SchwerJede fachliche Weitereinwicklung der Eingliederungshilfe muss dabei zwingend auch die schon heute bestehenden erheblichen finanziellen Herausforderungen für die Leistungsträger und die gesamte kommunale Familie berücksichtigen.
LeichtDie Hilfe für Menschen mit Behinderungen braucht viele Mitarbeiter sowie viel Unterstützung. Das kostet immer mehr Geld. Die Städte und Gemeinden können das allein nicht mehr schaffen. Deshalb muss der Bund helfen.
SchwerDas BTHG will die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen gerade auch dadurch stärken, indem es die Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Wohnen erweitert hat.
LeichtWir wollen, dass alle Menschen in Wohnungen leben können, eigenständig und selbstbestimmt.
Paradox: Die Beantragung der Eingliederungshilfe ist so komplex, dass die Betroffenen oft keine Chance haben, die Unterstützung zu erhalten. Gefördert werden zum Beispiel Mehraufwendungen, die entstehen, wenn PKW mit einem Rollstuhllift ausgestattet werden. Bezahlt werden nicht nur einmalige Leistungen, sondern auch dauerhafte Ausgaben, etwa wenn Eltern für ein Kind mit Behinderungen eine Schulassistenz beantragen. In NRW entscheiden die Landschaftsverbände über die Bewilligungen. „Die Antworten gibt es leider nicht in leichter Sprache. Das ist ein Problem“, sagt Sonne.
Immer wieder ein Thema: „Die schwierige Kommunikation mit Ämtern und Behörden“
Sonne macht seit 2022 für die Grünen im Landtag Politik. Nach einem Unfall sitzt er im Rollstuhl. Immer wieder lädt er Gruppen von Menschen mit Behinderungen in den Landtag ein, lässt sich Probleme schildern. „Die schwierige Kommunikation mit Ämtern und Behörden ist dabei regelmäßig ein wichtiges Thema“, sagt er. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass Vorgänge absichtlich kompliziert gehalten werden, um Ansprüche abzubügeln.“
Experten schätzen, dass in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen davon profitieren würden, wenn Texte in Leichte Sprache übersetzt würden. „Das hilft ja nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern zum Beispiel auch Senioren oder Menschen mit Migrationshintergrund. Inzwischen gibt es Apps, die Texte mit künstlicher Intelligenz in Leichte Sprache übertragen“, sagte Sonne. Der Landtag habe dafür eigens Mitarbeiter fortgebildet. „Es ist aber noch viel zu tun. Am Ende kann Politik nur erfolgreich sein, wenn sie verstanden wird. Das sollte uns ein Ansporn sein.“