Riesiges Öko-Puzzle: Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant mehr als 10.000 Maßnahmen zum Gewässerschutz
NRW-Top-TenDie Bachforelle ist der am weitesten verbreitete Fisch
Die Bachforelle ist der Fisch, der am weitesten in den nordrhein-westfälischen Fließgewässern verbreitet ist. Auf dem zweiten Platz liegt die Schmerle, gefolgt von Groppe, Stichl, Aal, Rotauge und Barsch. Das ist einer Liste des „Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz“ (Lanuv) zu entnehmen. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Behörde ihre nahezu flächendeckend durchgeführten Erhebungen zusammengeführt und eine Top-Ten-Liste erstellt.
Bezüglich der Anzahl der Exemplare indes liegt die Elritze vorne, die bei der Verbreitung nur den neunten Platz belegt. Die Tiere kommen in NRW vermehrt lediglich in den mittleren bis großen Flüssen der Mittelgebirge vor. In der Regel sechs bis acht Zentimeter lang, wurde der karpfenfischartige Wasserbewohner in den letzten zehn Jahren mit knapp 1,6 Millionen Exemplaren bei den regelmäßig stattfindenden Monitoring-Programmen in NRW nachgewiesen.
60 Fischarten leben in NRW
Insgesamt leben derzeit 60 Fischarten in NRW-Gewässern. 42 davon sind heimisch, existierten dort also nachweisbar vor dem Jahr 1492. „Die übrigen Arten haben sich nur mithilfe des Menschen hier ansiedeln können - zum Beispiel, um sie als Speisefische nutzen zu können“, erläutert Lanuv-Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia. Dazu gehöre etwa der Zander, ein Raubfisch, der erstmals 1890 in die Gewässer Nordrhein-Westfalens ausgesetzt worden sei. Von den ehemals 45 heimischen Arten seien 14 akut bedroht oder bereits ausgestorben, weitere sechs stünden auf der Vorwarnliste.
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Um die Lebensräume der Tiere zu verbessern, hat die Landesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. „Damit unsere Gewässer wieder zu vitalen Lebensadern werden“, seien für den Zeitraum von 2022 bis 2027 mehr als 10.000 Projekte vorgesehen, sagt der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die lange Industriegeschichte ging oft zulasten der heimischen Gewässer, sei es durch Verschmutzung, Begradigung oder Verbau“, so der Minister. Viele Flüsse und Bäche hätten dadurch ihre „natürliche Gewässerdynamik oder auch ihre begleitenden Auenwälder als Lebensraum für Tiere und Pflanzen verloren“.
Ein gigantisches landesweites Umwelt-Puzzle ist es, mit dem die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden sollen. Auch im Großraum Köln gebe es zahlreiche Projekte, die bereits laufen oder deren Umsetzung unmittelbar bevorstehe, so der Minister. Ein Teil der Sisyphusarbeit ist etwa die Renaturierung der Erft nahe der Gymnicher Mühle, mit der Anfang 2024 begonnen werden soll. Etwa zwei Jahre wird es dauern, bis der Fluss in seinem neuen Bett fließt. Er wird dann nicht mehr schnurgerade und befestigt sein, sondern sich durch eine Auenlandschaft schlängeln. Danach soll der Erftflutkanal zwischen Kerpen und Bedburg, durch den das Wasser bisher geflossen ist, auf 2,5 Kilometern mit Erde gefüllt werden.
Kemperbach, Erftauen, Sülz oder die Bröl: Auch im Großraum Köln werden Flüsse und Bäche renaturisiert
In den Euskirchener Erftauen ist man schon weiter. Seit Sommer vergangen Jahres verläuft der Fluss dort wieder naturnah in großen Schleifen. Und im Juni dieses Jahres wurde in Rösrath eine Wehranlage in der Sülz zurückgebaut. Die Fische können diese Stelle jetzt passieren. Forellen beispielsweise sollen dort, wie früher, wieder laichen. Um die dafür notwendigen Nischen anzubieten, wurde ein Kiesbett in die Flusssohle eingebracht.
Die Bröl bei Nümbrecht im oberbergischen Kreis soll auf zahlreichen Flusskilometern wieder zum Lachsgebiet werden. Um die Wasserqualität zu verbessern, gibt es gleich ein ganzes Maßnahmenbündel: So werden die dortigen Landwirte bei der Düngung ihrer Felder beraten. Eine Reihe von Einleitungen in das teilweise schon wieder renaturierte Flussbett wurden ausfindig gemacht und umgeleitet, durch im Strom platzierte Findlinge und Gehölzen wurden unter andere Ruheräume für Mikroorganismen eingerichtet, an den Ufern sollen Erlen und Weiden gepflanzt werden, um für Schatten zu sorgen.
Auch beim etwa drei Kilometer langen Kemperbach im Kölner Stadtteil Dellbrück wurden heimische Gewächse in das Bachbett eingesetzt, um mit den dadurch erreichten unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten Areale für Kleinstlebewesen zu schaffen. Entlang des Baches soll das Ufer mithilfe der Stadtentwässerungsbetriebe Köln einen bis zu 20 Meter breiten Randstreifen bekommen, auf dem keinerlei Nutzung wie etwa durch die Landwirtschaft mehr erlaubt ist. Und bei Friesheimer im Rhein-Erft-Kreis geht es um einen 300 Meter langen Abschnitt des Rotbachs. Seit Mitte August wird das Flüsschen aus seinem alten Bett befreit, denn das verläuft nicht in natürlichen Windungen, sondern schnurgerade.
Ökologischer Gewässerumbau ist immer auch Hochwasser-Vorsorge
Auch hier zeigt sich, dass Umweltschutz auch Hochwasservorsorge ist. Vor zwei Jahren ist der Bach über die Ufer getreten und hat in Friesheim schwere Zerstörungen angerichtet. Die etwa anderthalb Hektar große Aue soll nun so gestaltet werden, dass sie nicht nur neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen schafft, sondern auch Hochwasser aufnehmen kann.
Die kleinteilige ökologische Entwicklung „der Gewässer, ihrer Ufer und Auen und die Verbesserung der Wasserqualität in NRW“ seien „ein längerer, aber alternativloser Weg“, so Minister Krischer. „Intakte Gewässer mit naturnahen Uferzonen sind wichtig für viele heimische Tier- und Pflanzenarten und gleichzeitig auch wichtige Elemente der Klimaanpassung und des natürlichen Hochwasserschutzes.“