Seit Jahren geht es dem Wald in NRW nicht gut, das zeigt der neue Waldbericht – welche Sorgen und Hoffnungen regionale Forstämter damit verbinden.
Sorge um KäferbefallWie der Wald in NRW leidet – und warum die Eiche besonders betroffen ist
„Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden“ – und der Wald in Nordrhein-Westfalen erst recht nicht, sagt Jörg Fillmann. Er ist kommissarischer Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft, mit einer Waldfläche von 60.000 Hektar das zweitgrößte Gebiet des Landes. Was Fillmann meint: Im Forstbetrieb ticken die Uhren langsam, zumindest langsamer, als einige es sich wünschen.
Nachdem NRW-Forstministerin Silke Gorißen (CDU) am Montag den Waldzustandsbericht für das Jahr 2024 vorstellte, meldeten sich die Oppositionsparteien zu Wort. Die Wiederbewaldung dauere zu lange, so der Tenor von SPD und FDP. „Es ist nicht akzeptabel, dass in einer so kritischen Phase des Klimawandels der Umbau zu stabilen Mischwäldern nur schleppend vorankommt“, sagte etwa Dietmar Brockes, Umweltsprecher der FDP-Landtagsfraktion. Die Sozialdemokraten prangerten indes an, dass Ministerin Gorißen schlicht den Mangel verwalte. „Bei vielen zentralen Baumarten wie der Eiche geht der Zustand weiter bergab“, kritisierte SPD-Mann René Schneider.
Dass es gerade der Eiche, genauso wie der Buche schlecht gehe, das beobachtet auch Jörg Fillmann. Ein Blick in die Kronen der regionalen Wälder sei besorgniserregend. Das Blätterdach werde immer lichter – ein Indiz dafür, wie schlecht es um die Gesundheit der Bäume Nordrhein-Westfalens und die des Kölner Umlands bestellt ist.
Dem Wald in NRW geht es weiterhin nicht gut
Die von Silke Gorißen vorgestellten Zahlen bestätigen Fillmanns Sorgen. Der Wald hat sich demnach auch 2024 weiterhin nicht von den Auswirkungen der vorausgegangenen Dürre- und Hitzejahre erholt. „Das zweite Jahr in Folge mit viel Regen und entsprechend guter Wasserversorgung hat sich nicht in dem erhofften Maß in einer Verbesserung der Vitalität der Waldbäume niedergeschlagen“, sagte Gorißen.
Fast drei von vier Bäumen im Bestand sind lichter als sie sein sollten. Genauer, 27 Prozent der Bäume recken 2024 eine Krone ohne Verlichtungen in den Himmel, sind also intakt. Das sind immerhin zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Der Trend seit 1984 und die Worte der Forstministerin machen daher deutlich: „Um die Vitalität unserer Bäume ist es weiterhin nicht gut bestellt.“ Oder wie Fillmann es kommentiert: „Dann machen die Bäume irgendwann die Biege und sterben ab.“
Trotzdem sprach Gorißen auch von guten Nachrichten: Waldbrände hätten in diesem Jahr keine Rolle gespielt und: „Die Massenvermehrung der Fichten-Borkenkäfer ist in diesem Jahr gestoppt“, heißt es im Vorwort des Zustandsberichts. Man müsse aber trotzdem wachsam bezüglich der verbliebenen Fichtenbestände bleiben. Die Buche stagniere indes auf einem hohen Schadniveau, nur jede Fünfte weist hier eine dichte Baumkrone auf.
Vermehrung von Borkenkäfern gestoppt – aber Sorge vor Eichenprachtkäfer wächst
Zum Sorgenkind mausere sich außerdem die Eiche. Schon 2023 hatten nur noch sieben Prozent der Bäume keine verlichtete Krone, 2024 sind es nur noch sechs Prozent. Das Blätterdach dieser Bäume sei am meisten in Mitleidenschaft gezogen, eine Folge der Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre, so die Expertinnen und Experten.
Angst mache den Waldbesitzenden in der Region auch der Eichenprachtkäfer, erzählt Jörg Fillmann. „Da gehen alle Alarmglocken an“, so der kommissarische Forstamtsleiter. Er hoffe, dass der Schädling nicht zum „Borkenkäfer 2.0“ werde.
Denn eigentlich habe sich die Stimmung in der Region Rhein-Sieg-Erft nach dem Borkenkäfer-Frust langsam wieder verbessert. Die Wiederbewaldung schreite durch aktive Bepflanzung oder Naturverjüngung im für den Wald typischen Tempo voran, sagt Fillmann.
Auch für ganz NRW zieht Silke Gorißen in dieser Hinsicht eine positive Bilanz. Fast die Hälfte (46 Prozent) der Flächen sei auf einem guten Weg.
Neben der Wiederbewaldung sei auch der Waldumbau hin zu standortgerechten Mischbeständen mit mehreren Baumarten ein Ziel. „Die Wälder müssen bunter und vielfältiger werden. Sie werden anders aussehen in der Zukunft, als sie heute aussehen“, sagte Gorißen. Ein Paradebeispiel liefert etwa der Kölner Königsforst, der zu einem klimastabilen Mischwald aufgeforstet wird.
Die neue Aufgabe – forstliche Portfolioerweiterung statt Käferbeseitigung – motiviere insbesondere seine jüngeren Mitarbeitenden, so Fillmann. „Ob wir damit gegen die Klimaveränderung ankommen, wissen wir nicht.“ Doch der Wille, auf mittlere Sicht den Anforderungen an einen klimastabilen Wald gerecht zu werden, sei immerhin da.