Die Klüngel-Vorwürfe gegen Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) belasten die schwarz-grüne Landesregierung. Nun hat sich die Duz-Freundin, die im Zentrum der Justiz-Affäre steht, erstmals öffentlich zu den Vorwürfen geäußert.
OVG-AffäreDuz-Freundin von Grünen-Minister Limbach teilt gegen Mitbewerber aus
Katharina J. wirkt angespannt, als sie im Zeugenstand Platz nimmt. Sie zupft ihr rotes Jackett zurecht, blickt nervös in die Runde. Lange hat sie sich auf diesen Termin vorbereitet, ihr Auftritt wurde mit Spannung erwartet. J. ist die „Duz-Freundin“ von NRW-Justizminister Benjamin Limbach.
Ein privates Abendessen, bei dem es um die Besetzung des Chefpostens beim Oberverwaltungsgericht in NRW ging, war der Auslöser für massive Klüngelvorwürfe gegen den NRW-Minister und hatte zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geführt. Dort soll sich J. nun zu den Vorwürfen äußern. Gerät die Befragung zum Befreiungsschlag für Limbach? Oder kann die Opposition in weiter in die Enge treiben?
Katharina J. liest ein rund 20-minütiges Eingangsstatement vom Blatt ab. Sie ist offenbar froh, sich endlich selbst öffentlich zu den Vorwürfen äußern zu können. „Ich will nicht verhehlen, dass es mir nicht immer leicht gefallen ist, das, was über meine Person geschrieben und gesagt wurde, unkommentiert zu lassen“, sagt die Zeugin. Sie sei „niemandes Duz-Freundin und erst recht niemandes Favoritin“. Sie sei nicht mit Limbach „befreundet, sondern lediglich bekannt.“
Katharina J. traf Limbach 2022 zufällig am Bahnsteig wieder
J., die derzeit eine Leitungsfunktion im Düsseldorfer Innenministerium ausübt, beschreibt zunächst, wie sie Limbach als Kollegen in den 90er Jahren beim Verwaltungsgericht in Köln kennengelernt hatte. Dort hätten sich die Proberichter „einmal die Woche zu einer Kaffeerunde“ getroffen. Natürlich hätten sich dort alle geduzt, „wie das ja wohl üblich ist unter jungen Kollegen“. Daraus habe sich aber keine private Freundschaft ergeben. „Wir haben uns nie zu privaten Anlässen wie Geburtstagen, Hochzeiten, oder Taufen eingeladen und uns auch nie mit unseren Ehepartnern getroffen.“
Ende Mai 2022 habe sie Limbach dann das erste Mal seit längerer Zeit zufällig auf dem Bahnsteig in Bonn wieder getroffen. Damals habe sie schon im Innenministerium gearbeitet, Limbach sei Präsident der Hochschule des Bundes für Verwaltung in Brühl gewesen. „Wir verabredeten ein Telefonat, um zu erzählen, wie es uns in den jeweils neuen Aufgaben ergangen war“, so J. Bei dem Telefongespräch sei dann das Abendessen „auf Vorschlag von Herrn Limbach vereinbart“ worden, „bevor einer von uns beiden wusste, dass er bald Justizminister sein würde“, so Katharina J..
Bei diesem Abendessen habe das Thema OVG-Besetzung „nur einen relativ geringen Raum eingenommen“. Sie habe Limbach von ihrem potenziellen Interesse an der Präsidentenstelle berichtet und ihn gefragt, „ob eine Bewerbung im Prinzip noch möglich sei oder ob die Sache im Verfahren schon zu weit gediehen“ sei. „Ich habe Herrn Limbach nicht um Bevorzugung gebeten, er hat mich nicht aufgefordert oder ermuntert mich zu bewerben“, so Katharina J..
Mitbewerber habe J. um ein gutes Wort bei Reul gebeten
Gleichwohl geriet sie nach dem Abendessen im Bewerbungsverfahren auf die Überholspur. Die Opposition hat den Verdacht, dass sich CDU und Grüne nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Gründen auf J. festgelegt hatten, weil man sich eine Frau an der Spitze des OVG wünschte. Solche Spekulationen werden auch durch den Umstand genährt, dass auch der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), mit dem Vorgang befasst war.
J. ist keine Grüne, sie besitzt das CDU-Parteibuch. Ihre Bewerbung habe „nichts, aber auch gar nichts“ mit Sympathien für Limbach oder dessen Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) zu tun. Auch Limbachs Ministerium schont sie nicht vor Kritik: Äußerungen des Justizministeriums, sie habe sich wegen des Ausscheidens vom Biesenbach beworben, seien „schlicht falsch“: „Ich habe so etwas nie gesagt und nie gedacht.“
Auch gegen einen Mitwerber um die Präsidentenstelle teilt Katharina J. aus: Sie spricht über einen Vorgang, der den Bundesrichter G., mit dem sie früher gemeinsam in einer Volleyballmannschaft gespielt habe und der auch als Proberichter Kollege beim Verwaltungsgericht in Köln war, in ein fragwürdiges Licht rückt. Bevor J. in das Rennen um den OVG-Posten einstieg, habe G. sie gebeten, bei Reul, mit dem sie offenbar gut könne, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Sie habe Reul aber nicht angesprochen, weil sie das Vorgehen von G. für unangemessen gehalten habe.
„Sieg!“, schrieb der Abteilungleiter an J.
In der Vernehmung gerät die Zeugin dann doch noch in die Defensive. Dem Ausschuss werden Akten präsentiert, die darauf schließen lassen, dass es im Vorfeld der Besetzungsentscheidung einen Austausch zwischen J. und den zuständigen Personalverantwortlichen im Justizministerium gab.
Interne E-Mails erwecken den Eindruck, dass J. das Justizministerium im Rechtsstreit gegen den Bundesrichter G. beraten hat. Der hatte gegen seine Nichtberücksichtigung geklagt, zunächst ohne Erfolg. Insgesamt lassen sich zehn Fälle dokumentieren, in denen es einen intensiven Austausch zum Gerichtsverfahren gab.
Auf eine mögliche Allianz zwischen J. und dem Justizministerium deutet auch eine Mail vom 1. März 2024 hin. Absender ist der Leiter der Zentralabteilung des Justizministeriums, Empfängerin ist Katharina J.. Darin kommentiert der Abteilungsleiter die Niederlage von G. vor Gericht. Die Nachricht enthält nur ein Wort: „Sieg!“.
Die Zeugenvernehmung dauert fast drei Stunden. CDU und Grüne erklären im Anschluss, die Bewerberin habe „eindrucksvoll die Gelegenheit genutzt, viele Lügen und Halbwahrheiten richtigzustellen“. Werner Pfeil (FDP) sieht das anders: „Die E-Mail mit dem Wortlaut ‚Sieg!‘ ist ein klarer Hinweis darauf, dass die gebotene Objektivität zugunsten einer Bewerberin massiv infrage gestellt wurde.“