NRW-Justizminister Benjamin Limbach steht in der OVG-Affäre unter Druck. Ein Experte wirft dem Justizministerium neue Fehler bei der Durchführung des Auswahlverfahrens vor.
Top-Beurteilung „wie ein ungeprüftes Fertigprodukt“Neues Gutachten untermauert Klüngelvorwürfe in der OVG-Affäre
Die Zeugenvernehmung wird mit Spannung erwartet. Nächste Woche tritt die Duz-Freundin von NRW-Justizminister Benjamin Limbach im Untersuchungsausschuss auf, der die Hintergründe der Affäre um die Besetzung des Chefpostens beim Oberverwaltungsgericht (OVG) aufklären soll. Katharina J. hatte sich dem Grünen-Politiker bei einem privaten Abendessen ihr Interesse an dem Top-Job signalisiert und war im Anschluss im Bewerbungsverfahren auf die Überholspur geraten. Gewährt die Zeugin Einblicke in Details, die Limbach weiter unter Druck setzen? „Transparenz, Wahrheit und Verantwortung sind bei ihrer Aussage unerlässlich“, sagt Nadja Lüders, Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss.
Die Opposition im Düsseldorfer Landtag wirft Limbach Vetternwirtschaft vor. „Was nicht passte, wurde passend gemacht“, ist sich Werner Pfeil, Obmann der FDP, sicher. Vor Weihnachten war herausgekommen, dass massive Rechtsfehler begangen wurden. So hatte Innenstaatssekretärin Daniela Lesmeister der Duz-Freundin, die derzeit als Abteilungsleiterin im NRW-Innenministerium tätig ist, eine Beurteilung mit Bestnoten ausgestellt, ohne – wie es vorgeschrieben gewesen wäre – auch ihren Amtsvorgänger um eine Einschätzung zu bitten.
SPD und FDP raten zu neuem Bewerbungsverfahren
Auf den Verfahrensfehler hatte ein Rechtsgutachten des früheren Verwaltungsrichters Jürgen Lorse hingewiesen, das die Opposition in Auftrag gegeben hat. Jetzt hat der Experte für dienstliche Beurteilungen ein weiteres Gutachten erstellt, das weitere Zweifel daran weckt, dass bei dem Besetzungsverfahren nach geltendem Recht gehandelt wurde. Diesmal geht es darum, wie das Justizministerium mit der Lesmeister-Beurteilung umgegangen ist. Experte Lorse behauptet, das Justizministerium sei verpflichtet gewesen, das Zeugnis einer eigenen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen, was aber offensichtlich nicht geschah. Die Top-Beurteilung sei „wie ein ungeprüftes Fertigprodukt“ und ohne Kenntnis „seines eigentlichen Inhalts“ in das Auswahlverfahren eingegangen, heißt es in dem Gutachten.
Ein Abteilungsleiter des Justizministeriums hatte in seiner Vernehmung betont, es sei verboten, Beurteilungen aus anderen Ministerien zu überprüfen. „Diese Behauptung wirkt wie ein Vorwand, um eigenen Versagen zu vertuschen“, sagt Werner Pfeil. SPD und FDP raten dem Justizminister dazu, das Bewerbungsverfahren neu aufzusetzen. „Wie viele Fehler müssen Herrn Limbach nach nachgewiesen werden, damit er persönliche Konsequenzen zieht? Er hat immer betont, alles sei nach Recht und Gesetz gegangen. Nichts davon ist wahr!“
Limbach: Gutachten solle politisches Ergebnis für Auftraggeber liefern
Das Justizministerium erklärte, die „Thesen des Gutachters“ seien „nicht überzeugend“. Es handele sich um „den durchsichtigen Versuch des Auftraggebers“, das Ministerium der Justiz „für einen Fehler an anderer Stelle“ verantwortlich zu machen. Das Gutachten diene allein dem Ziel, das vom Auftraggeber politisch gewünschte Ergebnis „vermeintlich juristisch zu untermauern“. Die von Lorse „konstruierten Pflichten“ seien in Rechtsprechung und Literatur „nicht anerkannt“.
Neben Katharina J. hatten sich zwei Spitzenjuristen um die Präsidentenstelle beworben, darunter ein Bundesrichter. J. hatte vor ihrem Wechsel ins NRW-Innenministerium neun Jahre lang als Lobbyistin der katholischen Kirche in Berlin gearbeitet. Limbach kannte sie, weil beide zeitgleich als am Düsseldorfer Verwaltungsgericht eingesetzt waren.
Anders als bislang angenommen, fand das fragliche Abendessen von J. und dem Minister nicht in Düsseldorf, sondern in Bonn statt. Das bestätigte ein Ministeriumssprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage. Sowohl die Bewerberin als auch Limbach wohnen in der Bundesstadt. Das Treffen war vereinbart worden, als J. ihrem Ex-Kollegen zu seiner Berufung zum NRW-Justizminister gratuliert hatte.