Der Justizkrimi um die Besetzung des Chefpostens beim Oberverwaltungsgericht geht in die nächste Runde. Die Opposition erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen den NRW-Justizminister.
OVG-AffäreHielt Justizminister Limbach brisante Aktenvermerke zurück?

Der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei einer Pressekonferenz.
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Nächste Woche soll NRW-Justizminister Benjamin Limbach im Düsseldorfer Landtag vor dem Untersuchungsausschuss zur sogenannten OVG-Affäre auftreten. SPD und Grüne setzen den Grünen-Politiker im Vorfeld jetzt mit neuen Vorwürfen unter Druck. Das NRW-Justizministerium soll dem Oberverwaltungsgericht in Münster wichtige Aktenvermerke vorenthalten haben. „Diese hätten sichtbar werden lassen, wie die Bewerbung von Limbachs Lieblingskandidatin für den Spitzenposten passend gemacht wurde“, sagt Nadja Lüders, Obfrau der SPD, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Duzfreundin des Ministers bekam den Vorzug
Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob bei der Besetzung des Chefpostens beim Oberverwaltungsgericht (OVG) geklüngelt wurde. Die Opposition wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, sie habe eine Abteilungsleiterin aus dem NRW-Innenministerium aus politischen Gründen auf den Spitzenposten hieven wollen, obwohl es zwei fachlich bessere Bewerber gab. Bei Katharina J. handelt es sich um eine frühere Richterkollegin und Duzfreundin des Ministers. J. hatte Limbach das Interesse an dem Posten bei einem privaten Abendessen in Bonn mitgeteilt – und war danach in dem Auswahlverfahren auf die Überholspur geraten.
Weil die unterlegenen Bewerber sich mit dem Votum für J. nicht abfinden wollten, kam es zu einem Konkurrentenstreitverfahren. Wie sich jetzt herausgestellt hat, wurden dem OVG dabei offenbar nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt. Es geht um Vermerke mit der Abkürzung „AdA“ – das steht für außerhalb der Akten. „Daraus geht hervor, dass es im Justizministerium zunächst erhebliche Bedenken wegen der Qualifikation von Frau J. gab. Die ursprüngliche Ablehnung verwandelte sich dann in eine Top-Bewertung“, so Lüders. „Ihre Verwaltungserfahrung wurde plötzlich höher bewertet als ihre Praxis in der Rechtsprechung. Dieser Sinneswandel ist in den Aktenvermerken klar dokumentiert.“
Justizministerium weist Vorwürfe zurück
Die Opposition hatte im Verlauf der Affäre mehrfach den Rücktritt des Justizministers gefordert. Das NRW-Justizministerium sagte unserer Zeitung auf Anfrage, bei den AdA-Vermerken handelt es sich um „rein interne Notizen, Entwürfe und Einschätzungen“, die nicht „zum Besetzungsvorgang zu nehmen“ seien und „daher auch nicht zum Verwaltungsvorgang“ gehörten. Den Gerichten seien die relevanten Verwaltungsvorgänge vollständig vorgelegt worden.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse seien anders als Gerichte politische Gremien, die wegen ihrer politischen Zielsetzung üblicherweise auch Daten anfordern würden, die über die im Gerichtsverfahren regelmäßig vorzulegenden Verwaltungsvorgänge hinausgehen, hieß es. „Dies sind zum Beispiel Entwürfe, Notizen, E-Mails und Telekommunikationsverbindungsdaten“, so der Sprecher. Auch AdA-Vermerke gehörten dazu.
Im konkreten Fall seien dem Oberverwaltungsgericht „dann später im Hinblick auf die sehr ungewöhnliche parallele Sachaufklärung“ im parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch die dem Ausschuss vorgelegten Unterlagen – also die AdA-Vermerke – übermittelt worden. Die Vorwürfe der Opposition seien daher „unrichtig“ und dienten „der Irreführung“.
Die nächste Zusammenkunft des U-Ausschusses kommende Woche dürfte zu einer Mammut-Sitzung werden. Die Vernehmung von Limbach beginnt um 14 Uhr, danach sollen noch Ex-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter und NRW-Innenminister Herbert Reul (beide CDU) befragt werden. Limbach hatte eine politische Einflussnahe stets abgestritten.
Der im Auswahlverfahren unterlegene Bundesrichter G. hatte in einer eidesstattlichen Versicherung und bei seiner Vernehmung im U-Ausschuss erklärt, ihm sei dazu geraten worden, seine Bewerbung zurückzuziehen. Ihm sei signalisiert worden, dass die Landesregierung sich eine Frau mit CDU-Parteibuch auf dem Chefposten wünsche – und die Entscheidung längst gefallen sei.