Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur umstrittenen Stellenbesetzung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) sagten am Dienstag die unterlegenen Bewerber aus.
OVG-AffäreMitbewerber um Spitzenposten bekräftigt schwere Vorwürfe gegen Limbach
Im Untersuchungsausschuss der OVG-Affäre hat ein unterlegener Mitbewerber NRW-Justizminister Benjamin Limbach schwer belastet und ihm vorgeworfen, nicht die Wahrheit zu sagen. Der Grünen-Politiker habe in einem persönlichen Gespräch versucht, ihn zu einer Rücknahme seiner Bewerbung zu bewegen, sagte Bundesverwaltungsrichter Carsten G.. Später habe Limbach falsche Angaben über das Gespräch gemacht.
Seit seiner Bewerbung um den Spitzenposten seien „viele ungewöhnliche, für mich unvorstellbare Dinge geschehen“, begann G. am Dienstagnachmittag sein Eingangsstatement im Landtag. Der Bundesrichter hatte geklagt, nachdem eine „Duz-Freundin“ von Limbach den Zuschlag für den OVG-Präsidentenposten erhalten hatte. Diese Entscheidung wurde nach G.s Ansicht nicht aus fachlichen, sondern politischen Gründen getroffen.
Die Stellenvergabe an die Konkurrentin Katharina J. habe ihm Ansgar Heveling 2022 am Telefon mitgeteilt, schilderte G.. Heveling ist Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In Koalitionskreisen wünsche man sich eine Frau an der Spitze des OVG, habe Heveling gesagt – am besten eine mit CDU-Parteibuch. Deshalb habe er G. nahegelegt, die Bewerbung zurückzuziehen.
G. habe daraufhin das Gespräch mit Justizminister Limbach gesucht. Dieser habe ihm mitgeteilt, Katharina J. habe gegenüber G. einen Vorsprung. Auch ein weiterer Mitbewerber würde im Ranking vor G. liegen. Heute wisse er, so G., dass die dienstliche Beurteilung von Katharina J. zu dem Zeitpunkt noch gar nicht vorlag.
Zeuge: Limbachs eidesstattliche Erklärung „objektiv falsch“
Limbach habe ihn zwar nicht wortwörtlich zum Aufgeben aufgefordert, aber es „durch die Blume“ getan: Eine Rücknahme der Bewerbung würde den Besetzungsprozess beschleunigen. Dann soll Limbach von einer Situation erzählt haben, in der er selbst eine Bewerbung zurückgenommen hätte und dies nie bereut habe. Das alles habe er nur so verstehen können, „dass der Minister mich zur Rücknahme der Bewerbung aufforderte“, sagte G.
Diesen Vorwurf hat der Justizminister in einer eidesstattlichen Erklärung bestritten. Im Ausschuss erklärte G. dazu: Limbachs Erklärung sei „objektiv falsch“.
Am Ende des Gesprächs soll Limbach G. vorgeschlagen haben, in der Sache mit dem Chef der Staatskanzlei, Nathanel Liminski (CDU), zu sprechen. Auch dies weicht von Limbachs Darstellung ab: Laut dem Justizminister habe G. selbst um das Gespräch mit Liminski gebeten.
Bei dem Gespräch in der Staatskanzlei, so G., habe Liminski dann „leicht zerknirscht“ bestätigt, dass man sich bei den Grünen eine Frau als OVG-Präsidentin wünsche. „Limbach sei erst vor ein paar Jahren zu den Grünen gekommen und müsse nun ‚liefern‘“, schilderte G. das Gespräch weiter. Gleichzeitig habe Liminski voll und ganz hinter der Entscheidung für Katharina J. gestanden.
Dem Vorwurf seiner Konkurrentin, er habe Katharina J. angerufen und sie um ein gutes Wort bei Innenminister Herbert Reul (CDU) gebeten, widersprach Carsten G.. Auf die Frage, ob er ihr und Limbach vorwerfe, unter Eid gelogen zu haben, sagte er: „Das ist nicht meine Wortwahl, aber die Wahrheit haben sie in manchen Punkten nicht gesagt.“ Die Auswahlentscheidung für den Spitzenposten sei nicht ordnungsgemäß verlaufen, sondern durch eine politische Vorfestlegung geprägt, sagte der Bundesrichter. Sie sei damit rechtswidrig. Limbachs Verhalten fördere Demokratieverdrossenheit und schade dem Ansehen der Justiz.
Ein Sprecher des Ministers teilte mit, der Zeuge habe seine „sehr subjektiven Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen geäußert, die zu den Aussagen anderer Zeugen in Widerspruch stehen.“
SPD fordert Limbach erneut zum Rücktritt auf
Nadja Lüders, Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss, bekräftigte am Dienstagnachmittag ihre Rücktrittsforderungen an Benjamin Limbach. „Seit Monaten versucht Justizminister Limbach mit allen Mitteln den Eindruck zu vermitteln, dass das Verfahren bei der Besetzung der Stelle korrekt gewesen sei“, so Lüders. Dieser Versuch sei nun endgültig gescheitert und „wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen“. Die Angaben des Ministers wurden demnach „reihenweise“ als falsch entlarvt. „Jetzt bleibt ihm nur ein letzter Schritt: Er muss seinen Hut nehmen!“
Am 25. März erreicht der Justiz-Krimi voraussichtlich seinen Höhepunkt: Dann muss sich der Minister selbst als Zeuge im Ausschuss den Fragen der Abgeordneten stellen.