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Limbach-AffäreIm OVG-Streit bringt ein neues Dokument den NRW-Justizminister in die Bredouille

Lesezeit 4 Minuten
Münster: An der Außenfassade steht auf einem Schild der Schriftzug: «Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen».

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hatte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) jüngst in Sachen OVG-Präsidentenamt Recht gegeben. Damit scheint die Sache aber noch nicht abgeschlossen.

Die eidesstattliche Versicherung eines Mitbewerbers um den hohen Justiz-Posten, der Richter am Bundesverwaltungsgericht ist, bringt neue Details zu dem umstrittenen Besetzungsvorgang.

Der Fall schien bereits klar zu sein. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hatte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) Anfang März in einer heiklen Frage recht gegeben. Der 1. Senat winkte Limbachs Favoritin für das OVG-Präsidentenamt durch: Die umstrittene Kandidatenkür zugunsten der Ministerialdirigentin aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium war rechtens. Die zuständigen Gremien und der Justizminister hätten korrekt gehandelt – und mit Katharina J. die Beste aus dem Vierer-Kandidaten-Feld ausgewählt.

Limbach stand bis dahin erheblich unter Druck. Die Opposition warf dem Minister vor, eine Ex-Kollegin auf den Chefposten hieven zu wollen – obwohl es Zweifel an J.s Eignung gab. Diese hatte in den vergangenen Jahren in der NRW-Justiz keine Rolle gespielt, sondern war Chef-Lobbyistin der Deutschen Bischofskonferenz.

Nach dem OVG-Urteil hoffte man bei den Grünen, dass die Limbach-Krise mit dem Urteil beendet wäre. Sie könnte trügerisch sein. Denn aus der eidesstattlichen Versicherung des Mitbewerbers Carsten C., der Richter am Bundesverwaltungsgericht ist, gehen neue pikante Details hervor. Zuerst hatte die „Westdeutsche Allgemeine-Zeitung“ berichtet.

Bewerbung von Wunschkandidatin angeblich doch protegiert

Demnach soll Minister Limbach in der seit Monaten schwelenden Besetzungsaffäre wichtige Einzelheiten in seinen Aussagen im Rechtsausschuss des Landtags ausgelassen haben. Laut der Erklärung durch den Bundesrichter G. soll die Landesregierung die Bewerbung der Wunschkandidatin Katharina J. protegiert haben, was bislang bestritten wurde.

Düsseldorf: NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne, l) steht neben Werner Pfeil (FDP) vor der Sondersitzung Rechtsausschuss im Landtag.

Laut der Erklärung soll Minister Limbach (l.) in der seit Monaten schwelenden Besetzungsaffäre wichtige Einzelheiten in seinen Aussagen im Rechtsausschuss des Landtags ausgelassen haben.

Die eidesstattliche Erklärung liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Ihr zufolge erhielt der Bundesverwaltungsrichter im September 2022 einen Anruf des CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling. Der Unions-Politiker vom Niederrhein soll dem Richter zu verstehen gegeben haben, dass Koalitionskreise in Düsseldorf eine Frau als OVG-Präsidentin favorisierten. Dies sei ein Wunsch der Grünen gewesen. Die Unionsseite sei insoweit zufrieden, als die Kandidatin über ein CDU-Parteibuch verfüge. „Der Wunsch der Koalition sei es deswegen, dass ich und ein weiterer Bewerber, ein Abteilungsleiter aus dem Justizministerium“, freiwillig verzichteten, so G..

CDU-Abgeordneter Ansgar Heveling bestätigt G.s Darstellung

Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte Heveling, sich in die Causa eingeschaltet zu haben. „Als Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bin ich für Justizpersonalangelegenheiten zuständig, an denen auch die Länder mitwirken“, so Heveling. „Ich bin daher immer wieder auch im Austausch mit dem Chef der Staatskanzlei NRW. In einem Gespräch mit ihm haben wir über die öffentlich bekannte lang andauernde Vakanz im Amt des OVG-Präsidenten gesprochen und ich habe angeboten, mich mit dem Bewerber, der als Bundesrichter tätig ist, über das OVG NRW auszutauschen.“ Die referierten Gesprächsinhalte mit dem Bundesrichter bestätigte der Parlamentarier.

Der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), hatte zwar persönliche Unterredungen mit OVG-Bewerbern bestätigt, aber stets beteuert, keinen Einfluss auf das Auswahlverfahren genommen zu haben. Daran bestehen nun erhebliche Zweifel. Denn nicht nur Limbach, auch Liminski soll Carsten G. nach einem persönlichen Gespräch zur Rücknahme der Bewerbung gedrängt und eine entsprechende Kompensation für den Verzicht in Aussicht gestellt haben. Beide hätten in der „Einschätzung der Bewerbersituation“ übereingestimmt.

Justizminister Limbach hat der Darstellung der Abläufe aus der Eidesstattlichen Versicherung auf Anfrage nicht widersprochen. Vielmehr verwies seine Sprecherin auf den OVG-Beschluss, der Limbachs Personalentscheidung bestätigt. Demnach glaubte das OVG den Angaben Limbachs, dass er „zu keinem Zeitpunkt“ einem Konkurrenten gegenüber geäußert habe, dass es eine bessere Bewerbung gebe.

Politik darf bei Bestenauswahl keine Rolle spielen

Üblicherweise wird die Entscheidung über Personalien von der Zentralabteilung des Justizministeriums vorbereitet, wobei Eignung, Leistung und Befähigung der Kandidaten in eine Reihenfolge gebracht werden. Politische Befindlichkeiten dürfen bei der Bestenauswahl keine Rolle spielen.

Bundesrichter G. steht jetzt noch eine Chance offen: Er kann bis zum 15. März einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Dann müsste Karlsruhe prüfen, ob in dem Bewerbungsverfahren das Recht auf den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern verletzt worden ist. Sollte sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Vorgang befassen, müsste die Einsetzung von Katharina J. bis zu einer endgültigen Entscheidung verschoben werden.

Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es kämen „immer mehr Sachverhalte ans Licht, die gänzlich unbekannt" gewesen seien: „Das Besetzungsverfahren hat längst eine politische Dimension, und die scheint immer größer zu werden.“