Beim Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Ratingen schilderte ein Brandgutachter, wie er den Tatort vorfand, nachdem das Feuer gelöscht war. Dem Angeklagten wird neunfacher Mord vorgeworfen.
Prozess gegen mutmaßlichen Attentäter von RatingenExplosion erreichte kurzzeitig Temperaturen von bis zu 1000 Grad
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter des Brandanschlags in Ratingen vom 11. Mai sagte am Mittwoch ein Brandgutachter aus, der noch am Tag der Explosion den Tatort besichtigt hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 57-jährigen Ratinger neunfachen versuchten Mord, schwere Körperverletzung und Brandstiftung vor.
Nachdem die Feuerwehr den Brand im 10. Stock des Hochhauses gelöscht hatte, habe er die Wohnung betreten können, berichtet Christoph Winter. Was er dort sah, protokollierte er auf mehreren Fotos: Sie zeigen die verbrannten Überreste von Diele, „Kinderzimmer“, Küche und Schlafzimmer. Nahezu überall hatte der Angeklagte Frank P. Getränkekistenstapel aufgestellt - selbst im Badezimmer, das vom Feuer größtenteils verschont wurde.
Temperaturen von bis zu 1000 Grad
In der Wohnung habe es überall nach Kraftstoff gerochen, sagte Winter. Der Brandmittelspürhund sei wegen des starken Geruchs völlig überfordert gewesen. „Der ist in eine Szene gekommen wie auf einer Tankstelle.“
Bei der Entzündung, so Winter, seien kurzfristig Temperaturen von bis zu 1000 Grad erreicht worden, esonders Hals und Gesicht der Einsatzkräfte waren Flammen und Wärme ausgesetzt. Das Feuer sei eindeutig durch eine offene Flamme entzündet worden; Winter vermutet, dass der Angeklagte ein Textilstück in Petroleum oder Benzin tränkte, auf ein Bügel hängte und anzündete. So sei auch zu erklären, wieso der Angeklagte selbst nahezu unverletzt blieb.
In der Diele habe Winter die verbrannten, zusammengeschweißten Überreste eines roten Zehn-Liter-Eimers gefunden. Der Gutachter schätzt, dass der Angeklagte ihn mit vier bis sechs Litern Benzin gefüllt hatte. Als die Polizisten die Wohnung betraten, schüttete er das Benzin offenbar aus eineinhalb Meter Entfernung auf die am schwersten verletzte Polizistin. Auch auf der verbrannten Kleidung der Rettungskräfte, die zum Tatzeitpunkt im Laubengang standen, hätte man Kraftstoff nachweisen können.
Videos können aus technischen Gründen nicht gezeigt werden
Die Einsatzkräfte hatten gegen das Feuer keine Chance, so Winter. Grund dafür sei auch die Bauart des Hauses: Der Wohnungseingang liegt am Ende des Laubengangs, in einer Art Tunnel. Dazu stapelten sich auch vor der Wohnung Getränkekisten und verengten den Weg. „Die Flamme hatte nur einen Ausgang“, sagt Winter. „Die ersten vier Meter haben sich Flamme und Einsatzkräfte geteilt.“
Durch den Brand in der Diele konnte der Angeklagte sich nicht mehr in der Wohnung aufhalten. Im Gerichtssaal wurde ein Ausschnitt eines Fernsehbeitrages gezeigt, auf dem Frank P., ganz in Weiß gekleidet, auf seinem Balkon auf und ab geht, während Rauch aus der Balkontür qualmt. Auf dem Nachbarbalkon machte sich eine Gruppe SEK-Beamter bereit. Frank P. zeigte ihnen den Mittelfinger. Auch am zweiten Prozesstag schwieg der Angeklagte, er schien die Verhandlung nur mit schwachem Interesse zu verfolgen.
Eigentlich sollten an diesem zweiten Verhandlungstag weitere Videos aus den Bodycams der zwei schwer verletzten Polizisten gezeigt werden. Aus technischen Gründen war dies jedoch nicht möglich - die weiteren Verhandlungen wurden auf den dritten Prozesstag vertagt.
Bei dem Brandanschlag in dem Ratinger Hochhaus wurden am 11. Mai dieses Jahres zwei Polizisten, vier Feuerwehrleute, zwei Rettungssanitäter und ein Notarzt zum Teil lebensgefährlich verletzt. Die Nachbarn hatten die Polizei wegen eines überquellenden Briefkastens gerufen. Als die Einsatzkräfte die Tür öffneten und die beiden Polizisten die Wohnung betraten, schüttete Frank P. nach bisherigem Erkenntnisstand Benzin über die junge Polizistin und löste eine Explosion aus.