In einem zehnstöckigen Hochhaus in Ratingen geraten Einsatzkräfte in eine Katastrophe. Eine Spurensuche am Tag nach der grausamen Tat.
Nach Feuer-Angriff in Ratinger HochhausIm Treppenhaus liegen die geschmolzenen Reste der Polizeiuniform
Nach dem Großeinsatz der Polizei am Donnerstag ist in dem Hochhaus in Ratingen noch immer keine Ruhe eingekehrt. Vor dem Treppenhaus stehen am Freitag Polizisten, in den Laubengängen räumen Bewohner das Chaos des Vortages auf, vor der verrußten Wohnung von Paul F. (Name geändert) stehen keine SEK-Beamten mehr, sondern Polizisten der Spurensicherung. „Die Kollegen untersuchen die Wohnung nach Brandspuren. Sie wollen wissen, welche Brandmittel eingesetzt wurden“, sagt Diane Dulischewski, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörden Mettmann. Auch ein Brandmittelspürhund und ein Sprengstoffspürhund sind im Einsatz. „Die Untersuchungen dienen dazu, die Hintergründe und Motive der Tat aufzuklären.“
Die Spuren der Tat sind deutlich zu sehen
Im Treppenhaus sind die Spuren der Tat noch deutlich zu sehen: Unförmige Klumpen am Boden, die einmal zu der durch die Hitze geschmolzenen Polizeiuniformen gehörten, schwarze Fußspuren, Ruß an den Wänden, wo die Einsatzkräfte bei ihrer Flucht nach draußen vorbeischrammten. In den oberen Etagen sind die meisten Türen eingetreten, die Wände vor F.s Wohnung sind schwarz vor Ruß. Handwerker tragen bereits erste Holzbalken in die schwer beschädigten Nachbarwohnungen. Der Laubengang zur Täterwohnung im zehnten Stock ist schmal, teilweise durch Getränkekisten noch weiter verengt und vor der Wohnungstür überdacht. Als Paul F. die Einsatzkräfte direkt an der Tür mit einer brennenden Flüssigkeit angriff, hatten sie keine Chance. Über das Treppenhaus flüchten sie zehn Stockwerke hinunter ins Freie.
Unter der Täterwohnung kehren Nachbarn die Scherben vor ihrer Wohnungstür weg. Am Donnerstag um kurz nach 11 Uhr habe sie einen lauten Knall gehört und Feuer gesehen, erzählt eine Nachbarin. „Da habe ich mir meine Papiere genommen und bin direkt rausgerannt.“ Im Treppenhaus löschte sie mit der Gießkanne einer Anwohnerin die Glut der geschmolzenen Uniformen. Ihre Wohnung ist momentan nicht bewohnbar; Durch die Löscharbeiten löst sich die Tapete von der Decke, noch immer riecht es in der ganzen Wohnung nach kaltem Rauch.
Die mutmaßlich schon sei längerem tote Mutter von Paul F., der neun Einsatzkräfte mit einer brennbaren Flüssigkeit teilweise schwer verletzt hatte, sei sehr schwierig gewesen, sagt die Nachbarin, sie erzählt von Nachbarstreitigkeiten. Weil sie monatelang weder dem 56-Jährigen noch seiner Mutter begegnet sei, habe sie sich gewundert. „Ich dachte erst, er hat sie in ein Pflegeheim gebracht und ist weggezogen. Aber sein Auto stand noch da.“ Als sie bei Nachbarn nachfragte, zeigten diese sich auch verwundert, sagten aber, sie würden aus der Wohnung noch immer Schritte hören.
Mit Paul F. habe sie kaum gesprochen, sagt die Nachbarin. „Wir haben nur Guten Tag und Auf Wiedersehen gesagt.“ Auch eine weitere Anwohnerin meint, man habe den Mann nur vom Sehen gekannt, wenn er von der Arbeit nach Hause kam oder seine Mutter in eine Pflegeeinrichtung fuhr. „Ich dachte, das ist ein liebender Sohn, der sich um seine Mutter kümmert“, sagt sie. „Nie hätte ich gedacht, dass er zu so etwas fähig ist.“
Nachbarin: „Die haben doch nur ihre Arbeit getan“
Auf dem Balkon des Nachbarhauses steht Katharina Minin und raucht. Sie sei am Donnerstag zum Tatzeitpunkt mit ihrer Nachbarin auf ihrem Balkon gewesen, erzählt sie wenige Minuten später in ihrer Küche. „Dann hörten wir plötzlich diesen Knall.“ Kurz darauf seien die Einsatzkräfte aus dem Hochhaus herausgerannt, die Kleidung durch das Feuer zum Teil zerfetzt. Eine junge Polizistin habe noch immer gebrannt, als sie im Beet vor dem Haus zusammenbrach.
Minin schrie, ein Feuerwehrmann brüllte ihr zu: „Wählen Sie den Notruf!“. Der Mann in der Notrufzentrale habe anfangs gar nicht verstanden, was los sei. „Ich habe so geweint, das werde ich in meinem Leben nicht vergessen.“ Minin warf den Beamten Wasserflaschen zu, die sie, obwohl selbst schwerst verletzt, über ihre Kollegin schütteten. Ein ebenfalls schwer verletzter Notarzt versorgte sie, bis die Rettungskräfte eintragen. Beide Polizeibeamte seien schon vorher im Haus im Einsatz gewesen „so nette junge Leute.“ Sie schüttelt den Kopf. „Die haben doch nur ihre Arbeit getan.“