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Schleuser-Affäre
Wie der Deal mit dem Kölner Großbordell Pascha lief

Lesezeit 6 Minuten
Autos stehen während einer vor dem Bordell: Die Staatsanwaltschaft hatte das Kölner Pascha im August  beschlagnahmt. Hintergrund sind Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Schleuserbande. Nun wird wegen Geldwäsche-Verdachts ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft hatte das Kölner Bordell Pascha im August beschlagnahmt. Hintergrund sind Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Schleuserbande. Nun wird wegen Geldwäsche-Verdachts ermittelt.

Eine Pekinger Investorin aus der Glücksspiel-Branche, ein verschachteltes Firmengeflecht, eingefrorene Millionen in Hongkong: Hinter den Kulissen des Pascha-Verkaufs.

„Oh nein“, sagt Claus Brockhaus, der Kauf des Kölner Großbordells Pascha im Dezember 2021 sei doch eine vom „Migrationsgeschäft losgelöste Geschichte“ gewesen. Der Rechtsanwalt mit Kanzlei in Frechen, einer der Hauptbeschuldigten bei den „Edelschleuser-Ermittlungen“, äußerte sich bei seiner Vernehmung durch Bundespolizei und Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Mai 2024 umfassend.

Hunderte wohlhabende Migranten, in erster Linie aus China, soll er als einer der mutmaßlichen Köpfe einer Schleuserbande nach Deutschland gelotst haben. Teilweise mit gefälschten Unterlagen, mit fingierten Anschriften und Arbeitsverträgen – und gegen eine „Gebühr“ von bis zu 350.000 Euro. Der Bordellkauf aber sei nur ein Zusatzgeschäft gewesen, das sich eher zufällig ergeben habe, sagt Brockhaus beim Verhör, in dem er auch Details des Deals verrät.

Staatsanwaltschaft beschlagnahmte das Bordell

Die Beschlagahme der Immobilie durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat zuletzt bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Was genau hinter der Maßnahme steckt, wollten die Ermittler nicht sagen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber konnte interne Unterlagen und Handelsregister-Einträge einsehen und hat mit Beteiligten gesprochen. Eine Pekinger Investorin aus der Glücksspiel-Branche, ein verschachteltes Firmengeflecht, eingefrorene Millionen in Hongkong und angebliche chinesische Spione – die Geschichte des Pascha-Verkaufs ist ebenso kompliziert wie erstaunlich.

Zunächst einmal aber: Der mutmaßliche Schleuserchef irrt sich. Der Bordell-Kauf kann nicht losgelöst von den vermutlich zu Unrecht in Deutschland eingereisten Migranten betrachtet werden. So nämlich steht es im Beschlagnahmebeschluss vom 25. Juli dieses Jahres. Auch dieses Behördenpapier konnte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen. Zumindest ein Teil der Kauf- und Sanierungsgelder für das Pascha, genau gesagt 1.269.008 Euro, stamme aus dem Geld, dass die Migranten für die Vermittlung einer Aufenthaltserlaubnis bezahlt hätten, heißt es dort. Und deshalb müsse der Deal selbstverständlich auch im Kontext mit den Schleusungen gesehen werden.

Das Eros-Center, dass die Stadt sich wünschte

Das Bordell im Stadtteil Neuehrenfeld existiert seit 1972. Gebaut wurde das Hochhaus mit pinker Fassade, das früher schlichtweg „Eros-Center“ hieß, sogar „auf Wunsch und Anregung“ der Stadt Köln. Die wollte den Straßenstrich in der Innenstadt loswerden. In der Kleinen Brinkgasse arbeiteten früher etwa 100 Prostituierte, die in Fenstern standen oder sich im Freien präsentierten. Bis heute ist das Gebäude mit mehr als 120 Zimmern je 13 Quadratmetern das größte Bordell in Europa. Und bis zum Corona-Lockdown 2020 florierte das Geschäft. Im Oktober des Jahres 2020 musste das Pascha nach fünf Monaten Zwangsschließung die Insolvenz anmelden. Der damalige Besitzer, ein Immobilienunternehmer aus Nürnberg, wollte verkaufen.

Das habe er über einen Mittelsmann erfahren, so Brockhaus. Ob das denn nicht ein Investment für die Chinesen sein könnte, sei er gefragt worden. In einem Exposé mit den wichtigsten Daten zur Immobilie wurde ein Kaufpreis von elf Millionen Euro aufgerufen.

Das Pascha gehört jetzt einer 46-jährigen Chinesin

Eine Zeitlang war es nach Ansicht der Ermittler die Masche der Schleuser, Scheinmigranten in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung zu besorgen, indem zu einer Investition auch noch die rechtlich notwendige Arbeitstätigkeit im Bundesgebiet vorgetäuscht wurde – beispielweise in der Geschäftsführung des eigenen Unternehmens. Das Pascha wäre vermutlich geeignet gewesen für solch ein Vorhaben. Doch die Interessenten, die ein mutmaßlicher Schleuser-Komplize schon nach zehn Tagen ins Spiel brachte, wollten anscheinend gar nicht nach Deutschland emigrieren. Die Familie H. aus China, die in Macao bereits im Glücksspielbereich „und anderen Etablissements“ tätig sein soll, habe lediglich in der Bundesrepublik investieren wollen, berichtete Brockhaus den Ermittlern.

Der Kölner Anwalt jedenfalls fand sofort Gefallen an dem Deal. Frau H., laut Passkopie 46 Jahre alt, geboren und wohnhaft in Peking, bevollmächtigte ihn, den Kauf rechtlich abzuwickeln. Ein ebenfalls verdächtiger Kollege handelte als weiterer Bevollmächtigter der chinesischen Geschäftsfrau mit dem Vorbesitzer den Preis aus. Viel gefeilscht wurde offenbar nicht. Denn es blieb bei den im Exposé geforderten elf Millionen Euro, wovon eine Million als „Reservierungsgebühr“ für den Deal überwiesen wurde. Die fehlenden zehn Millionen sollten nach dem Notartermin fließen. Da aber gab es ein Problem: Nachdem die ersten fünf Millionen angekommen waren, passierte nichts mehr. Das restliche Geld sei damals in Hongkong eingefroren worden, berichtete Brockhaus im Polizeiverhör. Warum dies geschehen sei, wisse er nicht.

Käuferin wollte nicht nach Deutschland ziehen

In der Not hatte der mutmaßliche Schleuser-Chef eine rettende Idee. Wegen der ohnehin schon guten Kontakte zur Volksbank Köln-Bonn habe er sich an einen Vorstand des Kreditinstitutes gewandt. Zu seiner Überraschung habe dieser das „Projekt Pascha“ gut gekannt. Im Foyer des Gebäudes stünden zwei Geldautomaten, die deutschlandweit zu den bestlaufenden Ausgabestellen gehören, weil dort jeden Tag Bargeld mit Fremd-Kreditkarten abgehoben würde, habe der Banker erzählt. Innerhalb von drei Wochen habe die Volksbank den Kredit in Höhe von fünf Millionen Euro dann genehmigt, so Brockhaus. Das Geldinstitut äußert sich nicht zu dem Geschäft. Man sei an das Bankgeheimnis gebunden, hieß es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Der renovierte Tabledance-Bereich des Bordells.

Der renovierte Tabledance-Bereich des Bordells.

Mit dem Geld der Kölner Banker jedenfalls konnte der Deal dann abgeschlossen werden. Womöglich um die Geldflüsse oder Eigentümer-Verhältnisse zu verschleiern, wurde für das Bordell zuvor ein kompliziertes Firmengeflecht entworfen. Die Gebäude und die Freifläche an der Hornstraße waren laut Grundbuch im Januar 2021 in das Eigentum der Firma „HS Grund und Boden GmbH“ übergegangen. Als zweites gab es dann noch die „HS Rechte und Verwertung GmbH“, die die Namensrechte am Pascha besaß und dafür eine monatliche Gebühr kassierte. Beide Gesellschaften gehörten der Kölner „Golden Horn Holding GmbH“, bei der wiederum Frau H. hundert Prozent der Anteile hielt.

Ein kompliziertes Firmengeflecht für das Bordell

Und zu guter Letzt war da noch die Kölner „WIE2-Company“, die dem derzeitigen Pascha-Geschäftsführer Andre Wienstroth gehörte. Die Firma ist laut Grundbuch für den „Betrieb eines Laufhauses … sowie eines Hotels mit eingebundenen Gastronomie- und Versorgungseinrichtungen“ zuständig, wofür monatliche Mietzahlungen fällig wurden.

Wienstroth, gegen den derzeit auch ermittelt wird, äußert sich nicht mehr. Er sei lediglich Mieter „und jetzt fliegt mir hier gefühlt alles unverschuldet um die Ohren“, hatte er im September dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt. Von „Menschenschleusungen oder solchen Dingen“ habe er nichts gewusst, geschweige denn, dass er „an Dergleichen beteiligt gewesen“ sei, ergänzte der „Pascha“-Geschäftsführer erbost. Auch kenne er die Eigentümerfamilie nicht. Brockhaus habe ihm gesagt, dass diese in ihrem Heimatland „ziemlich hoch angesehen ist und deswegen nicht in die Öffentlichkeit darf und wenn dort ein politischer Wechsel stattfinden sollte, vielleicht auch ganz schnell nach Deutschland kommen möchte und sich deswegen hier schon mal eine Grundlage schaffen möchte“, so Wienstroth.

„Top-Secret-Angebot“ für Spione

Das elfstöckige Freudenhaus jedenfalls wurde laut den Ermittlern mit weiterem Geld der chinesischen Investorin sowie „Schleuser-Erlösen“ aufwändig saniert. Im März 2022 wurde die Wiedereröffnung gefeiert. Die Arbeiten seien zu 70 Prozent abgeschlossen, der Rest werde im laufenden Betrieb erledigt, sagte Wienstroth damals. Im neunten Stock wurde ein Hotel statt Séparées untergebracht. Dort kostet ein Doppelzimmer inklusive Frühstück derzeit 199 Euro pro Nacht.

Auf abstruse Medienberichte, in der Unterkunft würden nach dem Eigentümerwechsel womöglich chinesische Spione beherbergt, reagierten die Verantwortlichen des Etablissement zuletzt amüsiert. In einem Video auf der eigenen Website wurde ein „Top-Secret-Angebot“ unterbreitet, bei dem Spione aber auch „normale Bürger*innen“ ein Übernachtungs-Rabatt inklusive „Agentenfrühstück“ erhalten konnten. Erstere sollten beim Einchecken einfach ihren Spionageausweis vorlegen, alle anderen würden den Rabatt aber auch „einfach so“ bekommen.

Am 31. Juli dieses Jahres hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf beantragt, das Gebäude zu beschlagnahmen. Es sei zu befürchten, dass die Beschuldigten „bei umfassenden Erkenntnissen“ über das Ermittlungsverfahren versuchen könnten, die Immobilie zu verkaufen oder mit Krediten zu belasten. Am 8. August wurde die Beschlagnahme ins Grundbuch eingetragen. Aktenzeichen: 52 Js 9/20.