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Autofahrer in NRW brauchen gute NervenViele Tunnel und Straßen schwächeln – Schwarz-Grün will 400 Brücken erneuern

Lesezeit 4 Minuten
Autos und Lkw stehen im morgendlichen Berufsverkehr auf der Autobahn A555 im Stau.

Keine guten Aussichten für Autofahrer nicht nur in der Umgebung von Köln, sondern im ganzen Land: Fast 40 Prozent der Fahrbahnen werden vom Landesbetrieb Straßen NRW als „sehr schlecht“ eingestuft. Eine Sanierungsoffensive soll Abhilfe schaffen, wird aber auch für Behinderungen sorgen.

Das Verkehrsinfarkt nach der Brückensperrung bei Lüdenscheid wirft ein Schlaglicht auf den maroden Zustand der Infrastruktur in NRW. Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hat jetzt eine Sanierungsoffensive angekündigt.

Der Zustand der Straßen in NRW hat sich weiter verschlechtert. 36,4 Prozent der Fahrbahnen werden vom Landesbetrieb Straßen NRW als „sehr schlecht“ eingestuft, das sind 1,6 Prozent mehr als bei der Erhebung zuvor. „Unsere Straßen, Brücken und Tunnelanlagen sind in die Jahre gekommen und vielerorts akut gefährdet“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer vor Journalisten in Düsseldorf. Der Grünen-Politiker kündigte eine Sanierungsoffensive an. In den nächsten zehn Jahren sollen rund 400 Brücken in NRW erneuert werden.

Die alarmierenden Daten hat das Land in einem Straßenzustandsbericht zusammengefasst. Was besagt die Diagnose im Detail? Was ist zu tun? Wir haben die wichtigsten Fragen, die Pendler jetzt interessieren, zusammengefasst.

Wieso ist die Verkehrsinfrastruktur so kaputt?

Die meisten Bauwerke wurden vor 50 Jahren gebaut. Damals wurde das Verkehrsaufkommen der Zukunft massiv unterschätzt. Die Lkw, die damals unterwegs waren, konnten nur viel geringere Lasten transportieren als heute. Über die Jahrzehnte haben sich die zulässigen maximalen Achslasten und Gesamtgewichte für schwere Lkw kontinuierlich erhöht.

„Gleichzeitig bestehen bei vielen Brücken strukturelle Mängel“, sagt Petra Beckefeld, Technische Direktorin des Landesbetriebs Straßen.NRW. In den Hoch-Zeiten des Brückenbaus von Anfang der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre sei in der Regel „sehr materialsparend“ gebaut worden. Daher seien die statischen Reserven gering. Laut Krischer ist mehr als ein Drittel der Straßen in NRW „in einem sanierungsbedürftigen Zustand“.

Was steht bei den Brücken an?

Im Bereich der Brücken sieht die Planung vor, bis 2034 rund 400 Bauwerke zu ersetzen. Im kommenden Jahr sollen 35 Brücken neu gebaut werden. Zusammen mit den schon vorhandenen Arbeiten sind dann 51 Brücken im Land im Bau. Dafür werden mehr als 160 Millionen Euro investiert.

Wie sollen die Baumaßnahmen beschleunigt werden?

Das Land setzt darauf, bei den Brücken vorgefertigte Bauteile einzusetzen. Diese sogenannten „Legobrücken“ sind an den Autobahnen in den Niederlanden vielfach zu sehen. Fertigbrücken sind angeblich belastbarer als Bauwerke, die vor Ort erstellt werden. Außerdem ist die Einbauzeit erheblich kürzer. Das ist auch ein Vorteil bei Brücken, die über Eisenbahngleise führen. Der Zugverkehr muss nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum unterbrochen werden.

Wie sieht es beim Zustand der Tunnel aus?

Auch die meisten der 39 Tunnel in NRW mit einer Gesamtröhrenlänge von rund 27 Kilometern sind in die Jahre gekommen. Insbesondere bei der Technik stehen Sanierungen an. Bei drei Tunneln besteht nach Ergebnissen der aktuellen Bauwerksprüfung ein erhöhtes Risiko dafür, dass marode Signalanlagen ausfallen könnten.

Die Bauwerke sind aber stabil, alle Tunnel gelten als sicher befahrbar. Damit das so bleibt, stehen laut Krischer erheblich Ausgabe an. Bis 2030 sollen allein rund 213 Millionen Euro in die Instandsetzung der Tunnel an Bundes- und Landesstraßen investiert werden. Die schlechteste Zustandsbewertung bekommt derzeit der Tunnel an der L 260 Adenauerallee in Aachen mit einer Note von 3,5.

Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) spricht während einer Pressekonferenz zur aktuellen Bauwerksprüfung von Straßen, Brücken und Tunnelanlagen.

Viele Straßen, Brücken und Tunnelanlagen in Nordrhein-Westfalen sind akut gefährdet. Das hat eine aktuelle Bauwerksprüfung ergeben, die Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) am Donnerstag vorstellte.

Wo kommen die Mittel für die Sanierung her und was ist konkret geplant?

Krischer setzt auf den Erhalt der bestehenden Infrastruktur, legt damit Neubauprojekte auf Eis – eine Priorisierung, die bei dem Koalitionspartner CDU nicht auf einhellige Zustimmung stößt. Die Grünen sehen das Geld für Neubauten besser in Sanierungen investiert. Straßen.NRW will neues Personal nur noch für Erhaltungsprojekte einstellen. Für 2023 sind Investitionen von 213,4 Millionen Euro für Erhaltungsmaßnahmen an Landesstraßen und Brücken vorgesehen.

Was bedeutet diese nun angekündigte Sanierungsoffensive für die Staulage?

NRW ist „Stauland“ Nummer eins. Laut ADAC gab es im vergangenen Jahr fast 160.000 Verkehrsstörungen. Autofahrer brauchen also gute Nerven. Denn wenn jetzt mehr gebaut wird, bedeutet das zwangsläufig zusätzliche Behinderungen.

Durch die Brückensanierungen können aber möglicherweise Vollsperrungen vermieden werden, die regelmäßig zu erheblichen Beeinträchtigungen in den betroffenen Regionen führen. Krischer sagte, es sei eine „gewaltige Herausforderung, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur zukunftsfest zu machen“.

Wer trägt die politische Verantwortung für die Misere?

Verkehrsminister Krischer nennt keine Namen. Erhaltungsinvestitionen wurden in den vergangenen Jahrzehnten von allen Landesregierungen vernachlässigt. Im Bericht heißt es, der Zustand der Straßen habe sich zwischen 2004 und 2011 stetig verschlechtert. In diesem Zeitraum waren sowohl CDU als auch SPD-Politiker für die Verkehrspolitik in NRW verantwortlich.