Glücklich gleichberechtigt leben, wie kann das gelingen? Wir haben Paare aus NRW gefragt und uns ihre persönlichen Tipps geholt. Hier erzählen Ilse und Wolfgang Wewer aus Köln.
Seit 56 Jahren ein PaarSo gelingt Ilse und Wolfgang Wewer aus Köln eine Beziehung auf Augenhöhe

Ilse und Wolfgang Wewer sind seit 56 Jahren ein Paar.
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Ilse und Wolfgang Wewer sind seit 56 Jahren ein Paar. Schon mit 21 Jahren, als Studenten, haben sie beschlossen: „Das bleibt jetzt so, wir gehen miteinander durch dick und dünn.“ Gemeinsam haben sie drei Kinder großgezogen (43 bis 48 Jahre), dazu auch einige Pflegekinder, mittlerweile haben sie acht Enkel (8 bis 23 Jahre). Sie waren beide fast immer in Teilzeit berufstätig. Die meisten Jahre im Schuldienst, wenn auch er viel experimentiert hat, unter anderem als Gemeindepfarrer, Lastwagenfahrer und ehrenamtlicher Schauspieler beim Schauspiel Köln. Heute sind sie beide pensioniert und leben in Köln.
Warum haben sie sich gegen die klassische Rollenaufteilung entschieden – er ist Vollzeit erwerbstätig, sie in Teilzeit und schmeißt nebenher Haushalt und Kinder?
„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Die klassischen Rollenmuster sind für unsere Begriffe mit diesem Grundsatz nicht zu vereinbaren“, sagt Wolfgang Wewer. Als die Kinder noch klein waren, drohten allerdings auch die Wewers ins klassische Muster zu rutschen. Sie hat immer mehr Aufgaben im Haushalt übernommen, er schien für das Geldverdienen zuständig. „Dabei hat meine Frau ihren Beruf immer sehr viel ernster genommen als ich.“
Schnell wurde klar: So geht das nicht weiter. Also setzten sich die beiden hin und teilten die Aufgaben bewusst und gerecht auf: Sie kocht, weil sie das seinen Worten zufolge „ausgezeichnet“ kann. Er räumt hinterher die Küche auf, macht die Wäsche und bügelt. „Da ist mir meine Frau nicht ordentlich genug.“ Auch ihren Kindern wollten die Wewers diese Aufteilung vorleben. „Das ist uns ganz gut gelungen, auch unsere Söhne arbeiten heute in Teilzeit und tragen ihren Teil zur Familienarbeit bei“, sagt Ilse Wewer.
Wären auch zwei Vollzeit-Tätigkeiten eine Option gewesen?
Für die Wewers eher nicht. Sie wollten Zeit haben für die Kinder, für sich und für das Ehrenamt. Umwelt, Frieden, Anti-Atom, Flüchtlinge, öffentlicher Nah- und Fernverkehr – für all das engagieren sich die Wewers trotz ihres Alters zum Teil noch heute. „Das Geld war manchmal sehr knapp. Besonders als die Kinder zeitweise im Ausland studierten, hatten wir schon manchmal Angst, dass irgendwann nichts mehr aus dem Automaten rauskommt“, sagt Ilse Wewer.
Andererseits: Glücklicher wäre die Familie mit mehr Geld auch nicht gewesen. „Selbst wenn man keine Kinder hat, würde ich Teilzeitarbeit empfehlen, wenn es irgendwie geht. Viele Leute kaufen von dem restlichen Gehalt ohnehin nur Autos oder große Einfamilienhäuser. Warum sollte man das tun? Sich engagieren oder meinetwegen auch ein Hobby wie Geige spielen halte ich da für weit sinnvoller.“
Worauf ist das Paar stolz?
Auf die Familie, die stabile Ehe. Wenn andere über die Belastung klagen, so betonen die Wewers eher die Kraftquelle, die eine solche Gemeinschaft für jeden Einzelnen bieten kann. „Wir haben Familie nie als Ort gesehen, der belastet. Für uns sind Familien im Gegenteil Orte der Stärke. Wir waren deshalb immer der Meinung, wir müssen die Türen öffnen für andere, die es nicht so gut haben wie wir“, sagt sie. Also traf man bei den Wewers auch immer mal wieder Austauschschüler, Assistenzlehrer, Flüchtlinge oder zumindest auf der Durchreise befindliche Niederländer aus dem Fahrradclub „Frienden op de fiets“.

Ilse und Wolfgang Wewer als junges Paar.
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Was hat nicht so gut geklappt?
In der Rückschau sieht Wolfgang Wewer ein zu viel an Engagement auch kritisch. „Ich war früher als Gemeindepfarrer und später in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei Pro Bahn viel unterwegs. Da schimpfen meine Kinder heute noch manchmal mit mir: Der Papa war damals nicht da, der war ja auf seinen Verkehrskongressen in Italien und so weiter.“ Auch die Ehe habe unter dem Zuviel der Aufgaben zuweilen gelitten. „Wenn er zu lange durch Europa gereist ist, war ich schon sauer“, sagt Ilse Wewer.
Wie regeln sie das mit dem Geld?
Eine Kasse („natürlich“), nicht so genau nachrechnen („Wir sagen uns meist: Es wird schon gehen“) und Großzügigkeit („Ich selbst hasse einkaufen. Aber wenn meine Frau sich mal was Schönes gönnt, dann denke ich: Soll sie doch!“). Ohnehin nehme Geld keinen besonders hohen Stellenwert im Leben der Wewers ein. Wichtig sei laut Wolfgang Wewer etwas anderes: „Wir reisen zum Beispiel gern, sind immer gern gereist. Das war oft abenteuerlich. Wenn die Kinder fragten, wo eigentlich der Rhein herkommt, dann haben wir im nächsten Familienurlaub die Räder mit der Bahn nach Graubünden geschafft und sind dann den Flusslauf nach Köln abgefahren. Besonders viel Geld brauchten wir dafür nicht.“
Welche Tipps haben die Wewers?
„Versprechen Sie sich, dass sie gemeinsam durch dick und dünn gehen! Passen Sie auf, dass Sie nicht zu viel arbeiten! Fangen Sie gemeinsam neu an, wenn Sie merken, dass der jetzige Weg in die Irre läuft“, sagt Wolfgang Wewer. Ilse und Wolfgang Wewer haben das von Zeit zu Zeit gemacht. Als er als Gemeindepfarrer von allen Seiten gefordert war und die Ehe unter der Überlastung litt, kündigten beide, zogen um und starteten neu.
Mit Rentenbeginn trennten sich die Wewers von ihrem Haus in Gummersbach, das viel zu viel Arbeit verursachte, und zogen in eine Dreizimmerwohnung in Köln. Außerdem rät Ilse Wewer: kein Fernseher, kein Auto. „Viele Paare sitzen jeden Abend vor der Mattscheibe, weil sie sich nichts zu sagen haben. Wir spielen Scrabble oder lesen uns was vor. Das haben wir auch mit den Kindern meistens so gehalten. Einer unserer Söhne führte sogar eine ‚Familienzeit‘ ein, in der wir zusammensaßen und jeder konnte sagen, was in der Woche besonders gut oder blöd war“.
Und auch ein Leben ohne eigenes Auto habe der Familie unnötigen Stress erspart, sagt Ilse Wewer heute: „Viel Zeit von den meisten Müttern geht doch drauf, dass Kinder zum Ballett oder zum Fußball kutschiert werden. Dabei werden die Kinder viel selbständiger, wenn sie das mit dem Fahrrad und mit Bus und Bahn selbst bewältigen.“
Gibt es Wünsche an die Politik?
Besonders Familien seien auf einen verlässlichen Nah- und Fernverkehr angewiesen, deshalb wünschen sich die Wewers hier mehr politisches Engagement, bei allen Parteien. „Für den Urlaub sind günstige Nachtzüge für Familien super. Da sollte man Geld reinstecken, statt Schlafwagen abzuschaffen, wie die Deutsche Bahn das getan hat“, sagt Ilse Wewer.
Außerdem sollten auch Männer unkompliziert Teilzeit arbeiten können. „Derzeit ist es doch so: Je nach Arbeitsmarktlage soll man Teilzeit oder Vollzeit arbeiten. Schöner wäre doch, wenn das einfach eine selbstverständliche Möglichkeit für alle Männer und Frauen wäre.“ Grundsätzlich sollten Familien mit vielen Kindern gefördert werden, weil sie selten viel Geld hätten und die Politik derzeit „die Armen eher ärmer und die Reichen eher reicher“ mache.