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Zahl seit 2015 verfünffachtSo viele Drogentote wie noch nie in NRW – Experten besorgt

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann hält eine Heroinspritze an seinen Arm. (Illustration)

Ein Mann hält eine Heroinspritze an seinen Arm. (Illustration)

Mit 872 Drogentoten hat Nordrhein-Westfalen ein weiteres Negativ-Rekordjahr hinter sich.

Angesichts eines erneuten Höchststands bei der Zahl der Drogentoten in Nordrhein-Westfalen zeigen sich Suchtforscher zunehmend besorgt. Die Zahl der Todesfälle stieg im vergangenen Jahr nach Angaben des NRW-Innenministeriums um 24 Prozent auf 872 Tote im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen. Seit 2015 (181 Drogentote) hat sich die Zahl damit fast verfünffacht.

Dass die Ursachen für diesen Anstieg in NRW bis jetzt nicht klar seien, liege an einer unzureichenden Datenbasis, sagt Professor Daniel Deimel (TH Nürnberg). „Es wird viel zu wenig obduziert und viel zu wenig toxikologisch begutachtet. Die Qualität der Daten ist rudimentär.“

Unbestritten sei aber: „Bei einem akuten Drogentod spielen Opioide die Hauptrolle. Das Atemzentrum wird gelähmt.“ Bei einer bundesweiten Untersuchung von Heroin fand sich unlängst in 3,6 Prozent der Proben Fentanyl. „Das ist mehr, als ich gedacht habe“, sagt Deimel.

Zombie-Droge Fentanyl ist 100 Mal tödlicher als Heroin

Das Problem: Synthetische Opioide wie Fentanyl, auch als „Zombie-Droge“ bekannt, sind 100 Mal tödlicher als Heroin. Statt 200 Milligramm Heroin reichen bereits 2 Milligramm Fentanyl für eine tödliche Überdosis. In den USA starben durch Überdosen synthetischer Opioide - vor allem Fentanyl - allein im Jahr 2021 mehr als 70 000 Menschen.

Suchtexperten empfehlen ein Drug-Checking, also die Möglichkeit, dass Drogenabhängige ihr Heroin auf tödliche Beigaben testen können. „Die vorhandenen Schnelltests reagieren allerdings nur auf einzelne Stoffe“, räumt Deimel ein Es sei also möglich, trotz eines solchen Tests eine Überdosis mit einem anderen synthetischen Opioid zu erleiden.

Seit die Taliban in Afghanistan den Mohnanbau bekämpfen und die Mohnfelder vernichten, befürchten Experten wie Deimel ein Ausweichen auf die deutlich gefährlicheren synthetischen Opioide. Diese Entwicklung werde aber wohl erst noch einsetzen.

Afghanistan: Mohnfelder verschwunden

„Die große Mehrzahl der Drogentoten sind Opioidabhängige. Der Rest geht auf das Konto von Crack oder Mischgebrauch“, sagt Professor Heino Stöver (Frankfurt University of Applied Sciences). „Synthetische Opioide sind unkalkulierbar. Sie sind aber jetzt auf dem Markt. Wir haben auf Satellitenbildern gesehen, dass der Mohnanbau in Afghanistan bis auf ein Minimum verschwunden ist“, berichtet Stöver.

„Das Heroinangebot wird bald katastrophal einbrechen, sobald die Lagerbestände verbraucht sind.“ Immerhin seien 95 Prozent des Heroins auf dem Weltmarkt bislang aus Afghanistan gekommen. „Das wird dazu führen, dass die Drogenkartelle versuchen, die bestehende Nachfrage mit synthetischen Opioiden zu stillen“, sagt Stöver und fragt: „Sind wir vorbereitet?“

Das Gegenmittel Naloxon sollte flächendeckend verteilt und den Abhängigen der Gebrauch beigebracht werden. Manche Ärzte hätten aber Angst, das Mittel zu verschreiben. Stöver und andere Suchtforscher haben ein ganzes Maßnahmenprogramm erarbeitet, für das es aus ihrer Sicht höchste Zeit ist.

Crack auf dem Vormarsch

Eine Entwicklung, die schon vor einiger Zeit eingesetzt hat, ist angesichts von hochreinem, billigen Kokain, das den Markt flutet, eine andere Tendenz: „Crack ist auf dem Vormarsch“, sagt Deimel. Crack kann leicht aus Kokain und Backpulver hergestellt werden.

Streetworker in Düsseldorf und Köln hatten bereits vor einiger Zeit Alarm geschlagen. Mit Crack sei die Drogenszene inzwischen in härtere Konsummuster abgerutscht. „Dadurch ist die Verelendung stärker geworden.“ (dpa)