Ein psychiatrischer Gutachter erklärt den Angeklagten am vierten Prozesstag für voll schuldfähig. Der Vorwurf: versuchter Mord in neun Fällen.
Brandanschlag auf Einsatzkräfte in RatingenStaatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für Frank P.
Die Staatsanwaltschaft hat am vierten Prozesstag gegen den mutmaßlichen Attentäter von Ratingen lebenslange Haft gefordert. Dass alle Opfer überlebten, sei reines Glück gewesen. Ein Gutachter hatte den Angeklagten Frank P. zuvor für voll schuldfähig erklärt.
„Wer eine andere Person mit Benzin überschüttet und anzündet, geht davon aus, dass diese Person daran sterben kann“, sagte die Staatsanwältin am Montag in ihrem Schlussplädoyer vor dem Landgericht Düsseldorf. „Er hat in Kauf genommen, dass sämtliche anwesenden Personen vom Feuer erfasst und tödlich verletzt werden.“
Das verschüttete Benzin sei bis auf den Laubengang gelangt, wo weitere Einsatzkräfte warteten. Wie viele dort standen, hätte Frank P. zwar nicht sehen können. Die Tatsache, dass dort noch mehrere Feuerwehrleute und Rettungskräfte standen, sei ihm durchaus bewusst gewesen. Die Einsatzkräfte seien völlig arglos und wehrlos gegen den Angriff gewesen. Und das, so die Staatsanwältin, habe Frank P. auch beabsichtigt.
Die Staatsanwältin plädiert wegen neunfachen versuchten Mordes, schwerer Körperverletzung in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen und besonders schwerer Brandstiftung auf lebenslange Haft. Dazu beantragt sie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld: Damit wäre eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.
Nebenklage schließt sich dem Plädoyer an
Die Staatsanwältin sieht drei Mordmerkmale als erfüllt: Heimtücke, Grausamkeit und gemeingefährliches Mittel - der Angeklagte habe Feuer als Waffe eingesetzt. Dass alle Einsatzkräfte die Tat überlebten, sei nur der Reaktion der Einsatzkräfte zu verdanken, die sich trotz eigener schwerer Verletzung gegenseitig versorgten und noch im Treppenhaus einen Notruf absetzten. Frank P. habe sowohl bei der Tat als auch danach seine „gefühllose, mitleidlose Gesinnung“ gezeigt. „Die Einsatzkräfte kamen, um zu helfen“, so die Staatsanwältin. „Und sie wurden aus dem Nichts angegriffen.“
Die Anwälte der Nebenklage schlossen sich dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an. „Die Tat ist von Vollendungsnähe geprägt“, so eine Opferanwältin. Der anwesende Notarzt sei davon ausgegangen, dass die Polizistin Hannah F. nicht überlebt. Zudem habe der Täter keine Reue gezeigt, keine Bereitschaft, bei der Aufarbeitung der Tat mitzuwirken.
Zu Beginn der Verhandlung hatte Rainer Drees, Vorsitzender Richter am Landgericht Düsseldorf, Schreiben von Frank P. vorgelesen, die er in den Monaten und Jahren vor der Tat verfasst hatte. Darin wütet P. gegen Kirchen, Altenheime, Krankenhäuser, Kitas, Behörden und Medien und bezeichnet sie als „Werkzeuge des Teufels“. Ähnlich beschreibt er die Impfstoffe gegen Covid-19: „Entweder man stirbt daran oder man wird das Werk des Teufels.“
„Deutliche Gefühlskälte“ bei Frank P.
Zuvor hatte Gutachter Sven-Uwe Kutscher den Angeklagten als voll schuldfähig erklärt. Er verfüge zwar über eine leicht unterdurchschnittliche Intelligenz, so der Gutachter. Eine „forensisch relevante Intelligenzminderung“ liege jedoch nicht vor. Auch für psychische Erkrankungen oder eine Persönlichkeitsstörung gebe es keine Anhaltspunkte.
Frank P. habe der Prepper-Szene angehört und Verschwörungstheorien mit zum Teil „sehr skurrilen Vorstellungen“ angehangen, so Kutscher. Der gelernte Maler habe sehr zurückgezogen gelebt, die einzige enge Beziehung pflegte er zu seiner Mutter. Auch wenn P. eine Person mit einem „schizoiden Akzent“ in seiner Persönlichkeit sei, liegen laut Kutscher keine Hinweise auf eine wahnhafte Störung vor. Auch Alkohol und Drogen spielten demnach keine Rolle.
P. zeige eine „sehr starke Ablehnung von Behörden, Ärzten und Vertretern des Staates“, so Kutscher. Seinem Bericht zufolge haben die Einsatzkräfte mindestens eineinhalb Stunden vor der Tat begonnen, sich mit Klopfen und Rufen bemerkbar zu machen, bevor sie schließlich die Wohnung betraten. Frank P. war sich der Situation bewusst – und nutzte die Zeit, um seine Tat vorzubereiten. Während des Prozesses habe Frank P. bisher keinerlei Empathie für seine Opfer gezeigt, so Kutscher. Stattdessen sei bei dem Angeklagten eine „deutliche Gefühlskälte“ anzunehmen.
Urteil bereits am Mittwoch möglich
Der 57-jährige Angeklagte verfolgte auch am vierten Prozesstag die Verhandlung aufmerksam, aber fast schon beiläufig. Am Mittwoch (13. Dezember) wird sein Anwalt sein Plädoyer halten. Womöglich spricht die Kammer noch am selben Tag ihr Urteil.
Vor genau sechs Monaten, am 11. Mai 2023, wurden neun Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr zum Teil lebensbedrohlich verletzt. Der Angeklagte hat zu den Vorwürfen und seinen Motiven bislang komplett geschwiegen.