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Streit um Kita-Ausbau in NRWWie Familienministerin Josefine Paul über Nacht 85 Millionen Euro fand

Lesezeit 3 Minuten
Josefine Paul (Bündnis90/Die Grünen), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie in Nordrhein-Westfalen.

Josefine Paul (Bündnis90/Die Grünen), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie in Nordrhein-Westfalen.

Die Landesregierung hatte zu wenig Geld für den Kita-Ausbau bereitgestellt – und musste jetzt nachlegen.

Dass die Landesregierung von NRW unmittelbar auf einen Brandbrief reagiert, kommt selten vor. Beim Kita-Ausbau ist der Fall jetzt eingetreten: Die kommunalen Spitzenverbände hatten Alarm geschlagen, weil die 115 Millionen Euro, die das Land dafür bereitstellt, schon im Mai verbraucht waren. Kaum war die Nachricht versendet, meldete sich NRW-Familienministerin Josefine Paul zu Wort. Das Land habe den Landesjugendämtern weitere 85 Millionen Euro zugewiesen, hieß es. „Der Ausbau der Kitaplätze hat für die Landesregierung eine sehr hohe Priorität. Auch in Zeiten, in denen die öffentlichen Haushalte unter Druck stehen”, sagte die Grüne.

SPD fordert Planungsgarantie

Die Kommunalen Spitzenverbände hatte in einem Protestschreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, auf „erhebliche Probleme“ bei der Kita-Finanzierung hingewiesen. Dem Vernehmen nach können Anträge der Kommunen auf Investitionskostenförderung von den Landesjugendämtern nicht mehr bedient werden, hieß es. Die Reaktion erfolgte prompt. „Das ist eine wichtige Entscheidung im Sinne der Familien in NRW, über die ich mich sehr freue“, sagte Eileen Woestmann, Landtagsabgeordnete der Grünen. Familienministerin Paul sorge durch die Erhöhung der Mittel für Planungssicherheit und ermögliche „einen Ausbau mit voller Kraft“.

Das sieht die Opposition naturgemäß anders. Die SPD-Fraktion fordert eine Planungsgarantie für die Kommunen. Bei den unter Dreijährigen fehlten mehr als 90 000 Plätze, ab August 2024 würden lediglich 466 neue Plätze hinzukommen. Dies sei ein „Armutszeugnis und der Beweis, dass sich Familie und Beruf in NRW immer schwerer miteinander vereinbaren“ ließen, heißt es in einem Antrag für die nächste Plenarsitzung. Dort soll die Ministerin dem Parlament Rede und Antwort zum Kita-Ausbau stehen. „Planvolles Regierungshandeln“ sehe anders aus. Die 85 Millionen Euro haben man offenbar unter dem Eindruck der Proteste in einer „Hauruckaktion“ über Nacht gefunden.

Bautätigkeit zieht wieder an

Eine Sprecherin von Ministerin Paul erklärte, warum die eingeplanten Fördermittel schon im Mai aufgebraucht waren. Erstmalig habe jetzt die Möglichkeit bestanden, inklusive Plätze zu fördern, um den besonderen Bedürfnissen von Kindern mit oder mit drohenden Behinderungen gerecht werden zu können. „Der Bund hat zudem sukzessive die Förderungen für den Kitausbau beendet, die Förderungen des Landes werden in diesem Jahr überaus erfolgreich angenommen“, hieß es. „Erfreulicherweise sehen wir, dass gerade die kommunale Bautätigkeit wieder anzieht“, fügte die Sprecherin hinzu. Mit der Bereitstellung von insgesamt 200 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2024 habe die Landesregierung nun „bedarfsgerecht“ Mittel für die Bewilligung der Anträge in das System gegeben. Diese stammten aus den sogenannten „Selbstbewirtschaftungsmitteln“. Das sind stille Reserven, die unter anderem für unvorhergesehene Ausgaben zur Verfügung stehen.

Am Donnerstag ist die Kita-Finanzierung Thema einer aktuellen Stunde im Familienausschuss des Düsseldorfer Landtags. Marcel Hafke, Kita-Experte der FDP, verlangt Aufklärung darüber, wie es zu der Finanzierungslücke kommen konnte. „Die Landesregierung versagt erneut in der Kommunikation und verspielt weiter Vertrauen“, sagte der Liberale. Die Landesregierung spare offensichtlich an der falschen Stelle, wenn sie nun die Förderung neuer Familienzentren stoppe. „Das werden wir nicht hinnehmen und im Plenum und Familienausschuss klar ansprechen“, so Hafke.

Die SPD erwartet, dass sich Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in die Debatte einschaltet. „Die Familienministerin scheint mit der aktuellen Lage immer mehr überfordert zu sein“, sagte Familienexperte Dennis Maelzer. Wüst dürfe „sich nicht weiter wegducken“ und die Ministerin mit „dieser Bildungskatastrophe alleine lassen“.