Ist der mehrsprachige Unterricht an den NRW-Schulen Fluch oder Segen? Im Schulausschuss des Landtags scheiden sich an dem Thema die Geister.
Streit um mehrsprachigen UnterrichtWerden schlechte Schüler besser, wenn der Lehrer Türkisch spricht?
Die Ergebnisse der PISA-Studie sind wenig erfreulich. Rund ein Drittel der Schüler in NRW erreicht in der 9. Klasse nicht die Mindeststandards für den Mittleren Schulabschluss im Deutschunterricht. Jedes vierte Grundschulkind in der 3. Klasse kann nicht richtig in der deutschen Sprache lesen oder schreiben. Schüler mit internationaler Familiengeschichte schneiden häufig besonders schlecht ab. Rund 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben einen Zuwanderungshintergrund, an den Hauptschulen sind es mehr als 60 Prozent. Kann man ihren Schulerfolg verbessern, wenn der Unterricht vermehrt in ihrer Herkunftssprache erteilt wird?
Kölner Grundschulen erproben herkunftssprachlichen Unterrricht
Um diese Frage geht es im Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags. Im Regierungsbezirk Köln wird derzeit an 30 Grundschulen eine engere Verzahnung von Unterricht und Herkunftssprache erprobt. Die SPD fordert, das Konzept landesweit auszurollen. „Eine gute grundlegende Sprachkompetenz in jedweder Sprache bildet die Voraussetzung zum Erwerb der deutschen Schriftsprache“, heißt es in einem Antrag mit der Überschrift „Mehrsprachigkeit an Schulen neu denken“. Ein „streng monolinguistisch ausgelegtes Schulsystem“ schmälere den Bildungserfolg von Schülern mit Migrationshintergrund.
Bei einer Sachverständigenanhörung im Landtag hatten Experten die Chancen eines Unterrichts in der Herkunftssprache für den Lernerfolg aufgezeigt. Die bisherigen Angebote finden allerdings oft in den Nachmittagsstunden statt – und sind von den deutschen Unterrichtsinhalten abgekoppelt. Die SPD will die Stunden zeitlich besser an den Regelunterricht anbinden und inhaltlich auch stärker verzahnen. Dann wäre auch Sachunterricht zum Beispiel auf Türkisch möglich.
Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Mit unserem Antrag wollen wir das Potenzial mehrsprachiger Kinder, die zuhause eine weitere Sprache sprechen, aktiv fördern.“
Franziska Müller-Rech: SPD verliert sich in idealistischen Konzepten
Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion NRW, kritisierte den Vorstoß. Die SPD verliere sich „in idealistischen Konzepten“. Deutsch sei der Schlüssel für Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe. „Ohne eine gezielte Stärkung der Basiskompetenzen in der deutschen Sprache bleiben alle weiteren Maßnahmen wirkungslos.“ Man müsse erst Deutsch stärken, ehe Zusatzangebote ausgebaut werden könnten.
Claudia Schlottmann, schulpolitische Sprecherin der CDU, erklärte, die SPD suggeriere mit ihrem Antrag, dass beim Thema Mehrsprachigkeit eine Gesamtstrategie nötig wäre: „Tatsächlich ist es aber so, dass das Land bereits seit längerer Zeit breitangelegte Konzepte und Programme erfolgreich umsetzt.“
Gönül Eğlence, Sprecherin für Migration und Teilhabe der Grünen, begrüßte die Ausbau-Pläne: „Herkunftssprachlicher Unterricht trägt dazu bei, Sprachkenntnisse in der Herkunfts- oder Erstsprache auf hohem Niveau zu fördern.“ Dies wirkte sich auch positiv auf das Erlernen weiterer Sprachen, einschließlich Deutsch, aus.