Die Forschung sieht einen nicht-gewalttätigen Islamismus als wachsende Bedrohung für die Demokratie. Die Tagung in Münster legte Strategien offen.
Bedrohliche Allianzen zwischen Rechten und IslamistenTagung in Münster stellt Forschung zu Islamismus vor – das sind die Ergebnisse
Bei einer internationalen Tagung zu politischem Islamismus und autoritärem Nationalismus in Münster haben Wissenschaftler besonders vor neuen Allianzen zwischen beiden Gruppen gewarnt. Veranstalter der Tagung waren der Exzellenzcluster und die Forschungsstelle „Islam und Politik“ am Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der Universität Münster in Kooperation mit dem Bundesinnenministerium.
„Seit dem 11. September konzentriert sich die Islamismus-Forschung sehr stark auf den gewalttätigen Islamismus, also den Jihadismus und jihadistischen Salafismus“, erklärt Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster und Professor für Islamische Religionspädagogik. „Was aus den Augen verloren ging und deshalb Thema der Tagung war, ist die Frage: Was ist mit dem nicht-gewalttätigen Islamismus?“
Wandel in der Sprache: Mehr moralisierend als religiös
Dieser, so Khorchide, werde immer gefährlicher und anpassungsfähiger. Beim politischen Islam habe man es mit Gruppen zu tun, die nicht unbedingt Demokratie und Menschenrechte in ihrer Rhetorik ablehnen, sondern sich sogar als deren Verteidiger präsentierten. „Das langfristige Ziel dieser Organisationen ist es aber, die Scharia durchzusetzen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen. Aber: Das versuchen sie mit den Mitteln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“
Ein weiteres Forschungsergebnis sei der Wandel in der Sprache. „Aus einer religiösen Sprache – dem Reden von Gläubigen und Ungläubigen zum Beispiel – wird eine moralisierende Sprache: Weißer Mann versus Muslime als Opfer.“ Durch diesen Wandel der Sprache sei es dem politischen Islam möglich, mehr Kooperationspartner und Sympathien innerhalb der Gesellschaft zu sammeln. „Das führt dazu, dass sich Menschen mit islamistischen Organisationen solidarisieren, die gegen die Diskriminierung der Muslime kämpfen, ohne zu schauen: Was für eine Organisation ist das eigentlich? Geht es ihr wirklich um die Rechte der Muslime?“
„Islamisten und Rechtspopulisten brauchen sich gegenseitig“
Als dritten Wandel, über den die Wissenschaftler sich austauschten, waren die Bündnisse zwischen Islamisten und autoritären Nationalisten. „Nationalistische Gruppierungen wie die Grauen Wölfe waren ursprünglich gar nicht religiös interessiert“, sagt Khorchide. Dies erinnere daran, „wie Islamisten in Deutschland und Rechtspopulisten sich ebenfalls gegenseitig bedienen“.
„Islamisten brauchen die Rechtspopulisten, die vor dem Islam warnen, um ein Feindbild zu konstruieren“, sagt Khorchide. „Um zu sagen: Diese Rechtspopulisten repräsentieren die Mehrheit der deutschen Gesellschaft. Auf der anderen Seite versuchen Rechtspopulisten den Eindruck zu erwecken, Islamisten würden mit ihren Aussagen die Mehrheit der Muslime vertreten. Um ihre Angst schürenden Narrative zu begründen, brauchen sie sich gegenseitig.“
Khorchide hofft, dass die Tagung im nächsten Jahr fortgesetzt wird. „Wir wollen eine Reihe daraus machen; jedes Jahr mit einem anderen Schwerpunkt“, sagt er. Sowohl die Universität als auch das Bundespannenministerium haben demnach Interesse daran gezeigt.