Weil Personal zur Betreuung fehlt, wird geprüft, ob zukünftig auch pensionierte Polizisten in der nordrhein-westfälischen Abschiebeanstalt Büren eingesetzt werden können.
Ausreisepflichtiger Mann untergetauchtIn NRW fehlt es an Personal für Abschiebehaft – Pensionäre sollen helfen

In der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren fehlt es für die Vollbelegung an Personal.
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Die Aussage der Kölner Stadtverwaltung glich einer Bankrotterklärung. Man habe „bundesweit alle Abschiebehaftanstalten abtelefoniert, konnte aber dennoch keinen freien Platz finden“, ließ ein Sprecher der Stadt auf Anfrage wissen, nachdem unsere Zeitung vor einigen Wochen über einen ausreisepflichtigen Marokkaner berichtet hatte.
Der 34-Jährige, nach dem in vier Strafverfahren wegen sexueller Belästigung gefahndet worden war, kam wieder auf freien Fuß, nachdem er am Hauptbahnhof Bonn festgenommen wurde. Danach verschwand der Mann von der Bildfläche. „Faktisch und rechtlich gibt es für die Kommune keine Möglichkeit, jemanden, der ausreisepflichtig ist, daran zu hindern, unterzutauchen“, lautete anschließend das überraschend deutliche Fazit des Stadtsprechers.
Es gebe „keinen Anlass“, die Aussagen „der Stadt Köln anzuzweifeln“, heißt es jetzt vom nordrhein-westfälischen Fluchtministerium, nachdem die Angelegenheit auf Antrag der FDP-Fraktion zum Thema im Düsseldorfer Landtag geworden ist. Die Begründung des Ministeriums, das in der Vergangenheit immer wieder verlauten ließ, die Kapazitäten für Abschiebeunterbringungen in NRW seien nicht erschöpft, zeigt das ganze Ausmaß des Dilemmas.
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Häftlingen muss ein strukturierter Tagesablauf ermöglicht werden
Zum Zeitpunkt der Kölner Telefonrecherche seien in der für 175 Männer ausgelegte Abschiebehaftanstalt Büren zwar lediglich „134 ausreisepflichtige Personen untergebracht“ gewesen, heißt es in einem Papier des Ministeriums. Für mehr Häftlinge indes habe schlichtweg das Personal gefehlt, wobei „der Betreuungsaufwand für die untergebrachten Personen von zentraler Bedeutung“ sei.
Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz NRW mit seinen „weitreichenden Vorgaben zu verpflichtenden Angeboten“ binde schließlich jede Menge Personal. Etwa durch das zwingende „Angebot von tagesstrukturierenden Maßnahmen“ als „unersetzlicher Baustein“ in der Abschiebehaft. „Im angefragten Zeitraum waren, auch für anstehende Haftplatzreservierungen, erhöhte Betreuungsaufwände notwendig, um die Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung weiterhin aufrechterhalten zu können“, schreibt das Ministerium: „Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände konnte daher kein Haftplatz durch die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren vermittelt werden.“
NRW-Polizei hilft zwischenzeitlich, die Personallücken zu stopfen
Neue Personalressourcen zu gewinnen durch „Einstellungen oder Versetzungen“ sei eine „besondere Herausforderung“. Kurzfristig sei die NRW-Polizei zwar eingesprungen. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums unterstützten zwei Polizeivollzugsbeamte die Haftanstalt pro Schicht, also sechs pro Arbeitstag. Derzeit werde geprüft, ob dafür zukünftig nicht auch pensionierte Polizisten in Einsatz kommen könnten, heißt es im Papier des Fluchtministeriums.
„Wenn die Landesregierung ernsthaft darüber nachdenkt, pensionierte Polizeibeamte zurück in den Dienst zu holen, um den Betrieb der Abschiebehaft in NRW aufrechtzuerhalten, zeigt das den ganzen Ernst der Lage“, kritisiert Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Es sei „nicht die Aufgabe von Ruheständlern, die Versäumnisse dieser Schlafwagen-Politik auszubügeln“. Statt langfristig für ausreichend Personal zu sorgen, reagiere die schwarz-grüne Landesregierung mit kurzfristigen Notlösungen und personellen Improvisationen, so Lürbke.
Nach dem Anschlag von Solingen mit drei Toten hat die Landesregierung beschlossen, konsequenter abzuschieben. Daher wird gerade auch eine zweite Abschiebehaftanstalt in Mönchengladbach geplant.