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Tod von Mouhamed Dramé in NRWEin Urteil über die beteiligten Polizisten steht bevor – Was zu erwarten ist

Lesezeit 4 Minuten
Dortmund: Plakate und eine Plakette erinnern am Tatort (hinter dem Zaun) an den 16-jährigen Senegalesen Mouhamed Drame. Am 19.12.2023 begann der Prozess nach tödlichen Polizeischüssen auf einen jungen Flüchtling. Der Jugendliche aus dem Senegal war am 8. August 2022 auf dem Gelände einer Jugendhilfeeinrichtung erschossen worden.

Plakate erinnern am Tatort (hinter dem Zaun) an den 16-jährigen Senegalesen Mouhamed Dramé, der am 8. August 2022 auf dem Gelände einer Jugendhilfeeinrichtung erschossen worden war.

Nach einem emotionalen und aufwühlenden Prozess soll am Donnerstag das Urteil ergehen. Kommt es zu Freisprüchen?

Die überraschende Wende im Dortmunder Prozess zu dem tödlich verlaufenen Polizeieinsatz gegen den senegalesischen Flüchtling Mouhamed Dramé erfolgt am 2. Dezember im Gerichtssaal. Mit bangen Blicken erwarten die fünf angeklagten Polizeibeamten das Plädoyer des Chefanklägers Carsten Dombert. Der Oberstaatsanwalt hatte den 30-jährigen Todesschützen Fabian S. wegen Totschlags, drei Kollegen wegen Körperverletzung im Amt und den Einsatzführer wegen Anstiftung angeklagt. Seit einem Jahr läuft die spektakuläre Hauptverhandlung. Stets füllen zahlreiche Aktivisten die Zuschauerränge. Seit dem Tod des 16-Jährigen durch fünf Projektile aus einer Maschinenpistole des Beamten S. werfen die Protestler der Polizei latenten Rassismus vor.

Freispruch auch für Polizeischützen gefordert

Und so treffen die zweistündigen Ausführungen im Plädoyer der Staatsanwaltschaft bei ihnen auf harsche Kritik. Ankläger Dombert fordert vier Freisprüche, darunter auch für den Polizeischützen. Anders als sein Dienstgruppenleiter, der den Einsatz falsch geplant und sich damit der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht habe, sei dem Angeklagten Fabian S. keine Straftat vorzuwerfen. Tenor: Der Polizeikommissar ging irrtümlich von einer Gefahrenlage für seine Kollegen aus und drückte ab.

In der Dynamik der Situation habe er nicht erkennen können, dass der Jugendliche mit dem Messer gar nicht angreifen, sondern nur der Situation entkommen wollte. Die irrtümlich angenommene Notwehrlage rechtfertige die Schüsse auf den Oberkörper des Mannes, weil alles schnell gehen musste – auch ohne Warnschuss. Der Urteilsspruch soll am Donnerstag erfolgen.

Wie Mouhamed Dramé tragisch zu Tode kam

Es war der 8. August, als Betreuer in einer Jugendwohnheim-Einrichtung der Dortmunder Nordstadt die Polizei riefen. Dramé, einer ihrer Schützlinge, hockte im Innenhof und hielt sich ein Messer gegen den Bauch. Tags zuvor hatte sich der Senegalese wegen psychischer Probleme in eine Klinik einweisen lassen, war aber wieder entlassen worden. Erfolglos versuchte der Einsatztrupp, den jungen Mann anzusprechen. Dann eskalierte die Lage. Der 56-jährige Dienstgruppenleiter befahl den Einsatz von Pfefferspray. Statt das Messer fallen zu lassen, erhob sich Dramé und bewegte sich zügig auf die Beamten zu. Vergeblich setzten zwei Beamte ihre Taser ein. Etwa zwei Sekunden später drückte der Sicherheitsschütze ab.

Nach Dutzenden Zeugenaussagen und Expertisen durch Sachverständige sowie den Erklärungen durch die Angeklagten nahm Oberstaatsanwalt Dombert seine Anklagevorwürfe im Wesentlichen zurück. Allein dem Dienstgruppenleiter sei unrechtmäßiges Verhalten zur Last zu legen, so der Ankläger. Er habe zu Unrecht und zu unüberlegt den Einsatz von Pfefferspray angeordnet - und so den fatalen Lauf der Dinge in Gang gesetzt.

Die fünf angeklagten Polizeibeamtinnen und -beamten sitzen zwischen ihren Anwälten im Gerichtssaal des Landgerichts.

Der Prozess am Landgericht Dortmund hat viel Aufmerksamkeit erregt. Gestartet ist er am 19. Dezember 2023.

Dombert monierte, dass der Prozess durch rechte wie linke politische Ressentiments bedient worden war: „Das war alles unzutreffend.“ Die Anklagten hätten zu keiner Zeit rassistische Motive für ihr Verhalten erkennen lassen, auch habe die Polizei hochprofessionelle Ermittlungsarbeit geleistet, die schließlich zur Anklageerhebung und zum Prozess geführt hätten.

Das Gros der Verteidiger folgten in ihren Schlussvorträgen dem Plädoyer der Anklage. Anwalt Michael Emde forderte indes auch, den Einsatzleiter freizusprechen. Sein Mandant habe den Jugendlichen retten wollen. Deshalb habe er angeordnet, das Pfefferspray einzusetzen, damit dieser das Messer fallenließe. Nach Ansicht von Lisa Grüter aber, die zwei Brüder des getöteten Jugendlichen vertritt, sei Mouhamed Dramé durch den unangekündigten Reizgaseinsatz „regelrecht in das Schussfeld hineingetrieben“ worden.

Emotionen spielten in dem Verfahren eine große Rolle. So hatte der 30-jährige Todesschütze Interviews gegeben und sich auch eine Stunde lang im Gerichtssaal zu seinen Handlungen geäußert. An die Opferangehörigen gewandt, sprach Fabian S. „der Familie mein Mitgefühl aus. Ich bin für den Tod verantwortlich. Es trifft mich sehr und macht mich traurig. Ich kann mir nicht vorstellen, was es bedeutet, ein Familienmitglied zu verlieren“. Er gab sich demnach keinen Illusionen hin, dass die Familie des Opfers ihm verzeihe. Jeden Tag tauche das Gesicht des Jungen vor seinen Augen auf. Zugleich aber machte der suspendierte Beamte klar, warum er geschossen habe. Dramé sei in hohem Tempo mit einem Messer in der Hand auf seine Kollegen zugelaufen. Für einen Warnschuss sei keine Zeit gewesen. (mit dpa)